Themenspecial Telefon und Internet im Festnetz Breitbandausbau

Ärger um VDSL-Vectoring-Liste: 2000 Verfahren beschäftigen BNetzA

Weil der KVz-Antrag der GmündCOM im Dezember 2015 wegen eines Form­fehlers abgelehnt wurde und die Deutsche Telekom daraufhin den Zuschlag erhalten hatte, wurde der Geschäfts­führer miss­trauisch und fragte bei der Bundes­netz­agentur (BNetzA) nach - der Beginn einer kuriosen Geschichte.
Von Marc Hankmann

Ein Schild mit Bundes-Adler und dem Schriftzug "Bundesnetzagentur". Die Bundesnetzagentur benötigte zehn Monate für die Vectoring-Liste
Bild: dpa
Stephan Crummenauer hält ein Schreiben der Bundes­netz­agentur (BNetzA) in der Hand und schüttelt den Kopf. Auch, weil die Agentur schreibt, am Vorgehen der Telekom Deutschland nichts Verwerfliches erkennen zu können, aber besonders, weil er geschlagene zehn Monate auf dieses Schreiben warten musste. Monate, die ihm nun im Breit­band­ausbau fehlen - ganz abgesehen von den Kabel­verzweigern (KVz), die er dafür erschließen wollte.

Crummenauer ist Geschäfts­führer der GmündCOM GmbH, einer 100-prozentige Tochter­gesellschaft der Stadt­werke Schwäbisch Gmünd, die Telefonie und Internet anbietet. Für den Netz­ausbau stellte Crummenauer am Freitag, den 11. Dezember 2015, einen Antrag auf Erschließung mehrerer Kabel­verzweiger mit Hilfe der Vectoring-Technologie. Hierfür wird eine Liste geführt, da jeder KVz immer nur von einem Netz­betreiber mit Vectoring erschlossen werden kann. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Diese Vectoring-Liste wird sowohl von der BNetzA als auch von der Deutschen Telekom verwaltet.

Folgenschwerer Formfehler

Ein Schild mit Bundes-Adler und dem Schriftzug "Bundesnetzagentur". Die Bundesnetzagentur benötigte zehn Monate für die Vectoring-Liste
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Die Vectoring-Stelle der Telekom lehnte den Antrag der GmündCOM am Montag, den 14. Dezember 2015, ab. Die Begründung: In der Betreff­zeile der E-Mail, mit der Crummenauer seinen Antrag über­mittelte, stand "GmündCom". Die korrekte Schreib­weise für den Antrag wäre jedoch "GmuendCOM" gewesen, wie die Listen führende Stelle der Telekom per E-Mail mitteilte. Zwar war der Name in der angehängten Excel-Übersicht zur Reservierung der entsprechenden KVz richtig geschrieben, aber die Listen führende Stelle nahm es ganz genau.

Also änderte Crummenauer lediglich die Betreff­zeile und schickte den Antrag noch am selben Tag erneut an die Vectoring-Stelle, die ihn jedoch am 15. Dezember 2015 ablehnte, da an dem Freitag, als die GmündCOM ihren formell falschen Antrag einreichte, auch die Telekom Deutschland die Reservierung eben jener KVz beantragt hatte.

Misstrauen geschürt

Wenn zwei Netz­betreiber an ein und denselben Tag den gleichen Verzweiger erschließen wollen, entscheidet das frühere Ausbau­datum. In der Regel nutzen die Antrags­steller die maximale Frist von einem Jahr aus, um das Ausbau­vorhaben zu realisieren. Dementsprechend gab die GmündCOM in ihrem Antrag den 10. Dezember 2016 als Realisierungs­termin an. Die Telekom Deutschland beabsichtigte hingegen einen Tag früher, am 9. Dezember 2016, fertig zu werden. GmündCOM-Geschäftsführer Stephan Crummenauer GmündCOM-Geschäftsführer Stephan Crummenauer wartete zehn Monate auf eine Nachricht der BNetzA
Bild: dirk haeger | re:publica 2011
Dieser Umstand sowie die Tatsache, dass der Antrag der GmündCOM nicht unvoll­ständig war und nur wegen eines Form­fehlers abgelehnt wurde, schürte Crummenauers Miss­trauen, ob hier nicht doch verbotener­weise Informationen von der Vectoring-Stelle zum Unternehmen Telekom geflossen sind und die Ablehnung nur dazu diente, um der Telekom die Zeit zu geben, ihrer­seits einen Antrag einzu­reichen. Formfehler hin oder her: Der Antrag der GmündCOM hätte allein deswegen abgelehnt werden müssen, weil die Telekom die entsprechenden KVz bereits reserviert hatte. Warum also noch die Aufforderung zur Korrektur der Betreff-Zeile, fragte sich Crummenauer. Er beantragte deshalb bei der Netz­agentur ein Nach­weis­verfahren, um den Sach­verhalt zu klären.

