Modernisierung

Mit der Zeit gegangen: Lesezirkel wird elektronisch verfügbar

Einführung in Arztpraxen und Hotels noch in diesem Jahr
Von dpa / Kaj-Sören Mossdorf

Der Lesezirkel kommt auf das Tablet Der Lesezirkel kommt auf das Tablet
Screenshot / Montage: teltarif.de
Lesemappen bieten das ganze Reper­toire der Zeitschrif­tenpresse - von Klatsch-Blättern über Ratgeber­hefte bis zu Nachrich­tenmaga­zinen. Sie werden in Deutschland von rund 120 Unter­nehmen vertrieben, teils mit jahr­hundertealter Tra­dition. Was in der digitalen Download-Ära verstaubt erscheinen mag, hat nach wie vor Konjunk­tur in Warte­zimmern und Privat­haushalten. Der Umsatz aus der Zeit­schriften­vermietung der Lesezirkel stieg infolge von Preis­erhöhungen 2012 um drei Prozent auf 155 Millionen Euro. Erreicht werden laut Verband rund 11,34 Millionen Leser.

Der Lesezirkel kommt auf das Tablet Der Lesezirkel kommt auf das Tablet
Screenshot / Montage: teltarif.de
Entspannt zurücklehnen können sich die mittelständischen Lesezirkel-Firmen aber nicht. Gestiegene Benzin- und Papierpreise und hohe Personalkosten haben das Geschäft eingetrübt. Die überregionalen Werbeerlöse gingen zuletzt um ein Zehntel auf rund 20,6 Millionen Euro zurück. "Die Gewinnspanne wird geringer", berichtete Verbandschef Günther Hildebrand in Hamburg. Und der technologische Wandel hat das Zeitschriftensegment der Verlage längst erfasst und macht auch vor den Vermietungsfirmen nicht halt. "Wir stehen unter Zeitdruck", sagte Hildebrand. Die Lesemappen sollen auch digital auf mobilen Endgeräten wie Tablets verfügbar werden.

Angebot soll noch in diesem Jahr verfügbar werden

Möglichst noch in diesem Jahr sollte das Angebot stehen, so die Hoffnung des Verbandsvorsitzenden. Ein einheitliches Konzept muss her, denn einzelne Firmen könnten die technologische Neuerung allein nicht stemmen. Fragen sind offen: Wer stellt einen Tablet-Computer für Arztpraxen oder Hotel-Lounges zur Verfügung? Soll solch ein Computer nur ein Zeitschriftensortiment bieten oder auch andere digitale Angebote? Und schließlich: Die Vorteile aus dem Sammelbezug gedruckter Ausgaben müssten auch bei der elektronischen Version zum Tragen kommen.

Grundlage des Lesezirkels ist ein Mietmodell. Der Kunde wählt mindestens fünf Zeitschriften aus, die wöchentlich zugestellt und abgeholt werden. Danach werden die Sortimente weitervermietet. Je nach "Druckfrische" bemisst sich der Preis für das Abo. Bis zu 60 Prozent kann der Leser nach Angaben des Verbandes verglichen mit dem Kioskpreis sparen. Etwa die Hälfte der Abonnenten sind Privathaushalte. Die Firmen haben rund 320 Titel im Sortiment.

Die Tradition Lesezikel

Lesezirkel in Deutschland fußen auf einer Tradition. Der Postmeister Pankraz Metzger in Kitzingen am Main brachte 1609 als einer der ersten Lesestoff in Umlauf. Für einen halben Thaler erhielt der Abonnent handgeschriebene Zeitungen aus Nürnberg oder Frankfurt, später auch aus Wien, Rom und Den Haag. Doch damals blieb Ratsherren, Geistlichen, Advokaten und Stadtschreibern für die Lektüre nur wenig Zeit, nach einer Stunde mussten die Journale zurückgegeben werden.

Später hatten Lesezirkel und Lesegesellschaften maßgeblichen Anteil an der Verbreitung der Illustrierten. Erstmals wurden eigenständige Betriebe gegründet. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren von rund 1 200 Lesezirkeln mehr als zwei Drittel ein Nebenerwerb. Eine zweite Blüte erlebten die Firmen nach dem Zweiten Weltkrieg mit 800 eigenständigen Betrieben (1955).

Eine der ältesten Firmen ist der Lesezirkel Krumbeck in Ellerbek (Kreis Pinneberg). Seit 1901 versorgt die Unternehmerfamilie in vierter Generation die Lesehungrigen an der Westküste von Schleswig-Holstein. Der Umsatz von rund 1,4 Millionen Euro sei seit Jahren stabil, versichert Geschäftsführerin Regine Hildebrand. Auf das Internet als Bestellschiene könne sie nicht mehr verzichten. Rund ein Fünftel der Erlöse kämen darüber herein. Der 1907 gegründete "Leserkreis Daheim" war für die Hamburger Verlegerfamilie Ganske sogar der Grundstock für ihr Medienhaus mit Zeitschriften ("Für Sie") und Verlagen (Hoffmann und Campe/Gräfe und Unzer).

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