Bundeskanzlerin Merkel lehnt Netzneutralität ab
Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der digitising europe
Bild: teltarif.de
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich für eine
bevorzugte Behandlung bestimmter Angebote im Internet ausgesprochen.
Einige neue Dienste bräuchten eine gesicherte Übertragungsqualität,
sagte Merkel heute auf einer Veranstaltung des Vodafone
Instituts für Gesellschaft und Kommunikation in Berlin.
"Innovationsfreundliches Internet heißt, dass es eine bestimmte
Sicherheit für Spezialdienste gibt", sagte sie. "Die können sich nur
entwickeln, wenn auch berechenbare Qualitätsstandards zur Verfügung
stehen." Diese "Spezialdienste" sollten bevorzugt durchs Netz
geleitet werden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der digitising europe
Bild: teltarif.de
Das würde eine Aufweichung des Prinzips der Netzneutralität bedeuten.
Danach werden alle Daten gleichrangig behandelt und keine Inhalte
bevorzugt durchgeleitet. Telekom-Unternehmen fordern immer wieder
eine Abkehr von diesem Prinzip.
"Wir brauchen sozusagen Verkehrsregeln, weil Produkte unterschiedliche Anforderungen haben", sagte Vodafone-Deutschlandchef Jens Schulte-Bockum der dpa. Echtzeit-Angebote bräuchten eine gesicherte Übertragungs-Qualität. Schulte-Bockum betonte aber, dass die Internet-Verbindungen für alle Nutzer ausgebaut werden sollen. Die "Qualitätsklassen" kämen dann auf die angebotene Leistung oben drauf.
Für die besonders zuverlässige Übertragung bestimmter Dienste sollten Endnutzer bezahlen. "Qualitätsgarantien werden vor allem für Endnutzer interessant sein. Sie sollen entscheiden können, welche Qualität sie über ihre reguläre Leistung hinaus haben wollen."
Aktivisten und Fachleute lehnen Spezialdienste ab
Aktivisten und Fachleute wittern hinter der Diskussion um Spezialdienste Geschäftsinteressen der Anbieter, um den milliardenteuren Ausbau schneller Breitband-Internetverbindungen zu finanzieren. Aus der Internet-Branche heißt es, in den Hauptadern des Netzes gebe es kein Kapazitätsproblem. Zum Stau komme es lediglich auf dem letzten Wegabschnitt zu den Nutzern. Gerade dort ist der Ausbau besonders teuer. Sie gehen davon aus, dass sich das Internet stark verändert, wenn eine zusätzliche bezahlte Überholspur angeboten wird.
Merkel schlug eine Art Spagat vor: Man brauche "das freie Internet und das für Spezialdienste". "Diese beiden Seiten muss man zusammenbringen und ich glaube, dass uns das in den Verhandlungen in Brüssel in kurzer Zeit gelingen kann." In der Europäischen Union in Brüssel wird seit einiger Zeit um die Netzneutralität gestritten. Das EU-Parlament fordert eine Gleichbehandlung aller Daten im Netz, die Mitgliedsstaaten ringen noch um eine gemeinsame Position.
Den Spagat der Bundesregierung um die Netzneutralität haben wir in einer ausführlicheren Darstellung der Rede von Bundeskanzlerin Merkel weiter ausgeführt. Was Ulf Ewaldsson, Technik-Vorstand bei Ericsson, auf derselben Veranstaltung zu 5G und der Zukunft der mobilen Datenübertragung gesagt hat, erfahren Sie in einer gesonderten Meldung.