Komponenten-Austausch

Huawei-Technik: Vodafone warnt vor wanderndem Funkloch

Seit Längerem gibt es auf poli­tischer Ebene die Forde­rung, Technik aus China aus den Netzen komplett zu verbannen. Doch so einfach ist das gar nicht möglich.
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Seit Längerem berichten wir über den poli­tisch moti­vierten Streit, ob Technik chine­sischer Hersteller (genannt werden meist Huawei und mitunter auch ZTE) aus deut­schen Netzen verbannt werden sollte. Nun hat sich der Netz­betreiber Voda­fone zu Wort gemeldet: "Es droht ein Funk­loch, das über viele Jahre quer durch die Repu­blik wandert", sagte Technik­chefin Tanja Richter dem Redak­tions-Netz­werk-Deutsch­land (RND).

Innen­minis­terin für dras­tische Maßnahmen

Netztechnik von Huawei gilt als zuverlässig und preiswert Netztechnik von Huawei gilt als zuverlässig und preiswert
Bild: Picture Alliance/dpa
Die Innen­minis­terin Nancy Faeser hatte immer wieder ein zügiges Austau­schen von elek­tri­schen Bauteilen der Hersteller Huawei und ZTE gefor­dert, was großen Aufwand und hohe Kosten verur­sachen würde. Verkehrs- und Digital­minister Volker Wissing (FDP) hält von dem Vorschlag wenig, weil er das drin­gend notwen­dige Ausbau­tempo massiv dros­seln würde.

Ob Kompo­nenten beispiels­weise von Huawei oder ZTE "gefähr­lich" werden könnten, wird seit Jahren disku­tiert. Zunächst waren es US-Geheim­dienste, die noch unter der Regie­rung von Donald Trump fest daran glaubten, dass in der Soft­ware der 5G-Kompo­nenten von Huawei, ZTE & Co. soge­nannte Back­doors enthalten sein könnten, um euro­päi­sche Netze stören, blockieren oder abhören zu können. Schlüs­sige Beweise gibt es bis heute nicht. Insider vermuten eher, dass es der US-Indus­trie "sauer" aufstieß, dass die Technik von Huawei zu gut und zu günstig und "nicht abhörbar" gewesen sei.

Fakt ist auch, dass die Ameri­kaner die dama­lige Bundes­kanz­lerin Merkel abhörten, aus China sind solche Eska­paden bis heute nicht bekannt geworden.

Rest­risiko mini­mieren: Raus aus dem Netz­kern

Blick in das Core-Rechenzentrum von Vodafone in Frankfurt/Main. hier ist Ericsson-Technik im Einsatz Blick in das Core-Rechenzentrum von Vodafone in Frankfurt/Main. hier ist Ericsson-Technik im Einsatz
Foto: Picture Alliance/dpa
Weil ein gewisses Rest­risiko bestehen könnte, hatte sich die EU schon vor Jahren verstän­digt, keine Elek­tronik mehr von soge­nannten "Hochrisiko­anbietern" in den Kern der Netze einzu­bauen. Einige Länder haben das bereits umge­setzt oder sind noch dabei. Deutsch­land, so heißt es, sei das Schluss­licht.

Innen­minis­terin Nancy Faeser (SPD) will nun Tempo machen, da es "struk­turelle Abhän­gig­keiten" gebe. Faeser ist im Wahl­kampf­modus. Sie würde gerne Minis­ter­prä­sidentin in Hessen werden, will sich aber auch ihr Bundes­minis­terium als Plan B offen halten und braucht daher sicht­bare Erfolge.

Ihr Minis­terium will chine­sische Technik aus den "Kern­netzen" bis Ende 2025 entfernt wissen. Im Kern-Netz sind die Nutzer­daten gespei­chert und dort werden alle Verbin­dungen geschaltet. Darüber herrscht in der Branche weit­gehend Einig­keit, dass hier keine "unge­betenen Gäste" eindringen sollen. So verwendet die Deut­sche Telekom längst Tech­nologie des US-Anbie­ters Mavenir und Voda­fone setzt längst auf bewährte Technik von Ericsson, ähnlich wie o2-Telefónica.

