So wurden zahlreiche WLAN-Radios über Nacht "kastriert"
Wie berichtet wurden zahlreiche WLAN-Radios quasi über Nacht auf einen neuen Datenbank-Anbieter umgestellt. Betroffen sind Geräte vieler Hersteller wie Clint, Como Audio, Hama, Sangean und TechniSat, um nur einige Beispiele zu nennen. Dabei begannen die Probleme eigentlich schon viel früher, wie Besitzer betroffener Internetradio-Empfänger immer wieder feststellen mussten.
Vor allem an Wochenenden und Feiertagen kam es immer wieder zu Zugriffsproblemen auf die Webradio-Programme. Dabei spielte es keine Rolle, ob der Nutzer auf seine zuvor selbst gespeicherten Favoriten oder auf ein Programm aus der allgemein verfügbaren Datenbank zugreifen wollte. Zum Teil dauerte es sehr lange, bis der gewünschte Stream gefunden und schließlich wiedergegeben wurde.
Viele WLAN-Radios waren vorübergehend verstummt
Foto: teltarif.de
Stundenlanger Ausfall am 1. Mai
In manchen Fällen klappte der Radioempfang auch gar nicht und der mutmaßliche Radiohörer musste abwarten, bis die offensichtlichen Überlast-Probleme beim Server behoben waren. Das war meistens innerhalb weniger Minuten der Fall. Hin und wieder kam es aber auch zu stundenlangen Ausfällen - zuletzt am 1. Mai.
Die betroffenen Geräte haben eines gemeinsam: Die Chipsätze kommen von Frontier Silicon, das auch das Webradio-Portal bereitstellt, über das die Nutzer bislang ihre Favoriten verwalten und eigene Streams hinzufügen konnten. Die Datenbank, auf die Frontier Silicon zugegriffen hatte, um den Katalog an Webradioprogrammen und Podcasts bereitzustellen, kam wiederum von vTuner.
vTuner hat sein Portal seit Jahren vernachlässigt
vTuner gehört zu den Pionieren in Sachen Webradio-Datenbanken. Allerdings hat der Anbieter das Portal in den vergangenen Jahren kaum noch weiterentwickelt. Die Webseite ist nicht einmal HTTPS-verschlüsselt, die Neuaufnahme von Radiostationen dauerte zum Teil sehr lange. Auch für den stundenlangen Diensteausfall am 1. Mai machte Frontier Silicon den Datenbankanbieter verantwortlich. Dieser könne zudem "die Bereitstellung von Diensten nach Ablauf der Woche ab dem 6. Mai" nicht gewährleisten.
Frontier Silicon handelte und stellte alle betroffenen WLAN-Radios auf die Datenbank eines anderen Dienstleisters, Airable, um. Das geschah sehr kurzfristig und selbst aus Kreisen der WLAN-Radio-Hersteller war zu erfahren, dass diese im Vorfeld nicht informiert wurden. Die Umstellung ist in der Nacht vom 7. auf den 8. Mai erfolgt. Wir haben mit drei WLAN-Radios, dem Hama DIR-3100, dem Sangean WFT-1D plus und dem Sangean WFT-3, ausprobiert, was dabei passiert ist und welche Änderungen sich für die Nutzer ergeben haben.
Ansageschleife: "Bitte speichern Sie Ihre Programme neu ab"
Radio Caroline North ist mit dem Hama DIR-3100 nicht mehr zu hören
Foto: teltarif.de
Nach dem Einschalten des Empfängers wurde das zuletzt gehörte Programm nicht mehr wiedergegeben. Stattdessen war eine Hinweisschleife zu hören, nach der eine "Änderung beim Internetradio-Service" das erneute Abspeichern der gewünschten Programme erforderlich macht. Je nach Empfangsgerät wurde auch ein entsprechender Hinweis auf dem Display angezeigt.
Auf den zweiten Blick fiel auf: Auch die Menüstruktur des WLAN-Radios hat sich geändert. Das Hauptmenü für den Webradio-Empfang besteht nun aus vier Punkten: Ganz oben werden einige Programme aus dem Land angezeigt, aus dem die IP-Adresse des verwendeten Internet-Zugangs stammt. Darunter gibt es die Punkte Sender, Podcasts und Hilfe.