Zehn Monate des Wartens

Der Verfahrens­antrag lag der BNetzA am 23. Dezember 2015 vor. Als Crummenauer allerdings auch bis Mitte Januar 2016 nicht einmal eine Eingangs­bestätigung der Agentur vorlag, versuchte er, die Behörde zu kontaktieren. Telefon­anrufe blieben jedoch erfolglos. E-Mails wurden nicht beantwortet. Monate verstrichen, ohne dass die GmündCOM über den Verlauf des Verfahrens in irgendeiner Form informiert wurde. Erst im Oktober 2016 erhielt der Netz­betreiber eine Antwort der Agentur, nachdem Crummenauer in Kontakt mit einem Mitglied des BNetzA-Beirats getreten war.

Das Ergebnis: Die Behörde sah keinen Grund für eine Beanstandung. Warum ein Antrag erst wegen eines Form­fehlers und dann wegen vorrangiger Erschließungs­absichten abgelehnt wurde, anstatt ihn sofort abzulehnen, spielte für die BNetzA keine Rolle. Auch der Frage, ob ein solcher Form­fehler ausreiche, um einen Antrag abzulehnen, ging die Agentur nicht nach.

2 000 Verfahren

Aber immerhin kann beantwortet werden, warum Crummenauer so lange auf die Entscheidung der BNetzA warten musste. Die Behörde scheint schlicht über­fordert, denn während die Vectoring-Stelle der Telekom Reser­vierungs­anträge lediglich formell prüft, ist die Agentur für die inhaltliche Richtig­keit dieser Anträge zuständig. Inzwischen umfasst die Vectoring-Liste rund 100 000 KVz.

Hinzu kommt, dass seit dem Auflegen der Liste im Jahr 2014 bis heute über 2 000 Verfahren bei der BNetzA eingegangen sind, die auf die Vectoring-Liste abzielen. "Es trifft zu, dass die Gesamt­zahl und Komplexität der Verfahren zur Sicher­stellung der inhaltlichen Richtig­keit der Vectoring-Liste eine Heraus­forderung darstellen", teilt die BNetzA mit. Jedoch steht nur in einer "recht geringen Zahl der Fälle" ein Fehl­verhalten der Telekom Deutschland in Rede.

Weiteres Personal notwendig

Das Dienstgebäude der BNetzA in Mainz. Die BNetzA stellte weiteres Personal ein, um den Aufwand im Rahmen der Vectoring-Liste zu bewerkstelligen
Bild: Bundesnetzagentur
Hauptsächlich geht es laut BNetzA darum, dass ein Netz­betreiber den Ausbau nicht zum angegebenen Realisierungs­termin fertig­stellen kann. Dann entscheidet die Behörde, wie es weiter­geht. "Auch wenn ein Unter­nehmen seine Ausbau­planungen ändert bzw. aufgibt und infolge­dessen die bestehende Eintragung zur Vectoring-Liste widerruft - oder den angezeigten Ausbau­termin schlicht fruchtlos verstreichen lässt - ist die Bundes­netz­agentur zu einer Prüfung berufen", erklärt sie weiter.

Die Bundes­netz­agentur versichert zwar, dass die Verfahren "im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen möglichst zeitnah bearbeitet" werden, aber sicher­heits­halber wurde wegen des hohen Arbeits­aufwands inzwischen weiteres Personal eingestellt. Immerhin existieren noch rund 200 000 Kabel­verzweiger, die noch nicht in der Vectoring-Liste stehen.

In einem ausführlichen Ratgeber erklären wir Ihnen, wie eine Vermittlungs­stelle und auch ein Kabel­verzweiger funktioniert.

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