Jubiläum

20 Jahre Open Source Initiative

Wikipedia, Mozilla, Linux und viele andere offene Projekte sind seit Jahren Bestandteil des digitalen Alltags unzähliger Menschen. Vor 20 Jahren zur Gründung der Open Source Initiative mussten die Aktivisten aber noch gegen Vorbehalte ankämpfen.
Von dpa / Stefan Kirchner

Open Source Software Heute ist Open Source kaum noch wegzudenken
Logo: opensource.org, Bild: alphaspirit - fotolia.com, Montage: teltarif.de
Das Urteil von Steve Ballmer fiel vernichtend aus. Das offene Betriebs­system Linux sei "ein Krebsgeschwür", das "alles befällt, was es berührt", sagte der damalige Microsoft-Chef im Jahr 2001 in einem Zeitungs­interview. "Die Art und Weise, wie die Lizenz formuliert wurde, sorgt dafür, dass Sie Ihre gesamte Software als Open-Source-Software deklarieren müssen, sobald sie irgendeine Open-Source-Software verwenden."

Linux war zu diesem Zeitpunkt bereits 10 Jahre alt und wurde von Ballmer längst als Bedrohung des Geschäfts­modells von Microsoft empfunden. Zuvor hatte bereits ein anderes Projekt mit akademischen Wurzeln den Software­riesen aufgeschreckt. 1993 hatte Marc Andreessen an der University of Illinois den ersten Mosaic-Browser entwickelt und sich später mit Netscape daran gemacht, seine Software zur führenden Plattform im World Wide Web zu machen (Rückblick auf Netscape). Microsoft-Gründer Bill Gates nahm die Heraus­forderung an, ließ den Internet Explorer entwickeln und zettelte damit den Browser-Krieg an, in dem Netscape dann den Kürzeren zog.

Ein Manifest der Open-Source-Entwicklung

Open Source Software Heute ist Open Source kaum noch wegzudenken
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Netscape ging in der Niederlage gegen Microsoft aber nicht spurlos unter, sondern hinterließ der Szene den Quelltext des Netscape Navigators, der wirtschaftlich scheinbar nicht mehr zu verwerten war. Aus diesem Code entstand dann später das äußerst erfolgreiche Mozilla-Projekt mit dem Firefox-Browser. Die Netscape-Führung ließ sich bei ihrer Entscheidung maßgeblich von dem Essay "Die Kathedrale und der Basar" leiten, das die US-Hacker-Legende Eric S. Raymond erstmals auf einem Linux-Kongress am 22. Mai 1997 in Würzburg öffentlich vorgetragen hatte.

In dem Text beschreibt Raymond die Vor- und Nachteile der im Open-Source-Bereich inzwischen weit verbreiteten Entwicklungs­methode des "Basars" gegenüber der traditionellen Methode, die er "Kathedrale" nennt. "Nach Auffassung der Erbauer der Kathedrale sind Programmier­fehler und Entwicklungs­probleme knifflige, tief gehende und heimtückische Erscheinungen." Es dauere Monate der Analyse, um Zuversicht in die Fehler­freiheit des Codes zu bilden. "Daher die langen Intervalle zwischen den Freigaben und die langen Gesichter, wenn eine lang erwartete Release nicht fehlerfrei ist." Auf dem Basar funktioniere das ganz anders. "Man geht davon aus, dass Fehler ein sehr triviales Phänomen sind, (...) wenn (der Code) tausend begeisterten Mit-Entwicklern ausgesetzt wird, die nach jedem neuen Release darauf herum trampeln."

Vor 20 Jahren, am 3. Februar 1998, traf sich Open-Source-Vordenker Raymond mit anderen Aktivisten in Palo Alto im Herzen des Silicon Valley, um die Open Source Initiative (OSI) als gemeinnützige Organisation zu gründen. Seitdem wacht die OSI über die Grund­prinzipien: Der Quellcode (Source Code) von Software darf kein Betriebs­geheimnis sein, sondern wird allen Interessierten offen bereit­gestellt. Dann können andere den Code verbessern und ergänzen, müssen ihn aber wieder für die Community bereitstellen.

Open Source erobert die Geschäftswelt

Diese Grundidee von freier Software schien über Jahre hinweg mit dem kommerziell betriebenen Software-Geschäft kaum vereinbar. Wie kann man mit freier Software Geld verdienen, wenn diese in der Regel kostenlos verteilt wird? Und wie funktioniert ohne klassische Hierarchie-Strukturen eine Qualitäts­kontrolle? Die Aktivisten fanden darauf jedoch Antworten. So wurden beispielsweise Firmen wie SuSE und Red Hat auch kommerziell erfolgreich, weil sie kosten­pflichtige Dienst­leistungen rund um die offene Software bereit­stellen. Google erwirtschaftet seine Werbe-Milliarden auch auf der technischen Basis von Open-Source-Projekten.

Die etablierten Software­konzerne taten sich aber schwer mit der Idee. Der damalige Microsoft-Boss Ballmer erhielt damals auch von anderen CEOs kommerziell orientierter Unternehmen für seine Verdammung der offenen Software als "Krebs" viel Beifall. Die Open-Source-Kritiker konnten aber nicht verhindern, dass offene Projekte wie das Betriebs­system Linux, die Software-Entwicklungsplattform Git oder die inzwischen zu Oracle gehörende Datenbank MySQL quasi flächen­deckend eingesetzt werden.

Ballmer-Nachfolger Satya Nadella hat auch längst seinen Frieden mit den Open-Source-Plattformen geschlossen. So sorgte er dafür, dass in der Microsoft-Cloud-Plattform Azure auch Linux - und nicht nur das hauseigene Betriebs­system Windows - einen sicheren Platz finden kann. Als Nadella auf der Entwickler-Konferenz Build 2016 eine Kooperation mit dem Linux-Anbieter Red Hat ankündigte, erschien hinter ihm eine Folie, auf der "Microsoft loves Linux" zu lesen war. Ein Kommentator auf Twitter fasste seine Verwunderung so zusammen: "(Das Linux-Tool) Bash auf Windows muss für Microsoft so sein wie für Star Trek, als zum ersten Mal Klingonen mitfliegen durften." Und das Fachmagazin PC World meinte schockiert: "Die Hölle friert zu."

In einem weiteren Artikel lesen Sie, dass die Verschmelzung von Open-Source-Software und geschlossener Software auch ihre Tücken haben kann.

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