Rückblick: 20 Jahre o2
Ziemlich genau vor 20 Jahren wurde die Marke "o2" gestartet und löste die bis dahin gültige Marke "VIAG Interkom" ab. teltarif.de-Redakteur Henning Gajek ist seit Anfang an dabei und blickt zurück.
Um diese Geschichte von o2 besser zu verstehen, muss man vier weitere Jahre zurückblicken.
Probebetrieb auf der CeBIT 1998
Der o2-Tower in München im 20-Jahre-Design
Foto: Telefónica Deutschland
Auf der CeBIT-Messe 1998 (in Hannover) konnte ich erstmalig im Messe-Testnetz von VIAG Interkom telefonieren. Meine Testrufnummer startete mit der Vorwahl 0176-0 gefolgt von sechs Ziffern (also sieben nach der 0176) und das Netz funktionierte nur auf dem Messegelände.
Am 1. Oktober 1998 startete dann offiziell das damals vierte Mobilfunknetz in Deutschland und erhielt die Netzkennung 262-07. Die Handys zeigten D-IK, Interkom oder VIAG (Interkom) an. Anfangs wurde dafür die Mobilfunktechnologie GSM 1800 (DCS1800) mit den Vorwahlen 0176 und 0179 verwendet. Am 8. Oktober 1998 wurde meine Rufnummer im VIAG/heute o2-Netz freigeschaltet, ich habe den Vertrag ohne Unterbrechung bis heute.
Mein Vertragsstart
Im Oktober erhielt ich ein Startpaket mit dem Motorola CD930 (Dualband) und die notwendigen Anmeldeunterlagen, am 8. Oktober 1998 wurde mein Karte in der Cityzone Mannheim (0621) freigeschaltet. Daraus ergab sich die Rufnummer 0179-6919xxx, die ich bis heute in Betrieb habe.
VIAG-Mitarbeiter und Test-Teilnehmer telefonierten zunächst mit der Vorwahl 0176, gefolgt von der Ziffer 0 - wie die Testkarte in Hannover. Diese Sonder-Karten wurden nach dem erfolgreichen Netzstart dann sukzessive abgeschaltet. Endkunden erhielten von Anfang an die Vorwahl 0179. 0176 kam erst später.
Keine Wunschrufnummern
Was E-Plus eingeführt hatte, wollte VIAG auch bringen: "Wunschrufnummern". Doch dem standen damals aber systemtechnische Gründe entgegen. Die seinerzeit einzige "Wunschrufnummer", die 0179-GERHARD, wurde an Gerhard Mayerhofer, damals bei VIAG für das Kundenmanagement zuständig, ausgegeben.
Turbulente Startphase im V.I.A.G.
Der Start eines neuen Mobilfunknetzes sei es E-Plus oder damals VIAG Interkom verlief nicht immer so ganz reibungslos. Ich habe die Abkürzung "VIAG" damals in "Very Interesting Adventure Game" umgedeutet. Wer sich in der Spielewelt auskennt, weiß, dass es dort verschiedene Level gibt. Die höheren Level sind erst erreichbar, wenn man ein niedrigeres Level erfolgreich absolviert hat. Im Mobilfunk ist es genauso.
Damals wurde ein User-Forum in egroups (später Yahoogroups) gegründet, wo es gelang, komplizierte "Level" zu entschärfen und oft unlösbar erscheinende Probleme im Kundensinne zu lösen. Die Yahoogroups sind inzwischen Geschichte.
Rudi Gröger startete die Marke o2
Ein paar ausgewählte Highlights von 20 Jahren o2-Markengeschichte
Grafik: Telefónica Deutschland
VIAG Interkom landete beim eon-Konzern, der eines Tages beschloss, aus dem Mobilfunk auszusteigen. Mit dem Ausstieg der VIAG aus dem Mobilfunk wurde "VIAG Interkom" an die britischen Mobilfunkmarke "o2 PLC" (damals Tochter der British Telecom) übergeben und der legendäre VIAG-Interkom-Chef Rudolf "Rudi" Gröger hatte die Aufgabe, diese Marke auch in Deutschland einzuführen. Gröger brachte das Unmögliche fertig: Binnen kürzester Zeit sprach alle Welt nur noch von o2.