Sender-Menü nach Ländern und Genres geordnet
Das Sender-Menü ist nach Ländern und Genres unterteilt. Darunter gibt es eine Suchfunktion, ein Menü für populäre Sender (die offenbar von den Nutzern der Datenbank häufiger gehört werden) und ein Punkt, unter dem neu aufgenommene Radiostationen zu finden sind. Diese Menüstruktur erinnert ein bisschen an die Receiver-Radio-App für iOS und Android - kein Wunder, denn auch diese App basiert auf den Daten von Airable.
Ruft man das Länder-Menü auf, so sind die Regionen zunächst nach Kontinenten sortiert. Bei großen Staaten wie den USA gibt es zudem noch eine Unterteilung in Regionen bzw. Bundesstaaten. Am Mittwochvormittag, also kurz nach der Umstellung auf den neuen Datenbank-Anbieter, war der Zugriff auf die Senderlisten zum Teil sehr langsam. Erinnerungen an die Probleme, die schon mit vTuner als Dienstleister auftraten, wurden wach.
Anfangsprobleme schnell behoben
WCBS-FM ist offiziell nur in den USA empfangbar
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Wenige Stunden später war das Problem behoben und seitdem funktioniert die Navigation durch die Menüs schneller als je zuvor. Die in der Datenbank verfügbaren Programme lassen sich als Favoriten einrichten, sodass auch wieder ein schneller Zugriff auf die gewünschten Radiostationen möglich ist. Allerdings fehlt die komfortable Favoritenverwaltung am Desktop. Das bisherige Frontier-Silicon-Portal gibt es nicht mehr und soll nach Angaben auf der Webseite auch nicht wieder eingeführt werden.
Somit ist es nun auch nicht mehr möglich, eigene Streams zu programmieren. Radioprogramme, die in der Airable-Datenbank nicht gelistet sind, lassen sich mit den betroffenen WLAN-Radios damit gar nicht mehr empfangen. Frontier-Silicon empfiehlt für solche Fälle, ein Support-Ticket zu eröffnen, um die jeweilige Station hinzufügen zu lassen. Das soll innerhalb von 48 Stunden klappen.
In der Tat hatte Airable auch in der Vergangenheit selbst an Wochenenden sehr schnell reagiert, wenn es um den Wunsch ging, neue Programme aufzunehmen. Leider hat das aber Grenzen, die nicht oder nur bedingt in der Verantwortung des Datenbank-Anbieters liegen. So gibt es Programmanbieter, die ihre Streams nur in den Heimatmärkten gelistet haben möchten, auch wenn diese nicht geogeblockt sind und technisch weltweit empfangbar wären.
Diese Programme bleiben außen vor
Telstar Radio ist auch in der Airable-Datenbank zu finden
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Die vom Bauer-Konzern in Großbritannien produzierten Programme Greatest Hits Radio und Planet Rock sind Beispiele für "Geoblocking ohne Geoblocking". Wer über einen Internet-Zugang mit britischer IP-Adresse verfügt, findet diese Stationen in den einschlägigen Datenbanken. Wer über einen deutschen Internet-Zugang online geht, bekommt die Programme hingegen nicht angezeigt. Bislang ließen sich die Streams manuell für die WLAN-Radios nachprogrammieren. Das ist nun nicht mehr möglich.
In den USA ist iHeartRadio das wohl größte Netzwerk von Radioprogrammen. Die meisten Stationen streamen auch ins Internet und sind dabei nicht einmal geogeblockt. Technisch ist der Empfang somit auch in Deutschland möglich. iHeartRadio will die Programme aber neben UKW und HD Radio (dem amerikanischen DAB+-Pendant) nur über seine eigenen Apps verbreiten. Ergo tauchen Programme wie KOST 103.5 aus Los Angeles oder Big 105.9 aus Miami nicht einmal in den USA in Datenbanken für WLAN-Radios auf, geschweige denn im Ausland. Bislang konnten Interessenten durch manuelles Hinzufügen der Streams die Sender trotzdem empfangen. Diese Funktion ist ersatzlos weggefallen.
