Für Unternehmen

o2 möchte RCS als Kontaktkanal anbieten

Einen Nach­rich­ten­kanal für Texte, Töne, Bilder und Videos: Die MMS konnte sich nie durch­setzen. Der Nach­folger RCS geis­tert als Untoter durch die mobile Welt. Jetzt nimmt o2 einen neuen Anlauf. Vermut­lich noch zu früh.
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Der Netz­betreiber Telefónica Deutsch­land (o2) will ab sofort „Rich Busi­ness Messa­ging“ (RBM) einführen. Damit soll "Unter­nehmen aller Größen und aller Bran­chen ein zeit­gemäßer Kommu­nika­tions­kanal zu ihren Kunden" geboten werden.

RCS: Und ewig grüßt das Murmel­tier

Hinter diesem Dienst steht der seit Jahren von der Welt­orga­nisa­tion GSMA geför­derte Nach­richten-Stan­dard „Rich Commu­nica­tion Services“ (RCS), der vor Jahren auch unter dem Begriff Joyn gestartet war. RCS soll die nahezu verges­sene MMS und die immer noch beliebte SMS ablösen und die Antwort der Netz­betreiber auf die popu­lären OTT (Over The Top) Messenger wie WhatsApp, Signal, Tele­gram, Face­book Messenger etc. sein.

RCS jetzt (wieder) in allen drei deut­schen Netzen

Nach Auskunft von o2 steht RCS (mitunter auch als RCS-e bezeichnet) jetzt (wieder) in allen deut­schen Netzen zur Verfü­gung. Wer ein aktu­elles Android-Mobil­telefon nutzt, kann RCS meis­tens schon nutzen (teil­weise ohne es zu wissen). Die Nach­richten- oder Messa­ging-App unter­stützt diesen Stan­dard, da Google und Samsung ihn in ihren Soft­ware­paketen inte­griert haben.

Da RCS auf den Systemen der Netz­betreiber läuft, gilt der Stan­dard vom Prinzip her als "stabiler" als verschie­dene OTT (Over The Top) Messenger wie WhatsApp, Face­book, Telekom, Signal oder Threema, die separat instal­liert werden müssen und die von Firmen oder Stif­tungen betrieben werden und mitunter ganz eigene Inter­essen verfolgen.

RCS als "aktu­eller Messa­ging Stan­dard?"

o2 setzt auf den Messaging-Standard RCS mit RBM für Firmen und Organisationen. Doch sind alle Kunden auch erreichbar? o2 setzt auf den Messaging-Standard RCS mit RBM für Firmen und Organisationen. Doch sind alle Kunden auch erreichbar?
Grafik: Telefónica Deutschland
Telefónica findet, dass RCS der "aktu­ellste Messa­ging-Service-Stan­dard" in den Mobil­funk­netzen sei. Mit der Busi­ness-Vari­ante RBM solle "Echt­zeit-Kommu­nika­tion mit Multi­media-Unter­stüt­zung" und vielen weiteren Vorteilen auf einer zentralen Platt­form möglich sein, also inter­aktive Kunden­kom­muni­kation, die Shop­ping-, Booking- oder Check-In-Apps ersetzen könnte.

o2-Kunden mit einem aktu­ellen Android-Smart­phone brau­chen sonst nichts weiter zu tun. Es ist kein vorhe­riger App-Down­load erfor­der­lich, da RBM die bereits vorhan­dene RCS-fähige Nach­richten-App des Kunden nutzt. o2 betont, dass RBM "jetzt grund­sätz­lich für Kunden von Telefónica Deutsch­land verfügbar ist" und sich bereits auf den meisten ihrer Android-Geräte nutzen lasse. Bis Ende April 2021 sollen es weit­gehend alle (neuen) Android-Endge­räte sein. Laut der Studie „The Long-Term RCS Oppor­tunity“ des briti­schen Markt­for­schungs­insti­tuts Mobi­les­quared nutzen Kunden bis zu vier unter­schied­liche Kanäle für ihre Kommu­nika­tion mit Unter­nehmen. Eine Platt­form, die alle Vorteile von Apps, Messen­gern, E-Mail und SMS vereint, wäre daher perfekt geeignet, diesen Austausch zentral zu bündeln.

o2 macht Unter­nehmen ein Angebot

Unter­nehmen hätten die Möglich­keit, bei RBM ihr eigenes Logo und die Farb­gebung zu inte­grieren und damit den Wieder­erken­nungs­wert ihres Unter­neh­mens zu stei­gern. Wer am RBM-Angebot von o2 inter­essiert sei, könne sich direkt an o2 oder einen soge­nannten Aggre­gator wenden.

Und Apple-Nutzer?

Bei aller RCS-Euphorie gibt es jedoch noch ein größeres Problem. Nutzer von Smart­phones oder Tablets des Herstel­lers Apple, die bekannt­lich unter dem Betriebs-System iOS (bzw. iPadOS) laufen, bleiben zunächst weit­gehend "außen vor", denn Apple selbst bietet noch keinen Client für RCS-e an. Zwar gab es schon 2019 Speku­lationen, ob Apple auf den RCS-Zug aufspringen wollte, seitdem ist nichts mehr passiert.

RCS-Client für iOS von der Telekom

Kunden der Deut­schen Telekom mit einem iOS-Smart­phone können sich die App "Message+" im Apple Apps­tore kostenlos herun­ter­laden, und haben dann eine weitere Nach­richten-App, worüber RCS-Nach­richten verschickt werden können und auch ankommen sollten. Die Telekom-App unter­sucht auf Wunsch auch, welche Kontakte des eigenen Tele­fon­buchs schon den RCS-Stan­dard unter­stützen. Die Telekom-App lässt sich jedoch nicht mit SIM-Karten von o2 oder Voda­fone oder Karten auslän­discher Netze verwenden.

RCS ist noch unzu­ver­lässig

Wenn ein Nutzer sich für RCS ange­meldet hat und nun (zwischen­durch oder dauer­haft) ein Gerät ohne RCS-Funk­tion nutzt, merkt das RCS-System das offenbar nicht. Verschickte Nach­richten an solche Nutzer gingen in Tests der Redak­tion verloren.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Den Erfolg der OTT-Messenger hatten die Mobil­funk­netz­betreiber lange verschlafen. Sie wollten lieber pro SMS-Nach­richt abrechnen, inzwi­schen prägen dort Flat­rates das Bild. Die MMS wurde vom Start weg durch völlig über­zogene Preise getötet und konnte nie wieder­belebt werden. In anderen Ländern (z.B. der Schweiz) werden SMS und MMS text­lich gleich bepreist (nur Anhänge kosten mehr) oder sind längst in Flat­rates enthalten. Doch die MMS ist schon rein deswegen über­holt, weil viele Bilder und Clips weit mehr als die maximal mögli­chen 300 kB einer MMS benö­tigen würden.

Der vor Jahren schon entwi­ckelte "Stan­dard" RCS kam lange nicht vom Fleck, weil sich dazu Netz­betreiber und Gerä­teher­steller nicht richtig einigen konnten.

Spät hat Google das Poten­zial erkannt, aber Apple setzt noch auf haus­eigenen Stan­dards wie Face­time, was im Prinzip das gleiche kann, aber nur inner­halb der Apple-Welt.

RCS soll bei 5G der Stan­dard-Messa­ging-Dienst sein. Nur bis wir reine 5G-Handys sehen, die weder 2G (3G) noch 4G und wirk­lich nur noch RCS (also keine SMS/MMS) können, wird es wohl noch länger dauern.

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