Themenspezial: Verbraucher & Service Mediennutzung

ARD/ZDF-Trends: Sättigungs-Effekte bei Streaming-Diensten

ARD und ZDF haben die Massen­kom­muni­kation-Trends 2023 zur Medi­ennut­zung in Deutsch­land veröf­fent­licht. Für Strea­ming-Anbieter, Media­theken und YouTube wird ein erster Sätti­gungs-Effekt sichtbar.
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Die Zeit, die tags­über mit Medi­ennut­zung verbracht wird, ist im Vorjah­res­ver­gleich leicht rück­läufig, kehrt aber mit knapp sieben Stunden nicht ganz auf das Vor-Corona-Niveau zurück. Die meiste Zeit wird mit Bewegt­bild verbracht, dahinter folgen Audio und Text. Die Reich­weiten von linearem Fern­sehen und Radio liegen stabil an der Spitze. Digi­tale Video-Ausspiel­wege gewinnen insge­samt erst­mals keine neuen Nutzer hinzu: Für Strea­ming-Anbieter, Media­theken und YouTube wird ein erster Sätti­gungs-Effekt sichtbar – das sind nur einige Erkennt­nisse der ARD/ZDF-Massen­kom­muni­kation-Trends 2023.

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Der öffent­lich-recht­liche Rund­funk wird gene­ratio­nen­über­grei­fend als wichtig für die poli­tische Meinungs­bil­dung einge­stuft.

Lineares Radio und Fern­sehen weiter fest im Alltag veran­kert

Die Streamingdauer ist leicht rückläufig Die Streamingdauer ist leicht rückläufig
Screenshot: Michael Fuhr
In Deutsch­land nutzen so gut wie alle Menschen ab 14 Jahren (98 Prozent) täglich Medien. Die Tages­reich­weite von Bewegt­bild legt im Vorjah­res­ver­gleich mit 89 Prozent um einen Prozent­punkt zu. Das lineare Fern­sehen gehört weiterhin für knapp zwei Drittel der Bevöl­kerung zum Alltag: 64 Prozent werden pro Tag darüber erreicht.

Audio-Ange­bote bleiben für vier von fünf Personen ein fester Bestand­teil der tägli­chen Medi­ennut­zung. 68 Prozent nutzen wie bereits im Vorjahr täglich lineare Radio­pro­gramme.

Redak­tio­nelle Texte werden pro Tag von 58 Prozent der Menschen gelesen – ein Rück­gang von fünf Prozent­punkten. Insbe­son­dere das digi­tale Lesen von Print-Arti­keln ist rück­läufig.

Medi­ennut­zung seit Ende der Corona-Maßnahmen rück­läufig

Insge­samt ist die Medi­ennut­zungs­dauer im ersten Erhe­bungs-Jahr nach Abschaf­fung sämt­licher Corona-Maßnahmen mit 412 Minuten (2022: 420 Minuten) weiter leicht rück­läufig. Auf Videos entfällt mit 203 Minuten (minus 11 Minuten) trotz leicht rück­läu­figen Trends weiterhin der Löwen­anteil der Medi­ennut­zung, gefolgt von Audios mit 175 Minuten, die leicht an Nutzung gewinnen (plus 5 Minuten). Die Zeit, die pro Tag mit Lesen von Texten verbracht wird, fällt mit 60 Minuten auffal­lend geringer aus (minus 10 Minuten). Dazu passt, dass die Menschen nun wieder mehr Zeit außer Haus verbringen, speziell was Berufs­arbeit und Schule/Studium angeht.

Die deut­lichen Nutzungs-Zuwächse, die sich in der Corona-Pandemie über fast alle Alters­gruppen gezeigt hatten, gehören 2023 weitest­gehend der Vergan­gen­heit an. Das Nutzer-Poten­zial bei non-linearen Video-Ange­boten wächst vorerst nicht weiter: Die Zahl der regel­mäßigen Nutzer von Strea­ming­diensten und YouTube geht insge­samt sogar leicht zurück. Der in der Pandemie vorüber­gehend ausge­setzte Trend der schrump­fenden Nutzung des linearen Fern­sehens setzt sich 2023 wieder fort, aber mit 64 Prozent tägli­cher Nutzung bleibt es insge­samt der wich­tigste Ausspielweg für Bewegt­bild. Videos in sozialen Medien gewinnen insbe­son­dere in den Alters­gruppen bis 49 Jahren weiter an Bedeu­tung.