Auch "Teilzeit-Sender" werden nicht gelistet
Ein weiteres Beispiel für Radiostationen, die verständlicherweise nicht in weltweite Datenbanken aufgenommen werden, ist Radio Caroline North. Dieses Programm des ehemaligen Seesenders, das in Zusammenarbeit mit Manx Radio von der Isle of Man produziert wird, ist nur an einem Wochenende im Monat aktiv, ansonsten hört man auf dem Stream ganz einfach nichts.
Hinweisschleife nach Abschaltung des vTuner-Zugangs
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Dazu gibt es Hobby-Radioprojekte, bei denen der Stream nur dann aktiv ist, wenn der Moderator gerade Lust dazu hat. Auch solche Programme finden sich in keiner Datenbank. Diese Sender sind mit WLAN-Radios, bei denen der Hörer keine eigenen Streams programmieren kann, nicht zu empfangen. Die Einschränkung, die mit dem Wechsel des Datenbank-Lieferanten einhergeht, ist somit durchaus erheblich, auch wenn die Mehrzahl der Nutzer die meisten gewünschten Sender weiterhin finden werden.
UNDOK-App weiterhin nutzbar
Weiterhin nutzbar ist die UNDOK-App für Android und iOS, über die sich alle neueren WLAN-Radios mit Frontier-Silicon-Chipsatz steuern lassen. Über die App funktioniert die Suchfunktion nach Programmen auch etwas komfortabler als direkt am Empfangsgerät. Ohne dass ein App-Update erforderlich war, wurde auch hier automatisch die neue Menüstruktur übernommen.
Erfreulich ist zudem, dass nicht nur neuere WLAN-Radios wie das Hama DIR-3100 und das Sangean WFT-3 problemlos auf die neue Plattform migriert werden konnten. Auch bei dem fast zehn Jahre alten Sangean WFT-1D plus ist das neue Menü verfügbar, die bei Airable gelisteten Programme lassen sich problemlos wiedergeben. Einmal führte der Sangean WFT-1D plus im Dauertest einen unvermittelten Neustart durch, dessen Ursache sich nicht klären ließ. Ansonsten lief auch dieses Gerät bislang tadellos.
Bei der Nutzung der neuen Webradio-Datenbank am WLAN-Radio fällt speziell bei amerikanischen Radiostationen auch eine Verbesserung gegenüber vTuner auf: In den USA senden viele Stationen mit 64 kBit/s in MP3 und AAC+. Der MP3-Stream klingt bei dieser niedrigen Bitrate grausam, in AAC+ ist der Sound deutlich besser. vTuner hatte oft nur die schlecht klingenden MP3-Streams gelistet, bei Airable sind auch die AAC+-Streams verfügbar. Allerdings lassen sich diese nicht gezielt aufrufen, sodass es zum Teil Glückssache wird, auf welchem der beiden Ausspielwege man als Hörer landet.
Fazit: Handeln war richtig - Nachbesserung erforderlich
In der UNDOK-App wurde das neue Menü automatisch übernommen
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Die technischen Störungen bei vTuner waren schon seit langer Zeit inakzeptabel. Grundsätzlich ist es daher zu begrüßen, dass Frontier Silicon gehandelt und somit gewährleistet hat, dass die angeschlossenen WLAN-Radios funktionstüchtig bleiben. Die Datenbank von Airable weist - genauso wie jedes andere vergleichbare Verzeichnis - Lücken auf. Dafür reagiert der Anbieter sehr schnell auf Wünsche für Neuaufnahmen von Radiostationen.
Es bleibt aber das sehr große Manko, dass die Nutzer keine eigenen Streams mehr nutzen können und somit zwingend auf das Angebot angewiesen sind, das ihnen der Portalbetreiber offeriert. Hier sollten die Gerätehersteller auf Frontier Silicon einwirken, um zu erreichen, dass diese Funktion wieder aufgenommen wird.