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Hintergrund: Der digitale Polizeifunk kommt

Die Wirtschaft steht in den Startlöchern
Von dpa / Thorsten Neuhetzki

Was in anderen Ländern längst Wirklichkeit ist, soll nun auch in Deutschland realisiert werden: Nach jahrelangem Konflikt mit den Ländern will Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) den Aufbau des digitalen Polizeifunks vorantreiben. Teile des Netzes sollen bereits bis zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 funktionsfähig sein. Das Digitalnetz soll dann bis spätestens 2010 das störanfällige und nicht abhörsichere analoge Funknetz ablösen. Die Wirtschaft steht in den Startlöchern.

Der Betreiber des Netzes ist schon gefunden: Das Rumpfnetz des Bundes soll von der Bahn-Tochter DB Telematik betrieben werden. Die Länder sollen den Rest ausbauen. Schon seit Jahren buhlen große Unternehmen um den Auftrag: T-Systems und Motorola hatten sich zu einem Konsortium zusammen geschlossen und setzen wie Konkurrent Nokia auf das Bündelfunksystem Tetra (Terrestial Trunked Radio). Auch der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS und das Telekommunikationsunternehmen Vodafone sind im Rennen.

T-Systems und Motorola wollten zusammen Aufbau und Betrieb aus einer Hand liefern. Doch mit der Vergabe des Betriebs an DB Telematik ist klar, dass der Bund an dem "Rundum-sorglos-Konzept" kein Interesse hat. "Das Prinzip 'Alles aus einer Hand' mindert Risiken, aber wir akzeptieren die politische Entscheidung", sagt Axel Birkholz, Projektleiter bei T-Systems. Dennoch ist er optimistisch, dass sein Unternehmen beim Aufbau eines digitalen Polizeifunknetzes eine wichtige Rolle spielen wird. "Für den ein oder anderen wird der Osterurlaub sehr kurz werden", sagt Birkholz.

Motorola, Nokia und T-Systems wollen Funknetz für die Länder bauen

Norbert Quinkert, Vorsitzender der Geschäftsführung von Motorola Deutschland, sieht sein Unternehmen ebenfalls gut aufgestellt: "Allein die Ausschreibung wird dafür sorgen, dass sich die Zahl der Bieter reduziert." Er sehe insgesamt noch drei oder vier Bieter. Motorola hatte im Jahr 2004 die weltweite Produktverantwortung für den Tetra-Digitalfunk an den Standort Berlin verlagert. "Im Katastrophenfall ist es von Vorteil, wenn man vor Ort ist."

Nokia bevorzugte von Beginn an eine modulare Ausschreibung. "Das ist kostengünstiger", meint Marketing-Leiter Tetra, Uwe Jakob. Besonders das Land Nordrhein-Westfalen dürfte ein Interesse an einem Zuschlag für Nokia haben: Zwei wichtige Nokia-Standorte liegen in Bochum und Düsseldorf. EADS führt Referenzen in Frankreich, der Schweiz und Tschechien an. Auf der CeBIT in Hannover präsentierte das Unternehmen ihren "Feuerwehrmann der Zukunft". Dank digitaler Übertragungstechnik kann damit die körperliche Verfassung der Helfer überwacht werden.

War die freihändige Vergabe kartellrechtlich korrekt?

Auf rund drei Milliarden Euro wird das Auftragsvolumen in Branchenkreisen geschätzt. Der Rückgriff auf DB Telematik schafft nach Einschätzung des Bundesinnenministeriums Planungssicherheit. Doch Unions-Politiker haben Bedenken angemeldet: "Vor allem der Plan, den Betrieb an die DB Telematik GmbH, die sich im Besitz des Bundes befindet, freihändig zu vergeben, wirft verfassungs-, kartell- und vergaberechtliche Fragen auf, die das Vorhaben rechtlich angreifbar machen und damit insgesamt gefährden können", meinen die Unions-Innenpolitiker Hartmut Koschyk und Ralf Göbel. Schily sieht hingegen in der "freihändigen Vergabe" keine rechtlichen Probleme. Die Entscheidung für die bundeseigene DB Telematik fiel laut Schily auch unter Sicherheitsgesichtspunkten.

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