Euro-ISDN

Hintergrund: Euro-ISDN gestern und heute

ISDN ist die Grundlage aller digitalen Netze
Von Christian Immler

Im Mai 1994, genau vor 17 Jahren, bot die damalige Deutsche Bundespost als Vorgänger der Telekom, erstmals Euro-ISDN-Anschlüsse in Deutschland an. Dieser Geburtstag soll Anlass zu einem historischen Rückblick auf eine Technik sein, die damals das Telefonnetz revolutionierte und heute für viele private Telefonteilnehmer und Internet-Nutzer nicht mehr interessant zu sein scheint.

ISDN-Merkmale

ISDN steht für Integrated Services Digital Network. Hier hat man als Benutzer zwei sogenannte B-Kanäle zur Verfügung, über die unabhängig voneinander telefoniert oder Daten mit 64 kBit/s übertragen werden können. Ein dritter Kanal, der sogenannte D-Kanal, ist als Steuerkanal mit 16 kBit/s ausgelegt. Er dient zur Übertragung aller Steuerinformationen bei der Verbindung zweier ISDN-Geräte. Beispielsweise wird die Teilnehmernummer oder die Dienstekennung über den D-Kanal übermittelt. Über diese Dienstekennungen kann ein ISDN-Gerät wie etwa eine Telefonanlage erkennen, ob es sich bei einem eingehenden Anruf um einen Sprachanruf, ein Fax oder eine Datenübertragung handelt und dementsprechend darauf reagieren. Durch die Digitalisierung bringt ISDN nicht nur neue Dienstmerkmale und eine leicht höhere Datenübertragungsgeschwindigkeit gegenüber analogen Modems mit, sondern auch eine merkliche Verbesserung der Sprachqualität beim Telefonieren.

Euro-ISDN und nationales ISDN

Xircom Realport
Foto: Xircom
Die ISDN-Geschichte geht bis in das Jahr 1979 zurück, als die Deutsche Bundespost beschloss, ihr Telefonnetz zu digitalisieren - Datennetze standen damals in den ersten Anfängen, vom Internet sprach noch niemand. 1982 entschied man sich für die vom CCITT (die Vorgängerorganisation der internationalen Fernmeldeunion ITU) empfohlene ISDN-Technik. Da es noch kein einheitliches Übertragungsprotokoll gab, entwickelte die Deutsche Bundespost den Standard 1TR6. Dieser wurde ab 1989 für alle kommerziellen ISDN-Anschlüsse verwendet, nachdem im Jahr 1987 bereits zwei Pilotversuche in Mannheim und Stuttgart erfolgreich liefen.

Andere Länder entwickelten ebenfalls ISDN, jedoch war mangels eines einheitlichen Standards keine internationale Datenübertragung möglich. Im Jahr 1989 sprachen sich 26 Netzbetreiber aus 20 europäischen Ländern für einen ISDN-Standard aus. Im Dezember 1993 wurde dann das DSS1-Protokoll, das auch als Euro-ISDN bekannt ist, offiziell eingeführt. Dies führte zu einer im Vergleich zur langwierigen Vorgeschichte rasanten Weiterentwicklung des ISDN-Netzes. Das nationale ISDN-Protokoll 1TR6 verschwand kurz danach weitgehend. Nur auf speziellen Wunsch stellte die Telekom noch bis Ende 2006 1TR6-Anschlüsse zur Verfügung. Die meisten ISDN-Endgeräte, Telefonanlagen und auch PC-Komponenten lassen sich noch heute zwischen beiden Protokollen umschalten.

Telefonnummern bei ISDN

Der einzige für den Anwender sichtbare Unterschied zwischen den ISDN-Standards ist die Verwendung der Rufnummern. Bei einem 1TR6-Anschluss bekam man einen neuen Rufnummernblock mit zehn aufeinanderfolgenden Nummern. Die letzte Ziffer, die sogenannte Endgeräteauswahlziffer (EAZ) konnte einzelnen Telefonen, Faxgeräten oder Computern zugewiesen werden. Ein weiterer Vorteil des nationalen ISDN war die sogenannte 'vorbestellte Dauerwählverbindung', eine Art Standleitung zu einem bestimmten Gesprächspartner, die pauschal abgerechnet wurde. Flatrate-Tarife zum Telefonieren wie man sie heute kennt, gab es in den Anfangszeiten von ISDN noch nicht.