Marke verteidigen
Wenn eine neue Marke eingeführt und im Markt etabliert werden soll, müssen andere Anbieter mit gleichen oder ähnlichen Markennamen "kontaktiert" werden. Beispielsweise wurde mit Vodafone ("D2) vereinbart, dass in Deutschland "o2" entweder mit kleinem "o" und der Zahl "2" oder mit großem "O" und der tiefgestellten Zahl "2" (subscript) geschrieben wird. Mit dem Sprudelhersteller Adelholzener, der ein "Active o2"-Wasser herstellt, fand sich ebenfalls eine Lösung.
o2 warb mit dem Slogan "o2 can do" und ließ blaue Blubberblasen aufsteigen. Auf Messen gab es dazu Lounge-Musik. Der Claim "o2 can do" reizte manchen Kunden zu bösem Spott ("can't do").
o2-Chef Gröger gewann zahlreiche Testimonials für die neue Marke, beispielsweise die Schauspielerin Veronica Ferres, den "Pop-Titanen" Dieter Bohlen (heute bei der Freenet AG) oder die Opern-Diva Anna Netrebko.
Mit Veronika Ferres gab es eine Pressekonferenz, an der außer teltarif.de überwiegend Frauen- und Lifestyle-Zeitschriften teilnahmen. Dabei hatte Ferres, wie sie uns am Rande verriet, sich extra auf Fragen nach den Tarifen vorbereitet. Damals gab es "nur" einen 250 Minuten Volumen-Tarif. Ferres teilte den Journalisten freimütig mit, dass sie "den Rudi" (Gröger) schon gebeten hätte, einen größeren Tarif für sie aufzulegen, weil ihr die Minuten nicht ausreichten.
Einzigartig: Das Genion Häuschen
Die "Genion" Homezone stammt noch aus der VIAG-Zeit, sie erschien bereits im Jahre 2000. Wenn sich der Kunde im Funkbereich rund um sein Haus aufhielt, zeigten speziell dafür geeignete Handys ein Häuschen im Display. Abgehende Telefonate waren dann deutlich günstiger.
Realisiert wurde dieses kreative Produkt mit Hilfe von SMS-CB (SMS CellBroadcast). Auf dem SMS-CB-Kanal 221 wurden Gauss-Krüger-Koordinaten der "Homezone" übertragen. Solange sich das Handy in einem Radius um diese Koordinate befand, galt die Homezone.
Das war kreativ, sorgte aber hier und da für Probleme, wenn das Handy auf einmal einen Sender außerhalb der Homezone erwischte und die Abrechnung anders verlief, als gedacht war.
Eine Festnetznummer, die auf dem Handy endete? Das wurde von der Konkurrenz erst wesentlich später und eigentlich nur halbherzig umgesetzt und ist oft wieder in Vergessenheit geraten. Ein Handy, das abgehend eine Festnetznummer signalisiert? Das wurde bei VIAG/o2 selbst nie realisiert, das gibt es bis heute nur bei Sipgate und für Business-Rahmenvertragskunden bei Telekom oder Vodafone.
Bundesweite Homezone
2002 führte o2 die kostenlose ("bundesweite") o2-Homezone inklusive Festnetznummer für das Handy ein und erlaubte damit die "Freiheit vom Haustelefon". Jetzt wurde die Festnetznummer bundesweit aufs Handy durchgeschaltet, dafür fielen die Homezone und die günstigeren "Ortstarife" ersatzlos weg.
Alle Kunden mussten nur eine Erklärung unterschreiben, dass sie in dem Vorwahlbereich, woher sie ihre "Homezonerufnummer" erhielten, auch einen Wohnsitz oder andere feste Bindungen hätten, das war ein "Wunsch" der Bundesnetzagentur.
0176 startet 2003
Am 1. März 2003 startete schließlich der kommerzielle Einsatz der Vorwahl 0176 – seitdem werden achtstellige Rufnummern vergeben. Wunschrufnummern gibt es weiterhin nicht, die Lösung war, "schöne" Nummern bei Erstellung im System "abzufangen" und für VIP-Kunden zu reservieren.
