Fernsehen

Public Value: TV-Sender-Sortierung künftig nach Mehrwert

Welches Programm bietet für Meinungs­bil­dung und -viel­falt einen Mehr­wert und welches nicht? Diese Frage beant­worten derzeit die Landes­medi­enan­stalten im soge­nannten Public-Value-Verfahren. Die Entschei­dung der Medi­enwächter soll Ende März 2022 bekannt gegeben werden. Sie wird Auswir­kungen auf die Programm­sor­tie­rung am Fern­seher haben.
Von Marc Hankmann

Welches Fern­seh­pro­gramm auf welchem Platz in der Programm­liste steht, kann für den jewei­ligen Programm­anbieter wirt­schaft­liche Konse­quenzen haben. Wer unter den Top 20 ist, wird schneller gefunden als ein Sender auf Programm­platz 400. Deshalb gab es ständig Diskus­sionen darum, wie Hersteller von TV-Recei­vern und Smart-TVs werks­seitig das Programm­angebot sortieren. Unter der Hand sollen sogar Programm­plätze verkauft worden sein.

Der neue Medi­enstaats­ver­trag setzt diesem Treiben ein Ende. Mit ihm wurde der Public Value einge­führt, also der Wert eines TV-Programms für Meinungs­bil­dung und Meinungs­viel­falt. Heißt im Klar­text: Programme, die einen Public Value bieten, müssen auf der Benut­zer­ober­fläche eines Smart-TVs oder TV-Empfangs­geräts beson­ders leicht auffindbar sein. Die öffent­lich-recht­lichen Programme von ARD und ZDF besitzen qua Auftrag einen Public Value. Die privat­finan­zierten TV-Anbieter müssen diesen hingegen erst nach­weisen. Das ist mit ein Grund, warum sowohl RTL Deutsch­land als auch ProSiebenSat.1 ihre Infor­mati­ons­sparten mit bekannten TV-Größen der Öffent­lich-Recht­lichen verstärkt haben. Linda Zervakis und Matthias Opdenhövel stehen im Studie ihrer Show vor einem runden Tisch mit spiegelnder Oberfläche und modernen dunkelbraunen Sitzgelegenheiten Linda Zervakis und Matthias Opdenhövel waren einst bekannte TV-Gesichter bei der ARD. Jetzt verstärken Sie bei ProSieben die Informationssparte - auch damit das Programm den Public-Value-Ansprüchen genügt.
ProSieben/Benedikt Müller

Medi­enan­stalten kontrol­lieren Umset­zung

Linda Zervakis und Matthias Opdenhövel stehen im Studie ihrer Show vor einem runden Tisch mit spiegelnder Oberfläche und modernen dunkelbraunen Sitzgelegenheiten Linda Zervakis und Matthias Opdenhövel waren einst bekannte TV-Gesichter bei der ARD. Jetzt verstärken Sie bei ProSieben die Informationssparte - auch damit das Programm den Public-Value-Ansprüchen genügt.
ProSieben/Benedikt Müller
Ihre Programme sowie die anderer Anbieter, die sich um den Public Value bemühen, werden derzeit von den Landes­medi­enan­stalten auf Herz und Nieren über­prüft. Das Ergebnis soll laut Wolf­gang Kreißig, Direktor der Landes­anstalt für Kommu­nika­tion (LFK) und Vorsit­zender der Direk­toren­kon­ferenz der Landes­medi­enan­stalten (DLM), bis Ende März fest­stehen. „Wir werden die TV-Sender benennen. Die tech­nische Umset­zung liegt dann bei den Anbie­tern der Benut­zer­ober­flä­chen“, sagte Kreißig gestern in einer Pres­sekon­ferenz der Medi­enan­stalten.

Für den Zuschauer bedeutet das: Es kann Ände­rungen an der Reihen­folge der Programme geben – nämlich dann, wenn ein Programm keinen Public Value bietet und Platz für eines machen muss, das Ende März auf der Liste der Medi­enan­stalten steht. Die Umset­zung wird von den Medi­enwäch­tern ebenso kontrol­liert wie die Public-Value-Programme selbst, um sicher­zustellen, dass zum Beispiel die Inhalte, die zu der Einstu­fung geführt haben, nicht einfach gegen Inhalte ausge­tauscht werden, die für den Sender lukra­tiver sind. „Die Sender werden darüber hinaus alle drei Jahre einer erneuten Prüfung unter­zogen“, ergänzt Kreißig.

Sortie­rung ist nicht benut­zer­freund­lich

Porträt von Wolfgang Kreißig, der ein weißes Hemd mit offenem obersten Knopf zu einem dunklen Jacket trägt und freundlich in die Kamera lächelt Deutschlands oberster Medienwächter Wolfgang Kreißig wird Ende März 2022 die TV-Sender bekannt geben, die für die Meinungsbildung und -vielfalt relevant sind.
Foto: Andreas Dalferth
Natür­lich kann jeder Nutzer weiterhin die Programm­liste nach eigenem Gutdünken verän­dern und seine indi­vidu­elle Sender­rei­hen­folge zum Beispiel in einer Favo­riten­liste abspei­chern. Laut den Medi­enan­stalten machen aber 40 Prozent der digi­talen Haus­halte davon keinen Gebrauch. Das liegt daran, dass die Sortie­rung alles andere als benut­zer­freund­lich ist. Häufig können die Sender erst nach voll­stän­diger Erst­instal­lation sortiert werden und nicht schon während der Instal­lation. „Für das Verschieben eines einzelnen Senders auf einen anderen Sender­platz werden durch­schnitt­lich sechs Klicks benö­tigt“, haben die Medi­enwächter ermit­telt. Für das Anlegen einer Favo­riten­liste können es sogar bis zu 17 Klicks sein.

„Die Ausge­stal­tung der Benut­zer­ober­fläche hat somit eine hohe Bedeu­tung für den Zugang der Zuschaue­rinnen und Zuschauer zu meinungs­bil­dungs­rele­vanten Inhalten“, resü­mieren die Medi­enwächter. Auch wegen solcher Erkennt­nisse ist das Public-Value-Verfahren einge­führt worden. Man darf es aber nicht als Niveau-Schub fürs deut­sche Fern­sehen verstehen. Trash-TV wird es so lange geben, wie ein Publikum dafür exis­tiert – Public Value hin oder her.

Apropos Sender­sor­tie­rung: Voda­fone will die Nutzung des Frequenz­spek­trums in den Kabel­netzen bundes­weit verein­heit­lichen. Kunden müssen aktiv werden, um weiterhin alle TV-Programme zu empfangen.

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