Reveal Day

RevealDay: ICANN gibt neue Top Level Domains bekannt

1930 Bewerber für neue Domain-Endungen
Von Hans-Georg Kluge mit Material von dpa

The next big .thing? Zumindest .thing wird zunächst keine neue TLD. The next big .thing? Zumindest .thing wird zunächst keine neue TLD - es gibt keinen Bewerber.
Bild: ICANN / Screenshot: teltarif.de
Ob .google, .berlin oder .music: Die Internet-Verwaltung ICANN hat heute in London die Bewerber für neue Endungen von Web-Adressen bekannt gegeben. Nach langen Diskussionen hatte die nicht-kommerzielle Organisation 2011 nahezu beliebige Wörter als Top Level Domains zugelassen, etwa Städte- und Firmennamen, aber auch generische Begriffe wie .auto oder .reise. Diese "Generic Top Level Domains" (gTLD) genannten Adress-Endungen dürften die bislang größte Ausweitung im Adressraum des Internets bewirken. Ab Juli will die ICANN die Bewerbungen unabhängig und objektiv prüfen und die Ergebnisse der Prüfung im Dezember veröffentlichen. So dürfte es 2013 werden, bis die neuen TLDs tatsächlich genutzt werden können. Die Freischaltung wird in Wellen geschehen und nicht auf einmal stattfinden. Zunächst seien 500 neue gTLDs geplant.

The next big .thing? Zumindest .thing wird zunächst keine neue TLD. The next big .thing? Zumindest .thing wird zunächst keine neue TLD - es gibt keinen Bewerber.
Bild: ICANN / Screenshot: teltarif.de
Grundsätzlich kann sich jede Firma um eine Adress-Endung bewerben. Allerdings beträgt allein die Bewerbungsgebühr 185 000 Dollar, der Betrieb dürfte noch höhere Summen verschlingen. Im Vorfeld hatte etwa Google bekanntgegeben, sich um 50 Top Level Domains zu bemühen, darunter .google und .youtube, aber auch .docs und .lol. In Deutschland bewirbt sich die Firma dotBERLIN mit formaler Unterstützung des Senats um die Adress-Endung .berlin. Auch andere Städte wie London, Paris oder Las Vegas sollen eine eigene Domain-Endung erhalten. Für Regionen mit starkem Tourismus sind eigene Endungen ebenfalls sehr interessant. So könnten die Endungen .tirol oder .kiwi (für Neuseeland) für diese Regionen interessante Nutzungsmöglichkeiten bereithalten.

gTLDs und ihre Bewerber

Insgesamt zählt die ICANN 1930 Bewerbungen für neue gTLDs. 66 dieser Bewerbungen bestehen aus geographischen Angaben. Die meisten Bewerber stammen aus Nord-Amerika (911 Bewerber) und Europa (675 Bewerber). Mit etwas Abstand folgen Asien/Pazifik (303 Bewerber), Süd-Amerika (24 Bewerber) und Afrika (17 Bewerber).

Für 230 neue gTLDs haben sich mehr als ein Teilnehmer beworben. Die gTLD .app zum Beispiel gehört zu den gefragtesten gTLDs - immerhin 13 Unternehmen zeigen für diese Endung Interesse. Ob sich die neuen Domain-Endungen im Alltag deutlich bemerkbar machen, wird sich zeigen. Schon jetzt sind die vor einigen Jahren eingeführten Endungen wie .museum oder .mobi nur selten anzutreffen. Das kann im letzteren Fall aber auch daran liegen, dass viele .mobi-Domains lediglich eine Weiterleitung zu einer bestehenden Mobilseite sind. Wer zum Beispiel teltarif.mobi aufruft, gelangt direkt zu unserem Mobilportal.

Für deutsche Unternehmen interessant könnte die Bewerbung um .gmbh sein. Damit könnten Unternehmen der Rechtsform GmbH spezielle Domains erhalten. Für diese Domain-Endung haben sich 6 Bewerber gefunden - darunter wohl auch Google. Zukünftig könnten auch .corp oder .ltd als Domain-Endung eingeführt werden.

Viele neue TLDs sind Markennamen. Ob .volkswagen oder .kerrylogisitics, es scheint, als ob sich viele Firmen einen privaten Adressraum im Internet sichern möchten. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob gTLDs dieser Art tatsächlich ein großer Gewinn für das Internet ist.

Der Weg zur Freischaltung der Domains

Bis die neuen Top Level Domains tatsächlich genutzt werden können, wird es jedoch noch etwas dauern. Die heutige Veröffentlichung der Bewerber und deren Vorschläge ist nur der erste Schritt. Im Juli werden die Bewerbungen überprüft. Interessierte können Kommentare zu den Bewerbungen abgeben. Auch können mögliche Markenrechtsverletzungen angemerkt werden.

Die heutige Veröffentlichung ist noch keine Garantie, dass die beantragten gTLDs auch tatsächlich kommen werden. Möglicherweise werden manche gTLDs auch aus allgemeinen oder systematischen Erwägungen verworfen. Die ICANN selbst sei neutral und stelle nur das technische Funktionieren des Top-Level-Domain-Systems sicher. Man habe keine Meinung zu bestimmten Bewerbungen, wie zum Beispiel .sucks - wofür es übrigens 3 Interessenten gibt.

Für konkurrierende Bewerbungen stehe ein dreistufiges System zur Verfügung. Zunächst empfehle ICANN den Bewerbern, auf Zusammenarbeit zu setzen. Falls dies nicht möglich sei, könnten gemeinschaftliche Bewerber ("community-based applicants") bevorzugt werden - als Community betrachtet die ICANN Vertreter bestimmter und klar definierter Gruppen. Erst als letzte Maßnahme sei eine Auktion vorgesehen. Die ICANN setzt aber vor allem darauf, dass einvernehmliche Lösungen gefunden werden.

Vor allem den Inhabern von Markenrechten könnte die neue Vielfalt Probleme bereiten. Zwar gibt es Möglichkeiten, eingetragene Namen zu schützen, der Aufwand dürfte mit der Zulassung Hunderter neuer Top Level Domains jedoch deutlich höher sein als im Moment. Unter anderem die US-Regierung hatte deswegen Bedenken gegenüber den ICANN-Plänen geäußert, sich aber nicht durchsetzen können. Experten wie die Internet-Expertin Esther Dyson befürchten, dass durch die Erweiterung eher Redundanzen entstehen, die das Internet unnötig unübersichtlicher machen als dass tatsächlich mehr Gestaltungsfreiheit ensteht.

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