Wie gefähr­lich sind Antennen?

Strittig ist unter den Poli­tikern, ob passive Anten­nen­ele­mente getauscht werden müssen, nur weil "Huawei" drauf steht. Die aktiven Sende- und Steu­erein­heiten (engli­sche Abkür­zung "RAN") können und müssen fern­bedient werden. Hier ist die Streit­frage, ob ein Hersteller am jewei­ligen Netz­betreiber vorbei eingreifen könnte, ohne dass dieser es merkt. Die Netz­betreiber sagen klar: "Nein."

Verknüp­fung von Frequenz­ver­län­gerung mit Hard­ware­tausch?

Nach Infor­mationen von RND sei im Gespräch, die geplante kosten­lose Verlän­gerung der Funk­lizenzen für Telekom, Voda­fone und o2-Telefónica mit dem Hard­ware­aus­tausch zu verknüpfen und als Kompro­miss auf einem Austausch der chine­sischen Kompo­nenten bei den nächsten routine­mäßigen Nach­rüs­tungen von 5G-Technik zu bestehen.

Im Kern­netz ist keine Huawei-Technik

Voda­fone (und auch Telekom oder o2) bestä­tigen: "Im Kern­netz wird keine Tech­nologie von Huawei" genutzt. Beim Antennen­netz verweisen die Netz­betreiber auf "extrem hohe Sicherheits­standards", und "Unre­gel­mäßig­keiten wurden bisher nie fest­gestellt." Vodafone-Technik-Chefin Tanja Richter warnt vor rotierenden Funklöchern Vodafone-Technik-Chefin Tanja Richter warnt vor rotierenden Funklöchern
Foto: Vodafone
Voda­fone-Technik­chefin Tanja Richter spricht ihrer Branche aus der Seele: "Deutsch­land braucht sichere und leis­tungs­fähige Netze. Wir müssen über realis­tische, tech­nische Möglich­keiten spre­chen, wie wir beides auch in Zukunft möglich machen - und dabei aus den Erfah­rungen in anderen Ländern lernen."

Beob­achter wissen, dass Staaten, wo die Technik ausge­tauscht werden musste, heute Schluss­lichter beim 5G-Ausbau sind. So wurde bekannt, dass der Netz­betreiber "Odido" (der neue Name der ehema­ligen T-Mobile.NL) seit dem Austausch der Kompo­nenten in puncto Netz­qualität auf einen hinteren Platz gerutscht sei.

Bei Umrüs­tung würde es zu mehr­tägigen Netz­aus­fällen kommen

Die EU-Kommis­sion hat fest­gestellt, dass Estland, Lett­land, Schweden, Belgien und Rumä­nien beim Ausbau der neuen 5G-Mobilfunk­technik abge­schlagen auf den letzten Plätzen gelandet sind, weil in diesen Ländern Tech­nologie von chine­sischen Ausrüs­tern "verbannt" wurde.

Die Sende­sta­tionen der Netz­betreiber sind in Gruppen (englisch "Cluster") verbunden. Das bedeutet: Sollte ein Netz­betreiber die Technik eines Herstel­lers austau­schen müssen, müsste das für alle Sende­sta­tionen in einem Cluster gleich­zeitig passieren. Die Folge: Gemeinden oder Stadt­teile in solchen Ländern waren mehrere Tage hinter­ein­ander komplett offline waren. Tanja Richter hat den passenden Begriff dafür: "Wanderndes Funk­loch".

