Mit Seitendisplays

Samsung Galaxy S6 Edge im Test: Was taugt das Seitendisplay?

Kernfeature des Samsung Galaxy S6 Edge gegenüber dem Galaxy S6 sind die abgeknickten Seitendisplays. Im Test zeigen wir auf, welche Vor- und Nachteile sie haben, was Samsung hätte besser machen können und wie das Galaxy S6 Edge im Leistungscheck abschneidet.
Von Thorsten Neuhetzki /

In einigen Tagen bringt Samsung seine beiden neuen Flagg­schiffe, das Samsung Galaxy S6 und das Samsung Galaxy S6 Edge auf den Markt. Wie schon in unserem Testbericht zum Samsung Galaxy S6 beschrieben, gibt es gegenüber dem Vor­gänger­gerät Galaxy S5 einige Veränder­ungen. Diese fallen besonders bei der Edge-Variante ins Auge, die wir in diesem Testbericht näher unter die Lupe nehmen wollen. Da die "inneren Werte" des Samsung Galaxy S6 und Galaxy S6 Edge sehr ähnlich sind, konzentrieren wir uns nach dem bereits veröffentlichen S6-Test­bericht dabei zunächst auf die Seitendisplays, lassen die sonstigen Testkriterien im weiteren Verlauf des Tests aber nicht außer Acht. Das Samsung Galaxy S6 Edge Das Samsung Galaxy S6 Edge
Foto: teltarif.de / Rita Deutschbein

Ein be­son­deres Au­gen­merk gehört beim Galaxy S6 Edge bei­spiels­weise dem Akku: Obwohl dieser auf­grund des ge­schlos­senen Me­tall­gehäuses wie beim Galaxy S6 nicht wechselbar ist, bringt er mit 2 600 mAh exakt 50 mAh mehr an Kapazität als die Batterie des Galaxy S6. Nominell klingt das erst einmal nach einem kleinen Unterschied - im Test erlebten wir allerdings eine Überraschung.

Seitendisplay bringt besseren Blickwinkel

Das Display des Galaxy S6 Edge ist an beiden Längsseiten abgerundet. Dadurch ergibt sich beim Anschauen des Gerätes ein zusätzliches Display, das der Betrachter seitlich im 90-Grad-Winkel anschauen kann, während das übliche Hauptdisplay eines Smartphones auf einem Tisch liegend üblicherweise in einem geschätzten 45-Grad-Winkel betrachtet wird. Samsung nutzt diese beiden daraus resultierenden Seitenleisten aus Seitendisplay auf der Kante des Handys - dem namengebendem Edge. Im Test dieser Edge-Variante zeigten sich sowohl Vorteile aber auch Nachteile des Edge-Displays, dessen Funktionsumfang größer sein könnte.

Swiftkey fällt an den Bildschirm-Rändern ab Swiftkey fällt an den Bildschirm-Rändern ab
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Generell sind die beiden Kanten rechts und links Bestandteil des Hauptdisplays. Inhalte wie Webseiten oder Apps fallen also rechts und links etwas ab und werden auf den abgerundeten Kanten des Smartphones dargestellt. Das ist gewöhnungsbedürftig und gefällt nicht jedem und nicht in jeder Situation. Gerade wenn man eine Webseite heranzoomt und Inhalte auf dem Display verschiebt, müssen sich Auge und Gehirn erst daran gewöhnen, dass die Inhalte auch über die Kante hinweg "rutschen".

Buchstaben rutschen bei Swiftkey auf den Rand

Samsung Galaxy S6 Edge

Das hat auch Auswirkungen auf die Bedienung des Handys. Denn wenn Elemente auf der Kante des Displays dargestellt werden, müssen sie auch dort angeklickt werden. So befindet sich in Apps manche Menü-Fläche auf der linken Seite sehr nah an der Kante und auch bei Tastaturen wie Swiftkey rutschen die Taste mit dem "q" bzw. dem "1" links sowie das "p" rechts zu einem Teil auf die Rundung. Daran mag man sich gewöhnen, das hätte man aber dennoch anders lösen können. Bei der Samsung-eigenen Tastatur ist das Problem weniger stark. Als störend empfanden wir die Darstellung des Hauptdisplay-Randes auf den Ecken vor allem bei Videos im Quer-Vollformat. Hier wird jeweils ein schmaler Streifen oben und unten auf den Rändern dargestellt, was das Auge vom eigentlichen Inhalt des Films immer wieder ablenkt.