Vor allem in jungen Ziel­gruppen wird gestreamt

Wie sehr sich die Sehge­wohn­heiten in einzelnen Ziel­gruppen verän­dert haben, zeigt jedoch der Fünf-Jahres-Vergleich: Bei den unter 30-Jährigen halbiert sich die Zahl derje­nigen, die täglich lineares Fern­sehen nutzen, auf 19 Prozent. Bei den 30- bis 49-Jährigen sinkt dieser Wert auf 45 Prozent (minus 28 Prozent­punkte).

Radio bleibt stabil die wich­tigste Quelle für Audio-Inhalte: Mehr als 80 Prozent der Menschen schalten regel­mäßig ein – doppelt so viele wie bei Strea­ming­diensten. Pro Tag werden zwei von drei Menschen erreicht. Die vermehrte Rück­kehr an den Arbeits- und Ausbil­dungs­platz außer Haus schlägt sich dabei auch in einer leicht stei­genden Radio­nut­zung nieder.

Musik­strea­ming: Poten­zial vorerst erschöpft

Bei Musik-Strea­ming-Diensten und Podcasts scheint das Poten­zial vorerst ausge­schöpft zu sein: Gegen­über dem Vorjahr sind insge­samt keine Zuwächse bei der Nutzer­schaft zu beob­achten. Beide Audio-Nutzungs­formen haben sich aber vor allem bei unter 30-Jährigen als fester Bestand­teil der tägli­chen Audio­nut­zung etabliert.

Im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit geht die Audio-Hördauer insge­samt (um 11 Minuten) zurück, bei den Jüngeren ist es eine Vier­tel­stunde. Der Anteil des Radios am Audio-Zeit­budget bleibt in allen Alters­gruppen stabil und liegt wieder fast auf Vor-Corona-Niveau (78 Prozent). Strea­ming­dienste haben Tonträger weit­gehend ersetzt. Bei den unter 30-Jährigen entfallen zwei Drittel der Audio-Nutzungs­zeit auf nicht-lineare Ange­bote, dennoch hören Drei­viertel weiterhin regel­mäßig Radio.

Zur Methodik

Im Rahmen der vorlie­genden Studie wurden die Nutzer von sechs Ange­bots­kate­gorien gebeten, diese in Bezug auf verschie­dene Leis­tungs­merk­male zu bewerten: Öffent­lich-recht­liche und private Rund­funk­anbieter, Video- und Musik-Strea­ming­dienste sowie Video­por­tale und Soziale Medien.

Eines der zentralen Ergeb­nisse ist eine gene­ratio­nen­über­grei­fend hohe Rele­vanz der öffent­lich-recht­lichen Rund­funk­ange­bote für die poli­tische Meinungs­bil­dung. Diese beschei­nigen ihnen zwei Drittel der Befragten (67 Prozent). Bei Video- und Audio-Strea­ming­diensten schätzen mehr als 80 Prozent der Befragten vor allem die pass­genauen Inhalte. Social-Media-Ange­bote werden als beson­ders viel­fältig wahr­genommen, gelten jedoch im Medi­enver­gleich als abhän­giger von poli­tischen und wirt­schaft­lichen Inter­essen.

Insge­samt wurden 2000 deutsch­spra­chige Personen ab 14 Jahren in Deutsch­land befragt: 70 Prozent davon per Telefon auf Basis einer reprä­sen­tativen Dual-Frame-Stich­probe, weitere 30 Prozent über ein reprä­sen­tatives Online­panel. Die Erhe­bung des Tages­ablaufs als Kern­ele­ment der Studie erfolgte sowohl bei den Telefon-Inter­views als auch bei den Befragten im Online­panel über eine einheit­liche Eingabe-Ober­fläche.

Die Studie wurde vom Institut GIM in der Zeit von Ende Januar bis Anfang April 2023 durch­geführt. Die detail­lierte Beschrei­bung der Methode und vertie­fende Analysen werden auf der Online-Platt­form "Media Perspek­tiven" veröf­fent­licht. Die Website www.ard-zdf-massenkommunikation.de hält Daten und ergän­zende Infor­mationen bereit.

Netflix hat vor wenigen Tagen die Unterstüt­zung für einige Smart-TVs und andere Strea­ming-Geräte einge­stellt. Betrof­fene Kunden müssen handeln.

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