2007 stellte o2 einen "o2 Genion" ohne monatliche Grundgebühren vor (nur die verbrauchten Minuten und MB sind zu bezahlen). Zugleich ging erstmalig "o2 DSL" an den Start, damals noch mit "eigenen" Festnetz-Leitungen.
2009 wurden "o2o" und "o2on" vorgestellt, Tarife ohne Vertragslaufzeit, was vielen Kunden entgegenkam.
My Handy - unabhängig vom Tarif
Schließlich entkoppelte o2 mit "o2 My Handy" als erster Anbieter im Land den Kauf eines Handys vom gebuchten oder zu buchenden Mobilfunktarif. Das hat den wichtigen Vorteil, dass nach Ablauf der Ratenplanlaufzeit für das Handy automatisch nur noch der monatliche Tarifgrundpreis und die verbrauchten Leistungen zu bezahlen sind, aber sonst nichts mehr. Bei vielen anderen Anbietern muss man rechtzeitig seinen Vertrag kündigen oder mit neuem Handy verlängern, um nicht die höheren Preise bis zum Sankt Nimmerleinstag zahlen zu müssen.
2012 verbrauchten die Mobilfunkkunden in Deutschland laut dem VATM-Verband durchschnittlich 30 Prozent mehr mobile Daten als im Vorjahr. Mit dem "o2 Blue" erschien der erste datenzentrierte Tarif.
Ende 2012 wurden die ersten Rufnummern mit der Vorwahl 01590 aktiviert, seit 2014 wird sie aktiv vermarktet. Eigentlich war die 0159 für VIAG/o2 reserviert worden, das wären aber (theoretisch) 100 Millionen mögliche Rufnummern, plus den Nummernraum unter 0176 (nochmal 100 Millionen) und 0179 (10 Millionen). In Deutschland sind aktuell bei allen drei Netz-Anbietern ca. 150 Millionen SIM-Karten aktiv.
Zwei Netze sind besser als eins?
2014 wurde die Fusion mit dem langjährigen Wettbewerber E-Plus vollzogen. Es startete ein etwa fünfjähriger spannender Netzumbau, den es so in Deutschland und Europa noch nie gegeben hatte. Was Experten vorher gesehen hatten, trat ein: Mit dem Umschalten und dem Abbau von Stationen kam es zu Netzausfällen, neuen Funklöchern und einige Kunden mussten viel Geduld aufbringen.
Im o2-Tarif-System mussten unendlich verschiedene Tarife aus der E-Plus-Zeit "nachgebaut" werden, was mit Basistarifen und komplexen Rabatten realisiert wurde. Die von einigen Experten vermutete "Fluchtbewegung" bei den E-Plus- oder o2-Kunden hin zu einem anderen Netz blieb aber weitgehend aus.
Die Weitersurf-Garantie
2016stellte o2 das "endlose Surfen" mit "o2 Free" vor. Nach dem Verbrauch des gebuchten Datenvolumens wurde die Geschwindigkeit auf 1 MBit/s reduziert, womit sich die wichtigsten Anwendungen aber noch weiter nutzen lassen. Aus Kundensicht ein "idealer" Tarif.
Seit 2018 kann mit "o2 Free Unlimited" erstmals ohne Volumenbegrenzung mobil gesurft werden, dafür stehen verschiedene Geschwindigkeitsstufen zur Verfügung. Ein Modell, das es beispielsweise in der Schweiz schon länger gibt. Durch das "Zero Rating"-Verbot der Bundesnetzagentur könnte das Geschwindigkeitsmodell möglicherweise bald mehr Nachahmer in den etablierten Netzen finden.
Mit "o2 My All in One" startet der erste konvergente Tarif für unlimitierten Mobilfunk und Festnetz, der seit 2021 als „o2 One Unlimited“ zur Verfügung steht.
2019 ging mit “o2 TV powered by waipu.tv“ ein TV-Angebot für o2-Kunden an den Start. Experten kritisierten damals, dass mit TV-Streaming das Mobilfunknetz lokal überlastet werden könnte. waipu.tv kann aber auch im Festnetz genutzt werden.