News & VIP-Benachrichtigung

Doch was soll dieser abgerundete Seitenbildschirm nun eigentlich bringen? Er dient als mögliche Benachrichtigungsleiste auf der Seite des Handys, ähnlich einem Laufband mit Aktienkursen im Fernsehen. Genutzt wird er als solcher jedoch nur, wenn das Hauptdisplay ausgeschaltet ist, das Handy also im Standby ist. Dann lässt sich der Seitenbildschirm aktivieren, um Informationen darzustellen. Mehr dazu später. Aktienkurse sind nur eine der Anwendungen, die der Nutzer auf dem Seitendisplay darstellen kann. Die Auswahl, welche Informationen angezeigt werden, trifft der Nutzer im Einstellungs-Menü im Untermenü "Gerät" unter dem Punkt Seitendisplay. Hier werden alle Optionen, die der Seitenbildschirm ermöglicht, dargestellt. Die angesprochene Info-Option befindet sich unter dem Punkt Info-Stream.

Info-Feed nicht zur Daueransicht gedacht

Hier können die Feed-Inhalte, das Timeout und Wetter-Einstellungen verwaltet werden. Eine dauerhafte Nutzung des Seitenbildschirms ist offenbar nicht vorgesehen. Das maximale Timeout liegt bei 10 Minuten. Wer also ständig Informationen durchlaufen sehen möchte, muss den Infostream immer wieder aktivieren. Angezeigt werden können Schlagzeilen von Yahoo News, Börsenkurse und Sportergebnisse. Auch kann Twitter genutzt werden - hier allerdings nur Twitter Trends, nicht die eigene Timeline. Auch individuelle Sportergebnisse, etwa vom Lieblingsverein der Bundesliga, können angezeigt werden.

Drei mögliche Seiten-BIldschirme: Uhrzeit, teltarif.de-RSS-Feed und Börsenkurse Drei mögliche Seiten-BIldschirme: Uhrzeit, teltarif.de-RSS-Feed und Börsenkurse
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Weitere Feeds können aus einem speziellen Bereich im Samsung-App-Store direkt in den Einstellungen heruntergeladen werden. Vor dem Marktstart des Samsung Galaxy S6 Edge war diese Rubrik aber eher enttäuschend - lediglich eine Seiten-Leiste zum Einbinden eigener RSS-Feeds stand bereit. Immerhin lassen sich so individuelle Schlagzeilen etwa von teltarif.de als Info auf der Seite darstellen.

Last but not least lassen sich über eine weitere Seitenleiste sämtliche Informationen, die üblicherweise in der oberen Android-Statusleiste auftauchen, auch in der Seitenbar darstellen. Das können eingehende SMS, WhatsApp-Nachrichten oder das aktuell bei Spotify abgespielte Lied sein. Welche Apps dargestellt werden sollen, kann eingestellt werden.

Aktivieren und Durchscrollen wird zur Herausforderung

Aktiviert wird der Seitenbildschirm mit seinem Infostream über ein zweimaliges Auf- und Abstreicheln auf der für den Infostream ausgewählten Display-Kante. Bis sich das Display dann wirklich aktiviert, dauert es etwa ein bis zwei Sekunden, was am Anfang zu einem wilden Reiben auf der Display-Kante führen kann, wenn man zu ungeduldig ist. Tatsächlich reicht ein Bereich von etwa drei Zentimetern, die der S6-Edge-Nutzer auf der Ecke auf- und abwischt. Angezeigt werden dann stets zunächst die Uhrzeit, der Akkustand und - falls aktiviert - das Wetter.

Einstellungen des Seiten-Bildschirms Einstellungen des Seiten-Bildschirms
Screenshot: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Wer die anderen Infos angezeigt bekommen möchte, muss sich durch die Infobars scrollen. Ein schnelles und fast unauffälliges Anschauen der Infos ist so leider nicht möglich. Hinzu kommt, dass Nutzer ohne die nötige Feinmotorik schnell beim Durchscrollen auf den Hauptbildschirm kommen und dieser dadurch aktiviert wird. Im Test passierte uns dies sehr häufig, so dass es schon fast zu einem Wettbewerb wurde, durch alle Infoleisten zu scrollen. Hier wäre wünschenswert, dass eine Einstellung es ermöglicht, beispielsweise direkt einen RSS-Feed oder die Börsenkurse anzusehen und dass sich der Homescreen bei aktivierter Seitenleiste beispielsweise nur durch den Homebutton aktivieren lässt.

