Zu neugierig

BSI prüft Sicherheitslücken in Smartphones aus China

Seit Litauen vor chine­sischen 5G-Smart­phones gewarnt hat, nehmen Sicher­heits­unter­nehmen und das BSI die verdäch­tigen Geräte unter die Lupe.
Von mit Material von dpa

Arne Schönböhm, Chef des BSI, interessiert sich für die Sicherheit von Handys "Made in China" Arne Schönböhm, Chef des BSI, interessiert sich für die Sicherheit von Handys "Made in China"
Foto: Picture Alliance / dpa
Nachdem die Cyber­abwehr in Litauen vor chine­sischen 5G-Smart­phones gewarnt hat, nehmen auch private Sicher­heits­experten die verdäch­tigen Geräte unter die Lupe. Auch das Bundesamt für Sicher­heit in der Infor­mati­ons­technik geht dem Report nach.

BSI unter­sucht

Nach der Warnung der litaui­schen Cyber­abwehr vor Sicher­heits­lücken und einge­bauten Zensur­funk­tionen in chine­sischen Mobil­tele­fonen hat das Bundesamt für Sicher­heit in der Infor­mati­ons­technik (BSI) eigene Unter­suchungen einge­leitet. Das bestä­tigte ein BSI-Spre­cher der Deut­schen Presse-Agentur. Das staat­liche Zentrum für Cyber­sicher­heit in Vilnius hatte vor allem ein Gerät des chine­sischen Herstel­lers Xiaomi kritisch beur­teilt, weil es tech­nisch in der Lage sei, die bestimmte Inhalte auf dem einge­bauten Webbrowser zu zensieren. Der Zensur­filter sei zwar nicht aktiv gewesen, habe aber aus der Ferne einge­schaltet werden können.

Bericht nennt drei Modelle

Arne Schönböhm, Chef des BSI, interessiert sich für die Sicherheit von Handys "Made in China" Arne Schönböhm, Chef des BSI, interessiert sich für die Sicherheit von Handys "Made in China"
Foto: Picture Alliance / dpa
Das BSI hatte den Report der litaui­schen Cyber­abwehr am Mitt­woch erhalten, in dem drei konkrete Smart­phone-Modelle analy­siert wurden. Dabei handelte es sich um das Huawei P40 5G, das Xiaomi Mi 10T 5G sowie um das OnePlus 8T 5G. Die schwersten Vorwürfe rich­tete das Cyber­sicher­heits-Zentrum NKSC (Nacio­nalinio Kiber­netinio Saugumo Centro) gegen Xiaomi.

Durch die Analyse der Smart­phone-Akti­vitäten von Huawei fanden die Forscher heraus, dass die offi­zielle App Gallery des Herstel­lers, wenn sie eine vom Anwender gewünschte App in der Huawei App Gallery nicht gefunden hat, diese Anfrage auto­matisch an E-Shops von unab­hän­gigen Dritt­anbie­tern im Netz weiter­leitet. Dort wurden einige der so gefun­denen Exem­plare der gesuchten App von einem extra auf das Handy aufge­spielten und vorher geprüften Anti­viren­pro­gramme als "bösartig" oder "mit Viren infi­ziert" einge­stuft.

Dies konnten wir mit einem Huawei-Test­gerät in der Redak­tion vor einiger Zeit nach­voll­ziehen. Die App-Gallery sucht bei Miss­erfolg im offenen Netz nach der Wunsch App und diese App könnte schlimms­ten­falls "verdorben" sein.

Bei dem OnePlus-Gerät fand das NKSC keine Mängel.

Ein Spre­cher von Xiaomi erklärte, die Geräte seines Unter­neh­mens zensierten keine Kommu­nika­tion mit oder von ihren Nutzern. "Xiaomi hat und wird niemals persön­liche Akti­vitäten seiner Smart­phone-Nutzer einschränken oder unter­binden, wie beispiels­weise das Suchen, Anrufen, Surfen im Internet oder die Verwen­dung von Dritt­anbieter-Kommu­nika­tions­soft­ware."

