Aufspaltung

Editorial: Netz weg!?

Die Konkurrenz fordert die Aufspaltung der Telekom. Würde das tatsächlich den Wettbewerb beleben oder wäre es nur ein Regulierungs-Placebo? Und hätte man das nicht schon 1998 tun sollen?
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Die Konkurrenz fordert die Aufspaltung der Telekom. Die Konkurrenz fordert die Aufspaltung der Telekom.
Bild: teltarif.de
Die Forderung ist fast so alt wie die Regulierung der Telekommunikation: Die Deutsche Telekom soll ihre Ortsnetze abgeben. Statt von der Telekom würden sie dann von einer bundesweiten Telekommunikations-Infrastruktur-GmbH oder von kommunalen Zweckbetrieben betrieben. Kommunale Zweckbetriebe kennt man beispielsweise vom Wasser- und Abwassernetz oder der Müllabfuhr. Die Protagonisten versprechen sich von dieser Maßnahme, dass Doppelinvestitionen in den Aufbau konkurrierender Kabelnetze vermieden werden. Vor allem aber soll sie zu einer Regulierung auf Augenhöhe führen: Die im Festnetzbereich immer noch mit Abstand führende Deutsche Telekom müsste die letzte Meile zu denselben Konditionen anmieten wie die Konkurrenz. So käme es endlich zu einer Regulierung auf Augenhöhe. Derzeit profitiere die Telekom davon, dass tendenziell eine zu hohe Miete für die Letzte Meile angesetzt würde.

Tatsächlich spricht einiges dafür, dass wir heute eine intensivere Wettbewerbssituation hätten, wäre 1998 bei der Deregulierung des Tk-Marktes die Deutsche Telekom nicht als einziges Unternehmen aus der Bundespost herausgetrennt worden, sondern gleich drei Unternehmen: Eines für Bau und Unterhaltung des klassischen Festnetzes auf Basis der Kupfer-Doppelader, jedoch ohne die Vermittlungsstellen, eines für das Breitband-Kabelnetz und eines für die Erbringung von Tk-Diensten. Letzteres hätte insbesondere die ganzen Vermittlungsstellen und Mobilfunk-Basisstationen übernommen, sowie die Kundenbeziehungen. Nach Bedarf hätte die Deutsche Telekom Service AG dann Vorleistungen von den beiden Kabel-GmbHs erwerben müssen.

Insbesondere hätte die genannte frühe Aufspaltung verhindert, dass die Deutsche Telekom es schafft, den Verkauf der Kabelnetze bis Anfang 2003 zu verzögern. Das sind fünf Jahre, die die Telekom die Wettbewerbsintensität im Festnetz verringern konnte, da für die Kunden breitbandiges Internet nur über DSL, nicht aber auch über Breitbandkabel, zur Verfügung stand. Die Rechnung haben die Kunden gezahlt, insbesondere in Form sehr hoher Entgelte für die Einrichtung von DSL, die andernfalls wohl kaum durchsetzbar gewesen wären.

Die Kupfer-Doppelader-GmbH wäre ebenfalls schon frühzeitig daran interessiert gewesen, zusätzliche Tk-Anbieter auf ihr Netz zu nehmen: Je mehr Firmen Festnetz-Anschlüsse zu unterschiedlichen Konditionen und mit unterschiedlichen Fähigkeiten vermarkten, desto mehr Kunden würden sich finden lassen.

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Die Konkurrenz fordert die Aufspaltung der Telekom. Die Konkurrenz fordert die Aufspaltung der Telekom.
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Doch es gibt auch Argumente, die gegen einen Erfolg dieser drastischen Aufspaltung sprechen. Ob sich beispielsweise tatsächlich schon 1998 oder 1999 ein finanzstarker und auch technisch kompetenter Investor gefunden hätte, der das Breitbandkabelnetz kauft und rückkanalfähig aufrüstet, um dann Breitband-Internet-Dienste anzubieten, ist keineswegs sicher. Das beginnt schon damit, dass es gegen den dafür nötigen 100-Prozent-Verkauf der Breitbandkabel-GmbH wahrscheinlich auch starke politische Vorbehalte gegeben hätte. Und die für die Ergänzung des Rückkanals nötigen hohen Investitionen hätte eine nur teilverkaufte oder gar noch komplett im staatlichen Eigentum befindliche Breitbandkabel-GmbH zu diesem frühen Zeitpunkt wahrscheinlich ebenfalls nicht gewagt. 1998 war das Internet zwar schon am boomen. Aber ob das Breitband-Internet wirklich die hohe Penetration erreichen würde, die wir heute haben, oder dauerhaft nur etwas für "Freaks" bleiben würde, war 1998 noch nicht absehbar. 2000 und 2001 folgte die dot-com-Krise, während der erst recht keine großen Investitionspläne geschmiedet worden wären.

