Exklusiv: Konto-Sperrung bei Amazon - ein Insider packt aus
In der vergangenen Woche wurden Berichte über Amazon-Kunden laut, deren Konten aufgrund von zu vielen Retouren auf Lebenszeit gesperrt wurden. Die Betroffenen beklagten, von Amazon nicht wirklich über die genauen Gründe für die Sperrung aufgeklärt worden zu sein. Sie hätten zwar Waren an den Händler zurückgeschickt, doch nicht in außergewöhnlich hohem Maße, so die Aussage. Eine reine Schutzbehauptung oder doch die Wahrheit? Wir sind der Sache nachgegangen und haben mit einem Mitarbeiter des Customer Service bei Amazon gesprochen. So konnten wir Einblick in ein Vorgehen bekommen, das in vielen Fällen nicht wirklich fair erscheint.
Guter vs. böser Amazon-Kunde
Konto-Sperrung bei Amazon: Weitere Details
Bild: teltarif.de / Rita Deutschbein, Amazon
Vorab wollen wir allerdings eines deutlich machen: Es gibt immer wieder Kunden, die die eigentlich recht kulante
Rücksendepraxis von Amazon ausnutzen. Sie bestellen Artikel, sehen dass der Preis in den darauffolgenden Tagen
gesunken ist und erkundigen sich nach einem Preisnachlass. Sollte dieser nicht gewährt werden, würden sie die
Bestellung sonst zurückschicken. Da ein Rückversand für Amazon sehr teuer ist, wird der Nachlass häufig gewährt,
so der Insider.
Andere Kunden melden Gebrauchsspuren oder minimale Schäden, um ebenfalls einen Preisnachlass zu bekommen. Und das auch, wenn die Waren über Amazon Warehouse Deals explizit als gebrauchte Waren verkauft werden und man davon ausgehen muss, dass Artikel Gebrauchsspuren haben. Wieder andere bestellen sehr häufig Waren und schicken sie zurück. In einigen Fällen ist das Vorgehen besonders offensichtlich: Vor der WM wird ein Fernseher gekauft, der nach der WM retourniert wird. Oder zum Feiertag werden ein Kleid oder eine Tasche bestellt, die nach den Festlichkeiten ebenfalls wieder zurück gehen.
Jede Rücksendung kostet Amazon viel Geld. Bis zu 15 Euro oder mehr können für die Rückabwicklung eines Artikels anfallen. Dass Amazon gegen übermäßige Retouren vorgeht, ist also verständlich. Allerdings trifft die zum Teil rigorose Praxis auch Kunden, bei denen wir uns fragen, warum sie gesperrt werden. Denn ihr Bestellverhalten spiegelt das von Tausenden anderen wider und scheint für einen Riesen-Händler wie Amazon, der die unterschiedlichsten Produkte aus verschiedenen Bereichen anbietet, vollkommen im Rahmen zu liegen.
So wird ein Amazon-Kunde zum unbequemen Kunden
Laut dem Mitarbeiter des Customer Service ist es vergleichsweise einfach als Kunde ins "Visier" von Amazon zu geraten. Entgegen den Aussagen des Unternehmens ist es laut dem Mitarbeiter nicht einmal nötig, durch zu viele Retouren aufzufallen. Um das Vorgehen von Amazon besser zu verstehen, bedarf es einer Erklärung: Amazon nennt Kulanzleistungen wie Rücksendungen, Umtausch, Erstattungen und Preisnachlässe Konzession. Wendet sich ein Kunde also an den Kundenservice - sei es, um einen Preisnachlass aufgrund beschädigter Artikel oder eine Erstattung aufgrund von nicht erhaltener Ware zu fordern - macht er von den Konzessionen Gebrauch und wird zum "unbequemen" Kunden.
In einem Fall nannte der Amazon-Mitarbeiter sogar genaue Beispiele: Ein langjähriger Amazon-Kunde mit Prime-Mitgliedschaft sendete im Jahr 2015 bei knapp 190 Bestellungen insgesamt sechs Artikel zurück und bekam sechs Erstattungen sowie zusätzlich zwei Gutschriften für fehlerhafte Sendungen. Im aktuellen Jahr machte er ein einziges Mal von seinem Rücksenderecht Gebrauch, bevor er von Amazon in diesem Frühjahr gesperrt wurde. Die Konzessionen von diesem und vom vergangenem Jahr sollen sich auf 488 Euro belaufen haben.
Insgesamt sieben Rücksendungen und zwei Gutschriften wegen fehlerhafter Lieferungen innerhalb von mehr als 14 Monaten reichen für Amazon also aus, um eine Konto-Sperrung mit einer übermäßigen Anzahl von Retouren zu begründen.
Auf der nächsten Seite erklären wir, wie Amazon über eine Konto-Sperrung entscheidet und wie das Unternehmen auf einen Kunden überhaupt aufmerksam wird. Zudem decken wir auf, welche Arten der Sperrung Amazon kennt und welche Folgen sie für den Kunden haben.