ISDN-Adapter MicroLink ISDN i
Foto: Devolo
Bei einem Euro-ISDN Anschluss bekommt man standardmäßig nur drei Rufnummern, die hier als Multiple Subscriber Number (MSN) bezeichnet werden und von keinem bestimmten Rufnummernschema abhängig sind. In der Anfangszeit vergab die Telekom hier auch immer drei aufeinander folgende Nummern, später wurde die bisherige Telefonnummer des Analoganschlusses übernommen und zwei weitere meist deutlich längere Nummern dazu vergeben. Gegen Aufpreis bekommt man bei der Telekom auch weitere MSNs, andere Anbieter stellen von Anfang an mehrere Rufnummern zur Verfügung. Die Bundesnetzagentur begrenzt die Anzahl MSNs auf einem ISDN-Basisanschluss auf zehn. Im Gegensatz zu den EAZ im nationalen ISDN sind die MSNs nicht an einzelne Geräte gebunden, sondern können auf jedem Gerät frei zugeordnet werden. So kann ein Telefon bei Anrufen für mehrere Nummern klingeln oder mehrere Telefone, zum Beispiel in verschiedenen Räumen, beim Anruf einer Nummer. Da die MSNs unabhängig von den logischen ISDN-Kanälen sind, kann man auch über eine Telefonnummer gleichzeitig zwei Gespräche führen.

ISDN anschließen

ISDN-Leitungen verliefen in der Anfangszeit bei der Telekom über eigene Vermittlungsstellen, benutzten aber schon immer zwischen Vermittlungsstelle und Hausanschluss die vorhandenen Leitungen, so dass beim Umstieg auf ISDN keine Bauarbeiten erforderlich sind. Seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre arbeiten alle Telekom-Vermittlungsstellen voll digital und ISDN ist seitdem auch flächendeckend an jedem Festnetzanschluss verfügbar.

Netzwerkeinstellungen von Windows XP
Screenshot: teltarif.de
Bei der Umstellung auf ISDN schließt man an die TAE-Dose des alten Telefonanschlusses einen sogenannten NTBA (Netzterminator Basisanschluss) an. Dieses Gerät verfügt über zwei Anschlussbuchsen für den ISDN S0-Bus, an dem die ISDN-Geräte angeschlossen werden. Die beiden Buchsen sind unabhängig von den beiden logischen ISDN-Kanälen, das ISDN-Signal liegt in voller Bandbreite auf dem ganzen Bus an. Dieser S0-Bus kann auf bis zu acht Endgeräte verlängert werden. Dabei ist darauf zu achten, dass bei der Verkabelung ein durchgehender Bus bestehen bleibt, der an beiden Enden mit 100 Ohm terminiert ist, und nicht sternförmig an einem Punkt mehrere Geräte angeschlossen werden. Im Elektronikhandel sind vorkonfektionierte Verteilerdosen erhältlich, in denen die notwendigen Busabschlusswiderstände bereits eingebaut sind.

ISDN-Anschlussarten

Bei einem ISDN-Anschluss unterscheidet man zwischen einem Mehrgeräteanschluss, bei dem die Endgeräte direkt am S0-Bus angeschlossen werden, was die am meisten verbreitete Variante darstellt, und einem Anlagenanschluss, an dem eine Telefonanlage hängt, die die weitere Verteilung übernimmt. Am S0-Bus können nur digitale ISDN-Telefone angeschlossen werden, für analoge Geräte ist ein Analog/Digitalwandler erforderlich. Da damals für ISDN neue Telefone oder Zusatzhardware erforderlich waren, bekam man bis Mitte 1996 für die Umstellung eines analogen Telefonanschlusses auf ISDN einen Zuschuss von bis zu 300 DM für den Kauf neuer Endgeräte. Ein Anlagenanschluss wurde sogar mit 700 DM gefördert.

Heute liefern einige Netzbetreiber wie beispielsweise Vodafone (Arcor) und Telefónica Germany bei den Alice-Produkten anstelle des NTBA Kombigeräte aus, die neben dem NTBA auch den Splitter für das DSL-Signal und einen DSL-Router in einer Box enthalten.

Auf der zweiten Seite unseres Hintergrundartikels zu ISDN erfahren Sie, wie ISDN mit dem PC genutzt werden kann, welche Hardware und Software dazu erforderlich ist.

nächste Seite:

Weitere Meldungen zum Thema "ISDN":