Editorial

IFA: Erleidet die Fachmesse das Schicksal der CeBIT?

Weniger Messe­hallen, kaum Events, wenig echte Neuheiten und fehlende Aussteller: Unser Autor Michael Fuhr zieht ein gemischtes Fazit der IFA und fragt sich, ob große Fach­messen noch zeit­gemäß sind.
Ein Kommentar von

Ich will einmal mit dem Posi­tiven beginnen: nach zwei Jahren Pandemie-bedingter Pause endlich mit der IFA wieder eine große Fach­messe mit Besu­chern. Endlich wieder Plausch mit Kollegen, Fach­besu­chern, Ausstel­lern. Endlich mal wieder ein Event ohne nervende Zoom-Konfe­renzen mit tech­nischen Problemen, bren­nenden Augen und Ermü­dung nach stun­den­langem Glotzen auf den Bild­schirm. Endlich auch mal wieder für den Jour­nalisten wich­tige Hinter­grund­infos, teils "off the record". Der Sommergarten unterm Funkturm auf der IFA Der Sommergarten unterm Funkturm auf der IFA
Foto: teltarif.de
Auch viele Besu­cher waren hungrig nach dem Come­back. Die Messe war top-besucht (an den fünf Messe­tagen kamen über 161.000 Menschen), die Hallen sehr gut gefüllt, viele hatten ihren Spaß, auch die Gastro­nomie hatte viel zu tun, trotz Messe-üblich unver­schämter Preise (Beispiel: 17 Euro für einen kleinen Flamm­kuchen).

Für den einen wunderbar, den anderen nicht: Die Pandemie spielte auf der IFA keine Rolle mehr, Corona-Schutz­maß­nahmen gab es keine, abge­sehen viel­leicht von den Desin­fek­tions-Spen­dern am Eingang, die man auch gerne weiter beibe­halten kann. Masken sah man an den Messe­ständen prak­tisch keine, obwohl es oft Gedränge in den Messe­hallen gab.

Trotz noch geltender Pandemie-Beschrän­kungen, von denen Teile Asiens weiterhin betroffen sind, belegten die Aussteller mehr als 80 Prozent der Ausstel­lungs­fläche auf dem Gelände der Messe Berlin. Die Aussteller nutzten die Gele­gen­heit, endlich wieder mit Händ­lern, Medien und den Endkon­sumenten in Kontakt zu treten.

Die IFA hat an Bedeu­tung verloren

Doch blicke ich in die 1990-er-Jahre zurück, als es die IFA zwar nur alle zwei Jahre gab, dafür aber zehn Tage am Stück, so hat sich vieles verän­dert: In den Messe­hallen unterm Funk­turm gab es nicht nur neue Produkte und Entwick­lungen aus den Berei­chen der Unter­hal­tungs- und später Gebrauchs­elek­tronik. Die IFA war auch ein zentrales Event für die gesamte Medi­enbranche. Täglich traten Stars in den Messe­hallen oder im Sommer­garten auf, zahl­reiche TV- und Radio­sender hatten ein Studio oder eine Bühne und sendeten live. Besu­cher hatten die Möglich­keit ihre Lieb­linge aus Funk und Fern­sehen einmal hautnah zu erleben.

Zusätz­lich war die IFA immer Anlass für spek­taku­läre und revo­lutio­näre Neustarts und Inno­vationen: Auf der IFA fiel der Start­schuss für das Farb­fern­sehen, später star­tete Bundes­post­minister Chris­tian Schwarz-Schil­ling offi­ziell den digi­talen Rund­funk mit dem Digi­talen Satel­liten-Radio (DSR), die euro­päi­sche HDTV-Norm ging zeit­gleich an den Start.

Kaum Medi­enprä­senz

Davon ist im Jahr 2022 nur noch wenig zu spüren: In Halle 2.2 hatte die ARD eine große Halle mit extrem wenig genutzter Ausstel­lungs­fläche, es war hier fast gespens­tisch ruhig. Hier gab es auch die Präsenz des Nach­rich­ten­sen­ders n-tv, der immerhin einen Messe-Live­stream anbot. Auch der neue Privat­sender BILD live hatte ein Fern­seh­studio auf der Messe am Start.

ARD-Messehalle auf der IFA ARD-Messehalle auf der IFA
Fotop: teltarif.de
Der durch Skan­dale geplagte Rund­funk Berlin-Bran­den­burg sendete Teile seiner Welle rbb 88.8 live von der Messe, zudem gab es hier einen Stand von Deutsch­land­radio und dem Verein Digi­tal­radio Deutsch­land. Privat­sender wie RTL oder Sat.1, aber auch das ZDF hatten sich schon vor längerer Zeit von der IFA zurück­gezogen.