VIP-Benachrichtigung: Nett gedacht, aber schlecht gemacht

Schade ist auch, dass der Nutzer zuvor in den Einstellungen definieren muss, welchen Seitenbildschirm er nutzen möchte. Eine Aktivierung durch Wischen auf der gerade gewünschten Seite wäre praktikabler. Das gilt umso mehr für eine weitere Funktion: die VIP-Anzeige. Ist diese aktiviert, können bis zu fünf Kontakte hinterlegt werden. Das erfolgt entweder im Menü oder durch einen Fingerwisch auf dem Hauptscreen im oberen Viertel der Seitenleiste - je nach Einstellung von rechts oder links. Den bis zu fünf Kontakten werden Farben zugeordnet - acht verschiedene Farben stehen hier zur Auswahl. Liegt das Handy nun umgedreht auf dem Tisch, leuchten die Seitendisplays in der Farbe des VIP-Kontaktes. Wobei das Wort "Seitendisplays" die jeweils gerade aktivierte Seite meint. Beim Umdrehen des Displays muss man also darauf achten, welche Seite zum Nutzer zeigt. Auch hier wäre eine beidseite Anzeige deutlich sinnvoller.

VIP-Benachrichtigung: Beim Anruf leuchtet des Edge-Display - bei starkem Licht zu schwach VIP-Benachrichtigung: Beim Anruf leuchtet des Edge-Display - bei starkem Licht zu schwach
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Dass die farbliche Anrufsignalisierung auf nur einer Seite im Alltag ein Problem sein kann, zeigte sich auch in der Praxis: Im Test lag das Gerät rechts vom Testredakteur auf dem Schreibtisch, die Infoleiste war also auf der linken Seite aktiv. Will er nun die "heimliche" Anrufbenachrichtigung nur durch die Farben nutzen und dreht das Gerät auf die Display-Seite, liegt die linke Infoleiste nun rechts und somit vom ihm abgewandt, so dass sich der rechte Schreibtischnachbar über das Farbenspiel beim Kollegen freuen konnte. Bei starkem Umgebungslicht ist es zudem eher schwer, bestimmte Farbtöne als Laufleiste wahrzunehmen.

Wer einen Anruf nicht annehmen kann oder möchte, kann ihn durch Auflegen eines Fingers auf den Pulsmesser direkt ablehnen und eine vorher hinterlegte Nachricht per SMS an den Anrufer schicken (Schnellantwort). Leider kann nur eine allgemeine Nachricht verschickt werden, eine individuelle pro VIP-Kontakt ist nicht möglich.

Uhrzeit nachts als Dauer-Einblendung möglich

Eine weitere Möglichkeit mit dem Edge-Display ist eine automatische Uhr-Einblendung zu einer vorab definierten Nacht-Zeit in deutlich abgeschwächter Lichtstärke - quasi als Nachttisch-Wecker. Diese ist in der Tat gut und sinnvoll umgesetzt und erübrigt, dass nachts der Hauptbildschirm in voller Intensität aktiviert werden muss, um die Uhrzeit abzulesen, sofern der klassische Wecker abgeschafft wurde.

Der Leistungs-Check

Ruckelfreies Rendering: Leistung atemberaubend

Da im Galaxy S6 Edge derselbe Prozessor verbaut ist wie beim Galaxy S6, war es nicht zu erwarten, dass in puncto Leistung eklatante Unterschiede zwischen den Smartphones bestehen. Im übrigen werden beide Geräte mit 3 GB Arbeitsspeicher ausgeliefert. Wir haben trotzdem das Galaxy S6 Edge nochmals unseren ganzen Testparcourt absolvieren lassen.

Verglichen mit dem Galaxy S6 gab es diesbezüglich keine Überraschungen - die von uns gemessenen Benchmarkwerte liegen etwa im selben Bereich. Bei AnTuTu hat das Galaxy S6 Edge etwas besser abgeschnitten als das S6, was daran liegt, dass dieses Testprogramm nicht nur die Leistung misst, sondern auch die Akkukapazität mitberücksichtigt. Kam das Galaxy S6 auf 63 294 Punkte, so kam das Edge-Modell auf 68 755 Punkte. Bei Videos werden Inhalte auch auf dem Rand dargestellt Bei Videos werden Inhalte auch auf dem Rand dargestellt
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki

Beim Leistungstest von 3DMark waren die Werte der Edge-Version praktisch identisch mit denen des S6. Wichtiger - weil aussagekräftiger - als die nackten Ergbnisse sind bei diesem Test allerdings die Bildraten, also die Frames pro Sekunde. Und hier liefern beide Smartphones wirklich eine atemberaubende Leistung ab. Selbst bei den schwierigsten Rendering-Tests mit vielen Rauch-, Feuer und Nebeleffekten, lag die durchschnittliche Framerate stets zwischen 50 und 60 Frames pro Sekunde.

