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30 Jahre Linux: Wichtiges System - aber oft unsichtbar

Die meisten Menschen können mit Linux wenig anfangen, obwohl sie am Tag mehr­fach mit dem Universal-Betriebs­system in Berüh­rung kommen: Vom Navi im Auto bis zum Smart­phone. Nur die herkömm­lichen PCs konnte das freie System nicht erobern.
Von dpa /

Tux ist das Maskottchen von Linux Tux ist das Maskottchen von Linux
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Die Geschichte des univer­sellen Betriebs­sys­tems Linux, das quasi jeder nutzt, begann mit einer gewal­tigen Tief­sta­pelei. "Ich arbeite an einem (freien) Betriebs­system (nur ein Hobby, wird nicht groß und profes­sio­nell ...)", schrieb der finni­sche Student Linus Torvalds am 25. August 1991.

Er konnte sich damals nicht vorstellen, dass Linux 30 Jahre später nicht nur auf rund 80 Prozent aller Smart­phones laufen wird, sondern in fast jedem modernen Auto und anderen unzäh­ligen Geräten steckt. Selbst der Mars-Hubschrauber "Inge­nuity", der zusammen mit dem Boden­fahr­zeug "Perse­ver­ance" den roten Planeten erkundet, wird mit Hilfe von Linux ange­trieben.

Eines der erfolg­reichsten Systeme

Linux war anfangs nur dafür gedacht, auf den weit verbrei­teten PCs mit x86-Chips von Intel zu laufen. Die von Torvalds fest­gelegte Archi­tektur war aber schon damals im Prinzip dafür geeignet, unab­hängig von der vorhan­denen Hard­ware als Betriebs­system einge­setzt zu werden. Heute laufen sämt­liche Hoch­leis­tungs­rechner der Welt aus der Top-500-Liste mit dem freien Betriebs­system und haben hier dem tech­nisch verwandten Unix den Rang abge­laufen. Linux konnte aber auch auf Smart­phones laufen, denn das System wurde das Funda­ment für Android von Google.

Im Gegen­satz zu kommer­ziellen Soft­ware-Platt­formen wie Windows von Micro­soft war Linux von Anfang frei im doppelten Wort­sinn: frei wie freie Rede und frei wie Frei­bier. Dass dabei keine Lizenz­zah­lungen fällig wurden, förderte die Verbrei­tung unge­mein. Dazu kamen frühe tech­nische Grund­satz­ent­schei­dungen Torvalds' und seines Teams, die sich im Rück­blick als gold­richtig erwiesen haben, beispiels­weise der Einbau des Internet-Proto­kolls TCP/IP. Tux ist das Maskottchen von Linux Tux ist das Maskottchen von Linux
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Welt­weit verteilte Program­mie­rung funk­tio­nierte

Torvalds und seine Mitstreiter stießen anfangs beson­ders in der eigenen Szene auf Wider­spruch. So konnte sich der einfluss­reiche Infor­matiker Andrew Tanen­baum nicht vorstellen, wie ein verteiltes Program­mieren gelingen soll: "Ich denke, dass die Koor­dina­tion von 1000 Prima­donnen, die überall auf der ganzen Erde leben, genauso einfach ist wie Katzen zu hüten", schrieb Tanen­baum in einer inzwi­schen legen­dären Debatte im Usenet.

Doch das verteilte System funk­tio­nierte. Und mit der stei­genden Verbrei­tung von Linux wurden auch große Soft­ware-Konzerne nervös. "Linux ist ein Krebs­geschwür, das in Bezug auf geis­tiges Eigentum alles befällt, was es berührt", polterte 2001 der dama­lige Micro­soft-Chef Steve Ballmer in einem Inter­view. Er störte sich an der Grund­idee der freien Soft­ware: Der Quell­code von Soft­ware darf kein Betriebs­geheimnis sein, sondern wird allen Inter­essierten offen bereit­gestellt. Dann können andere den Code verbes­sern und ergänzen, müssen ihn aber wieder für die Commu­nity bereit­stellen. Unter Ball­mers Nach­folger Satya Nadella schloss Micro­soft seinen Frieden mit Linux und setzt das System bei einigen Cloud-Anwen­dungen selbst ein.

