Nachfrage nach Digitalradio im Auto steigt massiv an
Mit einem Adapter lässt sich das Auto nachrüsten
Bild: Pearl
Die Meinungen, ob der digital-terrestrische Hörfunk in Deutschland ein Erfolgsmodell ist oder nicht, gehen auseinander. Auch eine aktuelle Untersuchung dürfte wieder eine kontroverse Diskussion auslösen. Fast drei Jahre nach dem Start von Digitalradio ist mit dem DAB+ Autoreport Deutschland, herausgegeben vom Meinungsbarometer Digitaler Rundfunk, die laut eigenen Angaben erste umfassende Branchenumfrage zu DAB+ Strategien aller relevanten PKW-Automarken auf dem deutschen Markt erschienen.
Skoda und Fiat: Mehr als 50 Prozent aller Neuwagen mit DAB+
Mit einem Adapter lässt sich das Auto nachrüsten
Bild: Pearl
Die Ergebnisse überraschen: Der Umfrage zufolge steigt die Nachfrage nach dem neuen Hörfunkstandard in Neufahrzeugen immens. So habe beispielsweise Skoda allein in den letzten sechs Monaten 51 Prozent seiner Neuwagen mit DAB+ ausgeliefert. Seit dem Neustart von DAB+ im August 2011 waren es insgesamt 20 Prozent, was den Anstieg vor allem im vergangenen halben Jahr deutlich unterstreicht. Auch Fiat liege laut der Untersuchung mit über 50 Prozent ganz oben. Der Trend sei auch bei anderen Marken zu beobachten, heißt es.
Überraschend sind diese Zahlen vor allem, weil noch vor wenigen Wochen der Verband der Automobilindustrie (VDA) eine ganz andere Hausnummer nannte. Demnach würden nur 10 Prozent der Neuwagen mit dem digitalen Radio verkauft. Der VDA nannte allerdings nicht den Zeitrahmen für seine Untersuchung.
Egal welche Zahlen nun stimmen, sie verdeutlichen eines: Es ist eine rege Nachfrage nach der digitalen Radiotechnologie vorhanden, ganz anders als beim gescheiterten alten DAB-Standard. Allerdings verdeutlichten die Ergebnisse der Umfrage auch, wo noch ein großer Handlungsbedarf bei den für den Digitalisierungsprozess verantwortlichen Akteuren besteht. So mache ein Großteil der Hersteller einen Einstieg oder ein stärkeres Engagement bei DAB+, etwa einen serienmäßigen Einbau in alle Fahrzeuge, von einer besseren Netzabdeckung, von einem größeren Programmangebot und vor allem von einem konkreten UKW-Abschalttermin abhängig. Große Privatradio-Marktführer mit guter UKW-Abdeckung in Deutschland wehren sich jedoch dagegen; allerdings aus eher egoistischen Gründen: Das Digitalradio bringt nämlich auch mehrere Konkurrenten auf Augenhöhe mit sich.
Hinzu komme, dass einige Autohersteller sich noch unzureichend über DAB+ informiert fühlen und auch den Wissensstand bei ihren Händlern als schlecht einschätzen, heißt es in der Untersuchung.
Auch der Nachrüstmarkt steigt an
Ein gutes Geschäft sei DAB+ auch für die Nachrüster und Spezialwerkstätten, bestätigt Dirk Krüger, der bei ACR, Europas größtem Car Media Spezialist mit über 300 Fachhändlern in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Beneluxländern arbeitet. Der Geschäftsführer werde nach eigenen Aussagen immer häufiger auf DAB+ angesprochen. "Mittlerweile", so Krüger, "ist für viele Kunden das neue Digitalradio ein echtes Kaufargument, wenn es um die Wahl von neuen Radios oder Infotainmentsystemen geht". Der Fachhändler führe das darauf zurück, dass das Thema Digitalradio "endlich auch bei der Industrie angekommen ist und viele neue Geräte bereits mit DAB+ angeboten werden". Zudem profitiere man auch "von den vielzähligen Werbe- und Marketingaktionen für Digitalradio".
Europäische Richtlinie für DAB+ im Telematik-Bereich
Wichtig könnte das neue Digitalradio auch auf einem anderen Gebiet sein: In einem nationalen Aktionsplan bringen derzeit Politik, Programmverantwortliche, Netzdienstleister, Automobilindustrie und Endgerätehersteller eine richtungsweisende Grundlage auf den Weg, die für mehr Sicherheit auf den deutschen und europäischen Autobahnen sorgen soll. Bis zum 20. August wolle das federführende Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) seinen Maßnahmenkatalog nach Brüssel melden, mit dem die europäische Richtlinie für mehr Verkehrssicherheit auf deutscher Ebene umgesetzt wird, heißt es im "Meinungsbarometer". Technologische Grundlage für den nationalen Maßnahmenkatalog ist die DAB+ Technologie. Das deutsche Modell könnte künftig als Vorbild für die anderen europäischen Staaten dienen.
Wie Thomas Kusche, Leiter der entsprechenden Arbeitsgruppe beim BMVI und beim WDR für die Verkehrstelematik zuständig, dem Meinungsbarometer sagte, sei ein wesentlicher Bestandteil des Maßnahmenkatalogs, Stauenden besser und schneller zu lokalisieren, um schwere und oft tödliche Auffahrunfälle am Stauende zu verhindern. Das könne nach Aussagen Kusches mit Hilfe von Digitalradio-Diensten besser bewerkstelligt werden als über mobilfunkbasiertes Internet.
Neues Hörfunkprogramm und neue Sendungen via DAB+
Trotz dieser Erfolgsnachrichten steigt das Programmangebot über DAB+ nur langsam an. Jüngster Neuzugang ist das Babelsberg Hitradio aus Potsdam, das im gesamten Großraum Berlin ab sofort über DAB+ hörbar ist. Außerdem plant das Deutschlandradio weitere exklusive Inhalte auf seinem Kanal "Dok&Deb" (Dokumente und Debatten), der im bundesweiten Digitalradio sowie über Satellit und Internet zu hören ist. Hierbei geht es etwa um zusätzliche Ausstrahlungszeiten für das Kinderprogramm "Kakadu" oder einen neuen Sendeplatz für den Nachttalk "2254", der nun nicht mehr im Programm Deutschlandradio Kultur läuft.
Derzeit werde geprüft, ob der Auftrag für den Digitalkanal ausreichen könnte, solche Programme dort auszustrahlen, heißt es unter anderem beim in Berlin erscheinenden "Tagesspiegel". Bislang überträgt Deutschlandradio auf dem Kanal vorwiegend Bundestagssitzungen und Events sowie abends Talkshows aus dem ARD-Fernsehprogramm. In der übrigen Zeit läuft in Doppelausstrahlung das Programm des Deutschlandfunks.