Zum Vergleich: Das menschliche Auge nimmt bereits Werte über 24 Frames pro Minute als flüssig wahr und Einsteiger-Smartphones schaffen manchmal mit Ach und Krach nur 10 bis 20 Frames pro Sekunde, was der Betrachter als Ruckeln wahrnimmt. Davon sind die S6-Modelle mit ihrer Leistung meilenweit entfernt - damit dürften sie momentan mit die besten Spiele-Smartphones sein, die es aktuell auf dem Markt gibt.

Akku stärker als beim Galaxy S6 und separate Kamera-Tests

Inwiefern machte sich im Test der nominell etwas stärkere Akku beim Galaxy S6 Edge bemerkbar? In unserem Test des Galaxy S6 hatten wir die etwas maue Akkulaufzeit von lediglich 5 Stunden bemängelt - und für ein aktuelles Topmodell ist das auch wirklich keine Glanzleistung. Was konnte also das Galaxy S6 Edge mit seinen nominell 50 mAh mehr an Akkukapazität herauskitzeln?

Das Ergebnis war verblüffend: In unserem Akkutest hielt das Galaxy S6 Edge tatsächlich 59 Minuten länger durch, also gut eine Stunde. Dieser Test simuliert ein immer gleiches Szenario mit einer Mischung aus Musik hören, Videos schauen, Internetsurfen und mehr. Wer sein Handy nicht dauernd nutzt, wird daher mit dem Akku länger auskommen als der Testwert. Von daher muss man aber dennoch konstatieren, dass es sich bei dieser besseren Akkuleistung tatsächlich um ein kaufentscheidendes Kriterium für manche Interessenten handeln könnte. Obwohl bei beiden Modellen die Ladezeit sehr schnell ist, kann eine Stunde mehr oder weniger am Ende eines Arbeitstages viel ausmachen - zumal die Nutzungszeit bei Wenig-Nutzung deutlich länger sein dürfte. Die Interessenten müssen sich allerdings fragen, ob sie mit dem stärkeren Akku die Seitendisplays und damit das veränderte Bedienkonzept mitkaufen wollen.

Spannend war im Test natürlich auch zu beobachten, welche Entwicklung das Kameramodul bei den S6-Modellen genommen hat. Unsere ausführlichen Ergebnisse haben wir in diesem separaten Test mit vielen Beispielfotos erläutert: Samsung Galaxy S6 & S6 Edge im Kamera-Test.

Fazit: Tolle Ansätze, die in der Praxis-Umsetzung hapern

Die Einzelnoten im Handy-Test:
  • Technische Ausstattung: 1,2
  • Bedienung, Handling, Software: 1,8
  • Hardware, Verarbeitung, Material: 1
  • Basis-Feature des Handys: 1,2
  • Einschätzung des Redakteurs: 1,2
  • Gesamtnote: 1,3
Keine Frage: Die Idee, auf einem Seiten­display jederzeit Informationen zu bekommen, ist gut. Auch die Umsetzungs­ansätze sind gut. Aber eben auch nur die Ansätze. Denn Samsung wäre gut beraten, hier noch nachzubessern, um die viel gepriesene "Experience" der Kunden zu optimieren. Dazu gehören die angesprochene Punkte der selektiven beidseitigen Nutzung oder des sich nicht so schnellen aktivierenden Haupt­bildschirms beim Infoseiten-Scrollen.

Auch zusätzliche Möglichkeiten auf der Seitenleiste (wie dem eigenen Twitter- oder Facebook-Konto) sowie die Möglichkeit der dauerhaften Aktivierung, wenn der Kunde dieses zu Lasten des Akkus wünscht, fehlen. Immerhin: Die meisten Punkte dürften sich per Software-Update umsetzen lassen - sofern Samsung das möchte. Ansonsten ist das Galaxy S6 Edge ein Smartphone, das mit einer tollen Ausstattung und einer rasanten Leistung aufwarten kann, und gegenüber dem Galaxy S6 hielt in unserem Test der Akku eine Stunde länger durch.

Lesen Sie auch unseren Testbericht zum Samsung Galaxy S6.

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