Im Gespräch mit Bran­chen­insi­dern wird klar, dass ein Austausch aller Sende­sta­tionen ein mehr­jäh­riges Projekt wäre. Voraus­gesetzt, dass Hersteller wie Ericsson oder Nokia in so kurzer Zeit ausrei­chend Ersatz­mate­rial liefern könnten, das aber nicht 100 Prozent kompa­tibel sein könnte und Anpas­sungen im Netz erfor­dern würde.

Problem­lösung mit Open-RAN?

Die viel disku­tierte Open-RAN-Technik soll die bishe­rige Abhän­gig­keit im Funk­netz von einem einmal gewählten Hersteller auflösen, ist aber noch lange nicht seri­enreif und bedarf noch umfang­rei­cher Erpro­bung. Was ein Umbau bzw. Austausch kosten würde, ist das nächste Problem, und die schwin­dende Netz­qualität könnte zu Protesten bei den Kunden führen.

Fach­leute halten die Pläne des Innen­minis­teriums für "quasi unmög­lich": Der Mangel an Fach­kräften für die Baumaß­nahmen erlaube das aktuell gar nicht. Die Preise für neue Antennen­technik von alter­nativen Anbie­tern dürften in die Höhe schießen. Diese Gele­gen­heit, die eigenen Bilanzen "aufzu­hüb­schen", würde sich kein Anbieter entgehen lassen.

Es ist schon lange unter Fach­leuten unstrittig, dass die Technik von Huawei nicht nur tadellos und wunsch­gemäß funk­tio­niert, sondern auch preis­lich unschlagbar günstig ist. Schaut man sich auf dem Markt um, kämen der in Schweden gegrün­dete Ericsson-Konzern und das ursprüng­lich finni­sche Unter­nehmen Nokia in Frage. Daneben drängen auch neue, klei­nere Spieler in den Markt.

Telefónica kündigt Scha­dens­ersatz­prü­fungen an

Nicht nur Voda­fone, auch die Deut­sche Telekom und Telefónica kriti­sieren die Pläne des Minis­teriums massiv. Telefónica teilte auf Anfrage mit: "Sollte es zu einem Ausschluss von Kompo­nenten kommen, muss entspre­chend ein ausrei­chend langer Zeit­raum für deren Austausch gegeben werden. Dies ist zur Aufrecht­erhaltung von Netz­qualität und -leis­tung essen­ziell. Für einen rück­wir­kend notwen­digen Umbau des Netzes würde Telefónica zudem Schadens­ersatz­ansprüche gegen die Bundes­repu­blik Deutsch­land prüfen".

Das würde dann sicher zu einem jahre­langen Gerichts­streit führen, der den Weiterbau der Netze lähmen und den Staats­haus­halt schwer belasten dürfte - wenn die Netz­betreiber Recht bekämen. Das Verkehrs- und Digital­ministeriums verweist auf bestehende Stan­dards und strenge Vorschriften. Eine gute Versor­gung mit mobilem Internet ist wichtig.

Huawei: "Sehr gute Sicherheits­bilanz"

Huawei hat in einer Stel­lung­nahme gegen­über RND die "Poli­tisie­rung der Cybersicherheits­bewertung" beklagt. Huawei sieht sich als verläss­licher Liefe­rant von inno­vativer Technik "mit sehr guter Sicherheits­bilanz".

Was niemand weiß, ist, wie Huawei reagieren würde, falls die chine­sische Staats- und Partei­füh­rung tatsäch­lich verlangt, euro­päi­sche Netze anzu­zapfen oder zu stören, weil Europa die aktu­elle Politik Pekings nicht gut findet. Könnte sich Huawei es leisten, dagegen Wider­stand zu leisten? Für Außen­ste­hende ist schwer abzu­schätzen, wie stark in China die kriti­schen Stimmen sind, um der aktu­ellen poli­tischen Elite Contra zu geben und lang­fristig Schaden abzu­wenden.

In einer weiteren Meldung lesen Sie: Brief nach Brüssel: Tech-Konzerne sollen für Netze zahlen.

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