Deut­sche Behörden kaufen keine chine­sischen Dienst-Geräte

Der BSI-Spre­cher infor­mierte, auf der Liste der Smart­phone-Marken, die von den Bundes­behörden offi­ziell bestellt werden können, stünden weder Xiaomi noch ein anderer Hersteller aus China. Das BSI könne aber nicht ausschließen, dass durch eine dienst­liche Nutzung von privat ange­schafften Geräten trotzdem ein Xiaomi-Smart­phone im Einsatz sei.

Nicht alle Geräte verdächtig

Thorsten Urbanski, Spre­cher des Sicher­heits­unter­neh­mens Eset, warnte davor, alle Smart­phones aus China unter einen Gene­ral­ver­dacht zu stellen. Mani­pulierte Geräte seien aber "seit vielen Jahren ein großes Sicher­heits­pro­blem". "Bereits vor mehr als fünf Jahren gab es erste Fälle von Geräten, die auf dem Weg nach Europa mit mani­pulierter Firm­ware und vorin­stal­lierter Spyware-Apps in den Handel kamen." Mit den dama­ligen Mani­pula­tionen hätten umfas­send Daten gestohlen werden können. Auch eine Über­wachung des Besitzer seien möglich gewesen. In vielen Fällen seien die Mani­pula­tionen nicht vom Hersteller selbst ausge­gangen.

Mögli­cher­weise auch mani­pulierte Geräte im Umlauf?

Viele mani­pulierte Geräte gelangten über den Online-Handel nach Europa, sagte Urbanski. Teil­weise seien gefälschte und mit Schad-Apps ausge­stat­tete Geräte aber auch im statio­nären Handel zu finden gewesen. Sein Ratschlag: "Wenn Geräte beispiels­weise schon beim Eintreffen als Neuware nicht origi­nal­ver­packt sind, sollten Verbrau­cher gene­rell vorsichtig sein und das Gerät gege­benen­falls auch wieder zurück­senden. Ebenso sind Ange­bote mit Rabatten von 50 oder 60 Prozent auf aktu­elle Smart­phones in der Regel zu schön um wahr zu sein." Oftmals zahlten Verbrau­cher hier den güns­tigen Preis mit ihren Daten oder erhielten gefälschte Geräte.

Wie funk­tio­niert die Zensur?

Bei der Prüfung des Xiaomi-Geräts hätten die Experten eine tech­nische Funk­tion aufge­deckt, die den Inhalt herunter gela­dener Inhalte zensieren könnte. Mehrere Apps auf dem Smart­phone einschließ­lich dem ab Werk vorin­stal­lierten Mi-Browser laden offenbar regel­mäßig eine Liste mit verbo­tenen Schlüs­sel­wör­tern herunter, die Xiaomi vorgibt. Wenn der Nutzer später eine Webseite öffnen will, welche Begriffe aus dieser Liste enthält, werde diese auto­matisch blockiert.

Zum Zeit­punkt der Unter­suchung soll diese Liste 449 Schlüs­sel­wörter und Kombi­nationen in chine­sischen Schrift­zei­chen umfasst haben, heißt es in dem Bericht. Dazu gehörten "Frei­heit für Tibet", "Amerikas Stimme", "Demo­kra­tie­bewe­gung" und "Lang lebe das demo­kra­tische Taiwan".

Filter­funk­tion in Litauen deak­tiviert

"Wir haben fest­gestellt, dass die Inhal­tefil­ter­funk­tion in den nach Litauen gelie­ferten Xiaomi-Mobil­tele­fonen deak­tiviert ist und keine Zens­urtä­tig­keit ausübt", erläu­terte Taut­vydas Bakšys, Leiter der Inno­vati­ons­abtei­lung des Cyber­sicher­heits­zen­trums seine Ermitt­lungen. Die Listen würden weiterhin regel­mäßig aktua­lisiert. Damit sei das Gerät "tech­nisch in der Lage, die Funk­tion jeder­zeit aus der Ferne und ohne Erlaubnis des Nutzers zu akti­vieren und mit der Zensur der herun­ter­gela­denen Inhalte zu beginnen." Bakšys schließe nicht aus, dass die Liste der verbo­tenen Schlüs­sel­wörter auch mit latei­nischen Buch­staben erstellt werden könne.