2020 wurde die bereits erwähnte Weitersurfgarantie zur Enttäuschung mancher Nutzer gegen "extra große Datenpakete" als neuen Standard getauscht.
o2 goes 5G
Symbolträchtig, am Tag der Deutschen Einheit 2020 startete o2 sein 5G-Netz in München. Ende 2020 stellte o2 mit "o2 my Home" einen Tarif "für alle Technologien" vor. Durch verschiedene Kooperationen kann o2 je nach Standort Zugang zu DSL, Kabel und Glasfaser sowie WLAN über das eigene Mobilfunknetz anbieten.
o2 "gewinnt" Netztest
Die Marke o2 feiert Geburtstag
Grafik: Telefónica Deutschland
Große Freude schließlich Ende 2020: Das Fachmagazin „connect“ bewertet das o2-Netz erstmalig mit „Sehr gut“ und wiederholte das Urteil ein Jahr später erneut. o2 bietet skeptischen Kunden eine kostenlose Test-SIM-Karte an, um sich persönlich von der Netzqualität in der für den Kunden wichtigen Region zu überzeugen.
Die Datenmengen sind gigantisch: Mehr als 2,2 Milliarden Gigabyte Daten insgesamt, also rund 5,5 Millionen Gigabyte pro Tag, alleine 2021. Diesen Wert hatten 2007 noch nicht einmal alle deutschen Mobilfunknetze zusammen erreicht, da waren es nur 3,7 Millionen Gigabyte gewesen.
Der Treiber der Entwicklung sind günstige Datenpakete im o2-Netz. Das "Problem", die Kunden erwarten überall Netz und nutzen jede sich bietende Gelegenheit, es zu nutzen.
Kein Zero Rating bei o2
Aktuell hat die Bundesnetzagentur den Wettbewerbern Telekom und Vodafone den Verkauf von Tarifen mit "Zero Rating" untersagt. Bestandskunden der Wettbewerber müssen bis 2023 aus diesen Tarifen in andere Preismodelle überführt werden.
Fachleute spekulieren, ob sich Telekom und Vodafone zu größeren oder gar zu bezahlbaren Unlimited-Datenpaketen durchringen können. Tun sie das nicht oder nicht im erwarteten Umfang, könnte das auch eine Chance für o2 sein, neue Kunden (zurück) zu gewinnen. o2 hat das Zero-Rating-Prinzip nie angewendet.
Alternative Dual-SIM-Handy
Viele Handys haben heute eine Dual-SIM-Funktion. Immer mehr o2-Kunden nutzen die Gelegenheit, um eine weitere Karte etwa von Telekom oder Vodafone einzulegen. Es kann passieren, dass die Zweit-Karte niemals gebraucht wird. Es kann aber auch passieren, dass man im Ernstfall froh ist, ein weiteres Netz zu haben.
Auch das hochgelobte Netz der Telekom funktioniert nicht überall so, wie es sein sollte. Da kann man froh wein, wenn man auf o2 (oder Vodafone) ausweichen kann.
o2 hat auch Vorteile
o2 hat Netzfunktionen, mit denen sich die Konkurrenz bis heute schwer tut, beispielsweise die nachträgliche Rufnummernportierung. Bei o2 ist das seit Anfang Standard. Wenn ein Kunde zu o2 wechselt und seine bekannte Rufnummer mitbringen möchte, wendet o2 ein zweistufiges Verfahren an. Erst wird der neue o2-Anschluß mit einer neuen o2-Rufnummer aktiviert und wenn dann alles rund läuft, wird zu einem späteren Termin die zu portierende Rufnummer aufgeschaltet und die "neue" Nummer verschwindet wieder.
Nachträgliche Portierung ist auch zu Vodafone möglich, aber dort nur wenigen Insidern bekannt. Bei der Telekom kann eine nachträgliche Portierung nur durch einen "Nummerntausch" realisiert werden. Das ist offiziell aber nicht möglich und findet nur in ganz seltenen, gut begründeten "Ausnahmefällen" statt. Der Grund: Bei dem Tausch wird ja die gewünschte Nummer kurzzeitig deaktiviert und könnte dabei im System "verloren" gehen, wie Insider berichten.
In einer weiteren Meldung geht es um den Tarif o2 Grow mit jährlich wachsendem Datenvolumen.