Einigkeit: Frist für finale ISDN-Abschaltung wird verlängert
Bei der Migration von ISDN auf IP haben sich VATM und Telekom auf einen späteren Termin verständigt.
Foto: Picture Alliance / dpa
Immer wieder hat der VATM, der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdienstleistungen, heftige Kritik an der Deutschen Telekom geübt. Das liegt in der Natur der Sache, denn der VATM vertritt die Unternehmen, die im Wettbewerb zur Telekom stehen. Aber es gibt auch die (seltenen) Fälle, wo von VATM und der Telekom gemeinsam an einem Strang gezogen wird, etwa in Form einer gemeinsamen Presseerklärung. Es geht um die seit Jahren vorbereitete und noch laufende Umstellung aller Telefonanschlüsse auf das Internet-Protokoll (IP). Konkret: Die Deutsche Telekom bietet Telekommunikationsunternehmen und deren Endkunden eine Fristverlängerung bei der Umstellung ihrer Sprachtelefon- und ISDN-Mehrgeräteanschlüsse auf die IP-Technologie an.
IDSN-Abschaltung erst später
Bei der Migration von ISDN auf IP haben sich VATM und Telekom auf einen späteren Termin verständigt.
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„Auf expliziten Kundenwunsch werden wir die konkret benannten Alt-Anschlüsse, die noch nicht migriert wurden, erst acht Wochen später zum 30.11.2019 abschalten und nicht, wie bislang kommuniziert, zum 30.09.2019“, sagt Dr. Kerstin Baumgart, Leiterin des Geschäftsbereiches Wholesale von der Telekom Deutschland GmbH und fügt hinzu: „So schaffen wir die Möglichkeit, dass alle Telekommunikationsunternehmen ihre Kunden doch noch rechtzeitig auf die zukunftssichere Plattform migrieren können.“ Demgegenüber erfolgt die Migration bzw. Abschaltung der DSL-Daten-Anschlüsse auf den Alt-Plattformen (als Telefonleitung und DSL-Versorgung noch getrennt vermarktet wurden) weiterhin wie kommuniziert und geplant.
Jürgen Grützner, Geschäftsführer des VATM, hat Grund zur Freude: „Eine große Zahl der Telekommunikationsunternehmen hat die Migration bisher sehr gewissenhaft und in guter Kooperation mit ihren Endkunden und der Telekom durchgeführt. Das ist ein gemeinschaftliches und gutes Ergebnis!“ so Grützner: „Einige Kunden sind die Migration noch nicht konsequent genug angegangen, was nun trotz des langen Vorlaufs in einigen Fällen zu Problemen führt.“
Umrüstung läuft seit 2015
Bereits 2015 hatte die Deutsche Telekom damit begonnen, parallel zum Breitbandausbau, alle Sprach- und Datenanschlüsse auf das Internet-Protokoll (IP) umzustellen. In verschiedenen Wellen wurden die Kunden angeschrieben und die Anschlüsse migriert bzw. in Ausnahmefällen auch gekündigt, was insbesondere bei Kunden, die jedem Werbeschreiben skeptisch gegenüberstehen und die Zusammenhänge nicht kennen oder verstehen, zu Irritationen geführt hatte.
Umrüstung bis Jahresende fast komplett
„Zum Jahresende wird der allergrößte Teil der Migration abgeschlossen sein“, sagt Klaus Müller, bei der Telekom unter anderem verantwortlich für die IP-Migration der Geschäftskunden, „einzig die Migration weniger reiner Sprachanschlüsse im Geschäftskundenbereich wird noch in 2020 erfolgen und abgeschlossen“. „Zusammen mit den Carriern intensivieren wir alle Anstrengungen, damit kein Kunde bei der Migration verloren geht."
Müller betont: "Diejenigen Kunden, die bislang nicht reagiert haben, sind nun dringend aufgefordert, sich mit ihrem Anbieter umgehend in Verbindung zu setzen und die notwendigen Schritte abzustimmen“, appelliert Baumgart. „Alle Kunden wurden in der Vergangenheit mit großem Vorlauf von ihren Anbietern über den Wechsel in die All-IP-Welt informiert“, bestätigt Grützner.
Die Prozesse (Abläufe) sollen so gestaltet werden, dass für alle Kunden – egal bei welchem Anbieter sie sind – eine störungsfreie Migration sichergestellt ist. Um Problemfälle rechtzeitig zu erkennen, wurde eine gemeinsame Datenbasis mit der Telekom geschaffen. Die Telekom sieht sich dabei – wie auch der VATM – in einer Gesamtverantwortung für die Telekommunikationsbranche. Die Migration auf IP wird für die Kunden hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Produkte mit spürbaren Verbesserungen und neuen Möglichkeiten einhergehen. Dem VATM ist es daher wichtig, dass die Abschaltung der alten Technologien konsequent erfolgt: „Nur so wird die Umstellung auf die neue Technologie erfolgreich sein. Digitalisierung und Gigabit-Gesellschaft benötigen eine vollständige IP-Umgebung“, sagt Grützner: „Telekom und VATM werden zusammen Sorge dafür tragen, dass es bei ausreichender Kooperation von Kunden und Telekommunikationsunternehmen nicht zu ungewollten Abschaltungen kommt.“
ISDN: Stabilität in abgelegenen Regionen
Gerade in abgelegenen Regionen bot ISDN die einzige stabile Telefonie-Datenversorgung, um wenigstens mit heute unvorstellbar langsamen 64 kBit/s oder 128 kBit/s (Kanalbündelung) ins Internet zu kommen. Nach dem Wegfall von ISDN bietet die Telekom dort teilweise nur noch MSAN-POTS (einfacher "analoger" Telefonanschluss) an. Gerade in den abgelegenen Regionen kommt der Netzausbau nicht vom Fleck, weil erst zeitraubende Ausschreibungen und Anträge auf Fördermittel gestellt werden müssen und die Kunden vor Ort den "Ernst" der Lage nicht verstehen oder die in Frage kommenden Baufirmen auf Jahre ausgebucht sind.
Kunde muss aktiv werden
Gleichwohl muss jeder Kunde, der von der Telekom oder seinem privaten Telefon-Unternehmen ein Schreiben zur Umstellung bekommen hat, unbedingt selbst aktiv werden. Ganz glasklar: Es besteht keine Möglichkeit, den (meist hoch stabilen und zuverlässigen) ISDN-Anschluss auf Dauer zu behalten, weder bei der Telekom noch bei alternativen Anbietern. Ist die Leitung zum Kunden stabil, kann der Kunde mit einem ISDN-Router-Modem seine ISDN-Anlage und Geräte weiter betreiben und in aller Ruhe entscheiden, wie er künftig "intern" telefonieren will.
Bei extrem langen Kabelverbindungen zwischen Kunden und der nächsten aktiven Vermittlung oder dem aktiven Schaltkasten (MFG oder KVz) und seit Jahren nicht mehr aufgerüsteten Ortsnetzen, müssen die örtliche Politik in Verbindung mit Landkreisen und Bundesländern das Verfahren zur möglichen Förderung anschieben.
Liegen die Anschlüsse zu weit "abseits", haben sich schon erfolgreiche "Bürgerinitiativen" gebildet, welche die Netze in Eigenregie gegraben und dann eine Telekommunikationsfirma beauftragt haben, das Netz zu betreiben oder für den übergeordneten Anschluss zu sorgen.
Ganz wichtig: Von selbst passiert aber nichts. Die Kunden müssen aktiv werden.