Akti­vie­rung per Schlüssel-SMS

Um diesen Dienst auf dem Mi 10T zu akti­vieren, muss eine verschlüs­selte SMS zur Regis­trie­rung empfangen werden, die danach nicht auf dem Gerät gespei­chert wird. Die Ermittler seien daher nicht in der Lage, "die verschlüs­selte Nach­richt zu lesen und ihren Inhalt zu veri­fizieren", kriti­siert Bakšys die Lage. Gleich­wohl: Die auto­mati­sierte Nach­rich­ten­über­mitt­lung und die vom Hersteller verbor­genen Inhalte stellten eine poten­zielle Sicher­heits­bedro­hung dar, "da sie die Erfas­sung und den Transfer nicht iden­tifi­zier­barer perso­nen­bezo­gener Daten an Server in Dritt­län­dern ermög­lichen".

Experten: Vorwürfe Ernst nehmen

Rüdiger Trost, Sicher­heits­experte von F-Secure Deutsch­land, sagte der dpa, man müsse die Vorwürfe ernst nehmen. "Ich halte es für mehr als wahr­schein­lich, dass es Möglich­keiten für chine­sische Stellen gibt, direkt auf Smart­phones aus natio­naler Produk­tion zuzu­greifen. Und ich habe keine Zweifel, dass China gewillt ist, mit tech­nischen Mitteln Zensur auszu­üben." Wenn die Konzerne, der chine­sische Staat oder Hacker einen so tief­grei­fenden Zugriff hätten, könnten sie nicht nur Kommu­nika­tion auslesen, noch bevor sie verschlüs­selt werde, etwa bei E-Mails, WhatsApp oder sogar Signal. Man könnte sogar Daten hoch­laden und auf solche Weise etwa einen Dissi­denten diskre­ditieren. Ja, man könnte sein Smart­phone so mani­pulieren, dass er wie der Spion eines anderen Staates erscheint."

Trost verwies darauf, dass die chine­sischen Smart­phones in der Regel mit dem Android-Betriebs­system laufen, das von Google entwi­ckelt wurde. "Wir haben fest­gestellt, dass die von Smart­phone-Herstel­lern ange­passten Android-Versionen für die jewei­ligen Geräte unter­schied­lich sicher sind. Die Android-Anpas­sungen durch Hersteller wie Xiaomi können also dazu führen, dass die Sicher­heit dieser Geräte erheb­lich beein­träch­tigt wird." Das würden die Konzerne kaum aus Eigen­inter­esse tun. "In China geschieht sicher wenig komplett am Staat vorbei."

Man könne aller­dings davon ausgehen, dass die breite Masse der Anwen­derinnen und Anwender nicht im Fokus stünde, betonte Trost. "Wenn ich aber Poli­tiker, Jour­nalist oder Dissi­dent wäre, sähe das anders aus."

Eine Einschät­zung: Was können Kunden tun?

Wer sich ein Gerät von Xiaomi oder Huawei gekauft hat, muss nicht gleich in Panik verfallen, sollte aber ein paar einfache Tipps beher­zigen: Zu Beginn alle Apps, die auf dem Handy zu finden sind, über­prüfen, ob sie wirk­lich gebraucht werden. Sofern diese Apps die Zustim­mung von AGBs erfor­dern, genau hinschauen, wer da und warum welche Daten wissen möchte. Apps, die nicht gebraucht werden, vom Handy deinstal­lieren oder - wenn das nicht anders geht - wenigs­tens deak­tivieren.

Eigenes Handy testen

Fast alle Hersteller von Sicher­heits­soft­ware bieten kosten­lose Test-Programme an. Es kann nicht schaden, das eigene Handy kurz zu checken. Wer sein Handy in einem Unter­nehmen betreiben möchte, sollte Kontakt zu seiner Unter­neh­mens-IT aufnehmen und "deli­kate" Infor­mationen besser nicht auf dem Handy oder der Cloud des Handy-Herstel­lers spei­chern.

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