Herbe Kritik an Zalando: Arbeitsbedingungen im Online-Handel erneut im Fokus
Kritik an Zalando wirft Schlaglicht auf Online-Handel
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Online-Handel ist eine praktische Sache für
Verbraucher. Die Preise sind niedrig, die Einkäufe kommen per Post
nach Hause, was nicht passt oder nicht gefällt, geht wieder zurück.
Doch zum Online-Handel gehört auch ein hartes Geschäft hinter den
Kulissen. Wichtiges Glied in dieser Kette sind riesige
Logistik-Zentren, in denen die Artikel per Hand aus kilometerlangen
Regalen geholt werden. Der scharfe Wettbewerb zwischen den Anbietern
sorgt für Preiskämpfe und hauchdünne Margen der Anbieter, bei denen
es nichts zu verschenken gibt.
Mit dieser Kehrseite der neuen Shopping-Welt im Netz beschäftigt sich der Kunde meistens nur in einem Fall: Wenn Berichte über schlechte Arbeitsbedingungen in den Warenlagern für Schlagzeilen sorgen. Anfang vergangenen Jahres traf es in Deutschland den weltweiten Branchenführer Amazon. Jetzt knöpfte sich die RTL-Sendung Extra den Modehändler Zalando vor. Eine Reporterin schlüpfte für drei Monate in die Rolle einer "Pickerin" - so heißen die Menschen, die Tag für Tag durch die Gänge laufen, um bestellte Waren aus den Regalen zu fischen - für 8,79 Euro Stundenlohn.
Recherchen mit versteckter Kamera
Kritik an Zalando wirft Schlaglicht auf Online-Handel
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Ihren Alltag filmte sie mit versteckter Kamera. Zu sehen sind zum
Beispiel Vorgesetzte, die erzählen, dass Sitzen während der
Arbeitszeit vielleicht nicht verboten, aber jedenfalls "unerwünscht"
sei. Anhand der Informationen aus dem Waren-Scanner, der sie durch
die riesige Lagerhalle steuert, wird die verdeckt recherchierende
Journalistin ermahnt, weil sie 37 Minuten lang keinen Artikel geholt
habe. Die Rede ist auch von verdachtslosen Personenkontrollen und
einer Belohnung von 500 Euro für Mitarbeiter, die auf einen Dieb aus
dem Kollegenkreis hinweisen würden.
Die Berichterstattung entspreche nicht presserechtlichen Standards, man sei nicht um eine Stellungnahme [Link entfernt] gebeten worden und wolle sich nicht auf Grundlage eines solchen Beitrags unter Druck setzen lassen, sagt Zalando-Sprecher Boris Radke. Ein RTL-Sprecher betont hingegen, die Reporterin habe sich mit einem langen Fragenkatalog an Zalando gewandt und dem Unternehmen vier Tage Zeit für eine Antwort gegeben. Zalando sagt aber auch, die im TV vorgeführten Beispiele entsprächen nicht der Firmenpolitik. So werde die 500-Euro-Prämie, die "völliger Unsinn" sei, abgeschafft. Das Sitzverbot sei "Quatsch" und es soll auch keine Kontrolle geben, wie lange einzelne Mitarbeiter untätig seien.
Nun wurden einige Vorfälle aber auf Video eingefangen und sind damit ganz eindeutig passiert. "Es wird immer Fehler geben", sagt Radke, der jetzt die Tage in dem betroffenen Logistik-Zentrum in Erfurt verbringt. "Wir haben nie behauptet, dass wir der beste Arbeitgeber der Welt sind." Der Erfurter Standort sei zu schnell aus dem Boden gestampft worden. Rund 2 000 Menschen arbeiten dort, es gebe rund 30 Abteilungsleiter, von denen vielleicht manche zu schnell in den Führungsjob gekommen seien, räumt der Sprecher ein.
Zalando: In jedem Unternehmen stoße man auf Missstände
Zalando-Logistikzentrum in Erfurt
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Zalando geht es vor allem um die Feststellung, dass hinter den
Situationen kein System stecke. In jedem Unternehmen stoße man auf
Missstände, wenn man lange genug suche. In einer anonymen
Mitarbeiter-Umfrage hätten 88 Prozent erklärt, dass ihnen die Arbeit
Spaß mache. Es gebe Kästen für anonyme Hinweise, das Büro des
Standortleiters stehe jede Woche für eine Stunde jedem Mitarbeiter
offen.
Den Vorwürfen, Mitarbeitern würde ärztliche Versorgung erschwert, hält Zalando entgegen: Der Krankenwagen werde im Schnitt ein bis drei Mal pro Woche gerufen, aber eher weil der Betriebsarzt übervorsichtig sei. Und wenn ein Mitarbeiter längere Zeit nicht aktiv sei, müsse man das allein schon für den Fall im Auge behalten, dass ihm in der riesigen Halle etwas zugestoßen sein könnte. Auch Zalando räumt ein, dass die "Picker" zehn bis 15 Kilometer pro Schicht laufen. Im Bericht war ein Spitzenwert von 27 Kilometern genannt worden.
Die verdeckte Recherche der Reporterin hat nun ein juristisches Nachspiel: Wegen des Verdachts auf Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen hat die Erfurter Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen. Der Sender sieht juristischen Schritten gelassen entgegen.
Es nicht die ersten TV-Vorwürfe gegen Zalando. Im Jahr 2012 hatte die ZDF-Sendung "Zoom" die Arbeitsbedingungen im Warenzentrum Großbeeren angeprangert, auch damals schon war von einem Sitzverbot die Rede. In einem Nachklapp wurden dem Unternehmen Besserung bescheinigt. Zalando ist dennoch ein rotes Tuch für viele. Angetrieben durch die allgegenwärtige Werbekampagne wurden die Berliner zum führenden Modehändler Deutschlands und machen Online-Rivalen das Leben schwer. Die Rücksendequote von schätzungsweise 50 Prozent sorgt für enormen Kostendruck und nach wie vor rote Zahlen.
In dieser Situation entwickelt sich die Logistik, in der ein großer Teil der Kosten anfällt, für den Online-Handel zu einem Brennpunkt, in dem höchstmögliche Effizienz herrschen muss. Amazon liegt in Deutschland schon seit Monaten im Clinch mit der Gewerkschaft Verdi, die mit immer neuen Streikaktionen kämpft. Der US-Konzern richtete seine neuen Lager in Polen und Tschechien ein - was mit Logistik-Vorteilen begründet wird.