Zweifel

EU zu Vectoring: Deutsche BNetzA behindert den Wettbewerb

Es zeichnet sich mehr und mehr ab, dass der Vectoring-Konsultationsentwurf der BNetzA bei der EU keinen Anklang findet. Im Gegenteil: EU-Digitalkommissar Günther Oettinger fürchtet eine Behinderung des Wettbewerbs und bezweifelt, dass die Ideen mit EU-Recht vereinbar sind.
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EU zu Vectoring: Deutsche BNetzA behindert den Wettbewerb EU zu Vectoring: Deutsche BNetzA behindert den Wettbewerb
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Vor rund einer Woche hat die EU deutliche Bedenken zum Vectoring-Konsultationsentwurf der Bundesnetzagentur geäußert - teltarif.de berichtete. Die BNetzA hatte die Sache seinerzeit so dargestellt, dass die EU das dreimonatige sogenannte Phase-II-Prüfverfahren hauptsächlich deswegen einleitet, weil die EU-Kommission mehr Zeit für eine Prüfung benötigt. Nun sickert vermehrt durch: Der EU geht es gar nicht primär um mehr Zeit für eine Prüfung, sondern sie sieht deutliche Wetbewerbsverzerrungen, für die die BNetzA verantwortlich sein könnte, sollte der Entwurf wie geplant umgesetzt werden.

Der Wettbewerber-Verband Breko veröffentlichte heute ein bislang kaum auffindbares ausführliches Schreiben von EU-Digitalkommissar Günther Oettinger an BNetzA-Präsident Jochen Homann. Dieses geht mit den BNetzA-Vorschlägen zum Teil hart ins Gericht.

EU sieht schwere Mängel im Entwurf

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Die Kommission stellt in dem Schreiben fest, dass die BNetzA das Layer-2-Produkt mit aktivem Zugang aufgrund seines im Vergleich zum entbündelten lokalen Zugang begrenzten Funktionsumfangs weiterhin dem zentralen Zugangsmarkt zuordnet. Gleichzeitig scheint die BNetzA nach Auffassung der EU zu argumentieren, "dass der Verlust der Möglichkeiten für die physische Entbündelung durch ein aktives Layer-2-Produkt angemessen ausgeglichen werden könne". Die EU bemängelt allerdings "offensichtliche Mängel in der Marktdefinition der BNetzA für den auf der Vorleistungsebene lokal und zentral bereitgestellten Zugang an festen Standorten".

Im Schreiben verweist die Kommission nochmals darauf, dass der Standpunkt der BNetzA widersprüchlich erscheint und "auf einen ernsten Mangel in der gesamten Marktanalyse der BNetzA" schließen lässt. Denn einerseits soll das Layer-2-Produkt als Ersatz für den physischen Zugang dienen, andererseits wurden die beiden Produkte in der vorherigen Marktdefinition als nicht austauschbar bezeichnet. Die EU fordert die BNetzA klar dazu auf, "in Deutschland ein angemessenes, verhältnismäßiges und objektiv gerechtfertigtes Zugangssystem für Breitbandmärkte" sicherzustellen.

"Maßnahmenentwürfe, mit denen Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht in Deutschland Verpflichtungen auferlegt werden, können sich unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell darauf auswirken, ob in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Unternehmen in der Lage sind, elektronische Kommunikationsdienste anzubieten", konstatiert die EU. Die Notifizierung der BNetzA beinhalte Maßnahmen, die sich "erheblich auf die Betreiber und Nutzer in anderen Mitgliedstaaten auswirken". Die vorgeschlagenen Maßnahmen könnten sogar "Einfluss auf das Handelsmuster zwischen Mitgliedstaaten nehmen und möglicherweise Hemmnisse für den Binnenmarkt schaffen".

Regelung wohl nicht mit EU-Recht vereinbar

Die Kommission äußert in dem Schreiben "erhebliche Zweifel, dass die von der BNetzA vorgeschlagenen Maßnahmen in Bezug auf die Fähigkeit alternativer Betreiber, an festen Standorten in Deutschland einen lokalen Zugang zu erhalten, in ihrer derzeitigen Form mit dem EU-Recht vereinbar sind". Es bestehe ein "Risiko der mangelnden Förderung oder Wahrung des Wettbewerbs durch den Maßnahmenentwurf".

Nach Prüfung des notifizierten Maßnahmenentwurfs und der Antworten der BNetzA auf die Auskunftsersuchen der Kommission gelangt die Kommission mittlerweile zu der Auffassung, "dass die BNetzA mit ihrem Vorschlag den nachhaltigen Wettbewerb auf dem lokalen Zugangsmarkt in Deutschland verzerrt und einschränkt". Die BNetzA habe bei ihrer Interessenabwägung nicht ausreichend berücksichtigt, "welche potenziellen negativen Effekte ihr Vorschlag auf die Fähigkeit alternativer Betreiber hat, in Glasfaserinfrastrukturen zu investieren". Die EU vertritt die vorläufige Auffassung, dass sich die BNetzA "nur unzureichend mit dem Argument alternativer Betreiber befasst hat, dass der Verlust des physischen Zugangs (VDSL LLU) im Zuge des Vectoring-Ausbaus den bereits jetzt schon wirtschaftlich schwierigen Ausbau der Glasfaserinfrastruktur noch mehr zurückwirft".

Die im Vorschlag der BNetzA genannten Bedingungen, unter denen alternative Betreiber der Telekom das Exklusivrecht auf Vectoring im Nahbereich verweigern können, erscheinen nach Auffassung der Kommission "unangemessen streng". Die zweifache Anforderung, über mindestens 50 Prozent der Kabelverzweiger in einem bestimmten an DSL angeschlossenen Bereich zu verfügen und über mehr angeschlossene Kabelverzweiger als die Telekom zu verfügen, dürfte dazu führen, "dass alternative Betreiber nur in etwa 6 Prozent der Fälle im Nahbereich die Vectoring-Technik einsetzen können und über 90 Prozent der Nahbereiche dem etablierten Betreiber Deutsche Telekom überlassen müssen," was nahe an die von der Telekom beanspruchte Exklusivität heranreiche. Nach Auffassung der Kommission stellt die derzeit vorgeschlagene Lösung "eine künstliche und unangemessene Beschränkung der Wettbewerbsoptionen dar, die den alternativen Betreibern zur Verfügung stehen".

Die Kommission hegt in dem Schreiben "ernsthafte Zweifel daran, dass das alternative Layer-2-Zugangsprodukt, das dem Vorschlag der BNetzA zufolge den alternativen Betreibern angeboten würde und das angesichts der vorstehenden Ausführungen [...] der wichtigste Ersatz für den Verlust der VDSL-Entbündelung werden dürfte, in seiner derzeit vorgeschlagenen Form funktional geeignet ist, die physische Entbündelung zu ersetzen".

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