Public Value: TV-Sender-Sortierung künftig nach Mehrwert
Welches Fernsehprogramm auf welchem Platz in der Programmliste steht, kann für den jeweiligen Programmanbieter wirtschaftliche Konsequenzen haben. Wer unter den Top 20 ist, wird schneller gefunden als ein Sender auf Programmplatz 400. Deshalb gab es ständig Diskussionen darum, wie Hersteller von TV-Receivern und Smart-TVs werksseitig das Programmangebot sortieren. Unter der Hand sollen sogar Programmplätze verkauft worden sein.
Der neue Medienstaatsvertrag setzt diesem Treiben ein Ende. Mit ihm wurde der Public Value eingeführt, also der Wert eines TV-Programms für Meinungsbildung und Meinungsvielfalt. Heißt im Klartext: Programme, die einen Public Value bieten, müssen auf der Benutzeroberfläche eines Smart-TVs oder TV-Empfangsgeräts besonders leicht auffindbar sein. Die öffentlich-rechtlichen Programme von ARD und ZDF besitzen qua Auftrag einen Public Value. Die privatfinanzierten TV-Anbieter müssen diesen hingegen erst nachweisen. Das ist mit ein Grund, warum sowohl RTL Deutschland als auch ProSiebenSat.1 ihre Informationssparten mit bekannten TV-Größen der Öffentlich-Rechtlichen verstärkt haben.
Linda Zervakis und Matthias Opdenhövel waren einst bekannte TV-Gesichter bei der ARD. Jetzt verstärken Sie bei ProSieben die Informationssparte - auch damit das Programm den Public-Value-Ansprüchen genügt.
ProSieben/Benedikt Müller
Medienanstalten kontrollieren Umsetzung
Linda Zervakis und Matthias Opdenhövel waren einst bekannte TV-Gesichter bei der ARD. Jetzt verstärken Sie bei ProSieben die Informationssparte - auch damit das Programm den Public-Value-Ansprüchen genügt.
ProSieben/Benedikt Müller
Ihre Programme sowie die anderer Anbieter, die sich um den Public Value bemühen, werden derzeit von den Landesmedienanstalten auf Herz und Nieren überprüft. Das Ergebnis soll laut Wolfgang Kreißig, Direktor der Landesanstalt für Kommunikation (LFK) und Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), bis Ende März feststehen. „Wir werden die TV-Sender benennen. Die technische Umsetzung liegt dann bei den Anbietern der Benutzeroberflächen“, sagte Kreißig gestern in einer Pressekonferenz der Medienanstalten.
Für den Zuschauer bedeutet das: Es kann Änderungen an der Reihenfolge der Programme geben – nämlich dann, wenn ein Programm keinen Public Value bietet und Platz für eines machen muss, das Ende März auf der Liste der Medienanstalten steht. Die Umsetzung wird von den Medienwächtern ebenso kontrolliert wie die Public-Value-Programme selbst, um sicherzustellen, dass zum Beispiel die Inhalte, die zu der Einstufung geführt haben, nicht einfach gegen Inhalte ausgetauscht werden, die für den Sender lukrativer sind. „Die Sender werden darüber hinaus alle drei Jahre einer erneuten Prüfung unterzogen“, ergänzt Kreißig.
Sortierung ist nicht benutzerfreundlich
Deutschlands oberster Medienwächter Wolfgang Kreißig wird Ende März 2022 die TV-Sender bekannt geben, die für die Meinungsbildung und -vielfalt relevant sind.
Foto: Andreas Dalferth
Natürlich kann jeder Nutzer weiterhin die Programmliste nach eigenem Gutdünken verändern und seine individuelle Senderreihenfolge zum Beispiel in einer Favoritenliste abspeichern. Laut den Medienanstalten machen aber 40 Prozent der digitalen Haushalte davon keinen Gebrauch. Das liegt daran, dass die Sortierung alles andere als benutzerfreundlich ist. Häufig können die Sender erst nach vollständiger Erstinstallation sortiert werden und nicht schon während der Installation. „Für das Verschieben eines einzelnen Senders auf einen anderen Senderplatz werden durchschnittlich sechs Klicks benötigt“, haben die Medienwächter ermittelt. Für das Anlegen einer Favoritenliste können es sogar bis zu 17 Klicks sein.
„Die Ausgestaltung der Benutzeroberfläche hat somit eine hohe Bedeutung für den Zugang der Zuschauerinnen und Zuschauer zu meinungsbildungsrelevanten Inhalten“, resümieren die Medienwächter. Auch wegen solcher Erkenntnisse ist das Public-Value-Verfahren eingeführt worden. Man darf es aber nicht als Niveau-Schub fürs deutsche Fernsehen verstehen. Trash-TV wird es so lange geben, wie ein Publikum dafür existiert – Public Value hin oder her.
Apropos Sendersortierung: Vodafone will die Nutzung des Frequenzspektrums in den Kabelnetzen bundesweit vereinheitlichen. Kunden müssen aktiv werden, um weiterhin alle TV-Programme zu empfangen.