In den großen TV-Sendern spielte die IFA nur noch eine unter­geord­nete Rolle. Gab es früher noch tägliche und stun­den­lange Live-Über­tra­gungen aus Berlin, so konnte man in diesem Jahr froh sein, über­haupt etwas von der Messe im TV zu erleben.

"IFA-Neuheiten" ausschließ­lich online

Auch wer "nur" als Besu­cher auf der Messe war, um sich über Neuheiten aus der Elek­tronik­welt zu infor­mieren, wurde nicht voll­ends zufrie­den­gestellt: Einige große Unter­nehmen verzich­teten auf einen Messe­stand. Die Deut­sche Telekom, die früher eine ganze Messe­halle ange­mietet hatte, war ebenso wenig vertreten wie Sony. Einige Hersteller wie Philips präsen­tierten ihre "IFA-Neuheiten" gar nur online. Andere hatten ausschließ­lich B2B-Bereiche, in denen auch wir Medi­enver­treter ohne spezi­elle Bezie­hungen keinen Zutritt hatten.

Was mir zudem auffiel ist, dass es im Vergleich zu früher wenig echte Neuheiten auf der Messe gab, abge­sehen von dem Bereich "IFA Next", auf dem künf­tige Tech­nolo­gien und allerlei "Spin­nereien" präsen­tiert wurden und einiges bestimmt wieder für immer in den Schub­laden landen dürfte.

Viele Aussteller präsen­tierten ausschließ­lich ihr bekanntes Produkt­port­folio mit Geräten, die es zum Teil schon mehrere Monate oder gar Jahre im Handel gibt. Immer mehr Hersteller nutzen das Vorfeld der IFA, um Neuheiten in Online-Präsen­tationen oder in Haus­messen einem Fach­publikum zu präsen­tieren.

"Don't touch that device, don't take pictures"

An vielen Messe­ständen auch bekannter Aussteller wurde ausschließ­lich Englisch gespro­chen. Es gab an vielen Ständen keinen deutsch­spra­chigen Produkt-Manager, der dem Besu­cher der Messe neue Produkte erklärte. Während das für mich kein Problem darstellte, war manch anderer enttäuscht. Immerhin ist die IFA ja eine Publi­kums­messe und nicht jeder spricht perfekt Englisch. Die Messe-Veran­stalter verzich­teten auch auf die sonst übliche deutsch­spra­chige Messe-Zeitung mit tages­aktu­ellen Neuig­keiten, auch diese gab es nur noch in Englisch.

Die Behand­lung von uns Medi­enver­tre­tern an den Messe­ständen war zudem unter­schied­lich: Einige Hersteller gaben erfreu­licher­weise uns die Möglich­keit, Geräte auszu­pro­bieren und auch in die Hand zu nehmen, andere inter­venierten: Teils durfte ich die Geräte nicht einmal foto­gra­fieren, dafür drückte man mir QR-Codes mit Links zu JPEGs und Pres­semit­tei­lungen in die Hand, der eine oder andere versprach uns auch ein Test­gerät, sodass wir im Nach­gang der IFA doch noch einige Neuheiten einem Hands-on unter­ziehen können.

Die IFA in Zukunft? Eher Beiwerk als Tourist

Hinzu kam, dass es zentrale Events wie den "Digi­tal­radio-Tag" in diesem Jahr nicht gab. Durchaus habe ich mir also die Frage gestellt, ob ich auch weiter die IFA besuche und bin zum Schluss gekommen, dass es sich als mehr­tägiger Arbeits­auf­ent­halt eher nicht mehr lohnt, sollten nicht zentrale Events von früher wieder in Präsenz zurück­kehren. Insge­samt empfinde ich die IFA inzwi­schen nur noch als ein Schatten ihrer selbst. Der eine oder andere eben­falls enttäuschte Fach­besu­cher meinte sogar, der IFA könnte das gleiche Schicksal drohen wie der CeBIT, die 2018 letzt­malig ihre Pforten öffnete.

Solange es die IFA gibt, werde ich aber trotzdem weiter zumin­dest einen Tag auf der Messe verbringen, weil ich gänz­lich auf Austausch mit Kollegen oder Ausstel­lern nicht verzichten möchte, zudem ist es immer noch schöner, Produkte live zu erleben und nicht ausschließ­lich online. Genau das spricht auch für einen Fort­bestand großer Messen. Und sei es künftig in Verbin­dung mit einem touris­tischen Aufent­halt. Denn die Haupt­stadt ist schließ­lich immer eine Reise wert.

Auch wenn es keinen Digi­tal­radio-Tag auf der IFA gab, wurden dennoch im Nach­gang der Messe neue Zahlen zur Radio­nut­zung in Deutsch­land präsen­tiert.

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