Auch die Auslagerung der Kupfer-Doppelader in ein getrenntes Unternehmen hätte möglicherweise nicht die davon versprochene Marktbelebung gebracht. Das beginnt schon damit, dass die zusätzlichen Prozesse, dass die Deutsche Telekom die Schaltung von Tk-Anschlüssen bei einem Drittunternehmen beauftragen muss, auch zusätzliche Kosten verursacht hätten. Ist in einzelnen Gebieten ein Ausbau des Festnetzes erforderlich, muss die Kupfer-Doppelader-GmbH auch mit viel spitzerem Bleistift rechnen, da sie die nötigen Investitionen nur über die Kabelmiete zurückverdienen kann, nicht aber über die anderen mit einem Telefonanschluss verbundenen Erlösströme, insbesondere die (1998 bei der Telekom noch stark überhöhten) Minutenentgelte. Entsprechend hätten sich die Wartezeiten auf Anschlüsse wahrscheinlich erhöht und die Grundgebühren wären wohl bestenfalls marginal gesunken.

Schließlich muss man festhalten, dass auch nach einer formalen Aufspaltung der drei Unternehmen die ausführenden Mitarbeiter dieselben bleiben. Spätestens, wenn Mitte 1998 dank Marktanteils- und Umsatzverlust bei der Telekom Service AG das Schreckgespenst einer möglichen Kündigungswelle an die Wand gemalt wird, werden die Mitarbeiter der beiden Kabel-GmbHs sich überwiegend solidarisch zu den alten Kollegen bei der Service AG verhalten und den Wettbewerb eher behindern als fördern.

Aufspaltung heute wäre zu spät

Die Aufspaltung der Telekom mit der Deregulierung 1998 wäre also mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der Wettbewerbs-Befreiungsschlag geworden, den sich viele davon versprechen. Das sieht heute, fast 18 Jahre später, nicht besser aus. Im Gegenteil, das Kupfernetz der Telekom zerfällt bereits eh in immer kleinere Teilnetze. VDSL-Vectoring wird zumeist ab dem Kabelverzweiger ausgebaut, nicht ab der Vermittlungsstelle. Und in einigen Städten errichten die Wettbewerber bereits erfolgreich Ortsnetze auf der Basis von Glasfaserkabeln. Eine Kupfer-Doppelader-GmbH würde noch stärker gegen die damit verbundene Entwertung ihres einzigen Guts - nämlich des Kupfernetzes - ankämpfen als es die Telekom tut. Festnetz-Anbieter auf der einen Seite und die Kabel-GmbH auf der anderen Seite wären nicht Partner, die bestmögliche Produkte für ihre Kunden kreieren, sondern Konkurrenten, die darum streiten, wer wie viel vom Gesamtumsatz, der sich mit Festnetzanschlüssen erzielen lässt, für sich abbekommt.

Regulierung, aber richtig

Leider gibt es in Deutschland eine starke Tendenz zur Remonopolisierung im Festnetzmarkt. Zwar setzen erfolgreiche lokale Anbieter, wie Netcologne in Köln, die Deutsche Telekom in diesen Regionen weiterhin stark unter Druck. Der einzige verbliebene Anbieter, der auch überregional weiterhin eigene Infrastruktur aufbaut, ist jedoch Vodafone. Telefónica vertreibt zwar ebenfalls eigene DSL-Anschlüsse, setzt für diese aber zunehmend auf Telekom-Resale statt auf eigene (z.B. zusammen mit Hansenet übernommene) Technik.

Im Festnetzmarkt ist aktuell also mehr Regulierung angezeigt. Doch wohin soll diese gehen? Darüber ist sich noch nicht einmal die unmittelbare Konkurrenz einig. Der eine wichtige Wettbewerber-Verband (BREKO) fordert niedrigere TAL-Entgelte, der andere (BUGLAS) höhere. Das Ergebnis ist, dass die TAL-Entgelte seit Jahren weitgehend unverändert bleiben, übrigens, wie von mir vor sechs Jahren vorhergesagt.

Lachender Dritter im Wettbewerbs-Zwist ist natürlich die Telekom, die sich Schritt für Schritt von der Regulierung befreit. Daran wird auch die vom BREKO nun lautstark vorgetragene Forderung der Abtrennung des Festnetzes nichts ändern. Denn durchsetzen wird sich der BREKO damit nicht.

Wichtig wären dagegen andere Regulierungs-Maßnahmen: Kein Exklusiv-Vectoring für die Telekom im Nahbereich ihrer Vermittlungsstellen. Wiederherstellung von einheitlichen Konditionen für alle Reseller von Telekom-Anschlüssen auf der Basis des Bitstrom-Zugangs - hier sollen Großkunden derzeit bevorzugt werden. Und die Aufrechterhaltung von Call by Call.

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