Open Source hat sich durch­gesetzt

Eine Programm-Entwick­lung als "Open Source" wie bei Linux wird inzwi­schen bei vielen aufwen­digen Soft­ware­pro­jekten quasi voraus­gesetzt. So entstand die Corona-Warn-App des RKI quelloffen und unter einer freien Lizenz. Über die Platt­form Github konnte der Programm­code einge­sehen und Ände­rungs­vor­schläge an die App-Macher des Soft­ware-Konzerns SAP und der Deut­schen Telekom einge­reicht werden.

Linux ist aller­dings nicht in sämt­lichen Berei­chen der Durch­marsch gelungen. Mit der Linux-Vari­ante Android domi­niert das System den Massen­markt der Smart­phones. Und auch die meisten Web-Server im Netz laufen unter Linux. Doch ausge­rechnet bei der Platt­form, für die Linux vor 30 Jahren erfunden wurde, nämlich bei den gewöhn­lichen Desktop-Rech­nern, spielt das System eine unter­geord­nete Rolle.

Die Analytik-Firma Stat­counter verzeich­nete für Linux zuletzt einen Markt­anteil von knapp 2,4 Prozent, während Windows auf 73 Prozent der PCs instal­liert war. Zum Linux-Lager kann man noch die 1,2 Prozent für die trag­baren Chrome­books mit der Google-Soft­ware Chrome OS rechnen, bei der es sich eben­falls um eine Linux-Vari­ante handelt. Die Domi­nanz von Micro­soft wurde in den vergan­genen Jahren noch am ehesten von Apple mit dem Betriebs­system macOS in Frage gestellt. Die Apple-Soft­ware kommt derzeit auf 15,4 Prozent Markt­anteil.

Auf Desktop domi­niert weiter Windows

Dass Linux auf dem PC nie richtig Fuß fassen konnte, hat mehrere Gründe: Zum einen liefern Hersteller wie Lenovo, Dell und HP ihre Geräte nicht "nackt" ohne Betriebs­system aus, sondern mit einem vorin­stal­lierten Windows. Für die Käufe­rinnen und Käufer ist auch nicht ersicht­lich, wie hoch der Anteil für Windows am Kauf­preis ist, denn der wird nicht geson­dert ausge­wiesen.

Lange war es für tech­nische Laien auch recht kompli­ziert, Linux zu instal­lieren. Inzwi­schen können zwar Linux-Distri­butionen wie Ubuntu mit wenigen Maus­klicks zum Laufen gebracht werden. Doch dem System eilt immer noch der Ruf voraus, kompli­ziert zu sein. Und in der frühen Linux-Phase fehlten auch die Anwen­dungen, die man als Windows- oder Mac-User kennt. Manche gibt es bis heute nicht, etwa Adobe Photo­shop, die Office-Programme von Micro­soft oder viele Spiele. Linux-Befür­worter weisen darauf hin, dass etliche Programme für die Bild­bear­bei­tung, die tägli­chen Büro-Aufgaben oder zum Spielen längst vorhanden sind. Aber selbst Torvalds räumte 2014 ein, dass es für Program­mierer "verdammt kompli­ziert" sei, Anwen­dungen für Linux zur Verfü­gung zu stellen, weil es kein einheit­liches System gebe, sondern die unter­schied­lichsten Linux-Distri­butionen.

Hard­ware-Kompa­tibi­lität: Firmen müssen mitma­chen

Als der führende Entwickler des Linux-Betriebs­sys­tem­kerns (Kernel) hat Torvalds nur bedingt Einfluss darauf, wie die unter­schied­lichen Vari­anten gestaltet werden. Außerdem ist er darauf ange­wiesen, dass Hard­ware-Hersteller mitziehen und geeig­nete Treiber zur Verfü­gung stellen. Wenn ein Hersteller wie der Grafik­kar­ten­anbieter Nvidia sich verwei­gert, bleibt ihm nichts weiter übrig, als ihn auf offener Bühne zu beschimpfen und den Stin­kefinger zu zeigen. Um Torvalds ist es in den vergan­genen Jahren ruhiger geworden, auch weil sich der Vater des freien Betriebs­sys­tems 2018 selbst eine Auszeit nahm.

Inzwi­schen ist Torvalds wieder aktiv und teilt auf den Mailing-Listen rund um die Linux-Entwick­lung hin und wieder kräftig aus. Zuletzt machte er Schlag­zeilen, als er dort Impf­skep­tiker zurecht­wies: "Sie wissen nicht, wovon Sie spre­chen, Sie wissen nicht, was mRNA ist und Sie verbreiten dumme Lügen."

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