Lebensverändernd

ICANN unterschreibt Verträge mit .berlin und .wien

Organisation will sich außerdem von den USA trennen
Von Kaj-Sören Mossdorf

Fadi Chehadé ist der Präsident der ICANN. Fadi Chehadé: Der Präsident der ICANN
Bild: ICANN
Die Inter­net Corpor­ation for Assigned Names and Numbers, kurz ICANN, hat heute auf der newdomains-Konferenz in München mit dotBERLIN und punkt.wien Ver­träge zur Zu­lassung neuer Top Level Domains (TLD) unter­schrieben. Konkret heißt das, dass bei­spiels­weise Berliner Firmen, Sehens­würdig­keiten oder auch Privat­anwender ab Ende 2013 Inter­net­adressen wie "branden­burger­tor.berlin" oder "fir­ma.berlin" bean­tragen könnten. Bereits Ende 2011 gab es schon mehr als 23 700 Vor­bestellungen für die Haupt­stadt­endung.

Fadi Chehadé ist der Präsident der ICANN. Fadi Chehadé: Der Präsident der ICANN
Bild: ICANN
"Nachdem wir uns bei ICANN bereits seit 2005 für Top-Level-Domains für Metropolen wie Berlin eingesetzt haben, können wir nun endlich mit den Launch-Vorbereitungen von .berlin beginnen," begrüßt dotBERLIN-Gründer Dirk Krischenowski die Entscheidung. Im ersten Schritt der Registrierung, der so genannten Sunrise-Phase, können die Domains nur von eingetragenen Inhabern von Markenrechten angemeldet werden. Sie müssen sich dazu zuvor in der Markendatenbank der ICANN registrieren. Mittlerweile zugelassen sind TLDs mit der Änderung ".bayern", ".koeln", ".boston", oder auch ".canon". Hier laufen aber die Verhandlungen über die Verträge jedoch teilweise noch. Ganz unproblematisch ist die Vergabe neuer TLDs jedoch nicht.

Es kommt immer wieder zu Auseinandersetzungen mit Markenrechtsinhabern und Regierungen. Im April dieses Jahres gab es eine Beschwerde durch die Regierungen von Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Ecuador, Guyana, Peru, Suriname und Venezuela. Konkret ging es um die Registrierung der Top Level Domain ".amazon". Die Mitglieder der Amazon Cooperation Treaty Organization befürchteten, dass diese TLD dem Versandhandels-Riesen Amazon zugesprochen wird.

Im Schatten von PRISM - ICANN will sich von den USA trennen

Immer wieder kritisiert wird die enge Bindung der ICANN an die USA. Ausländischen Regierungen ist es derzeit nur in zeitlichen Abständen möglich, die Aktivitäten der Organisation zu überprüfen. Im Schatten der Spionage-Enthüllungen durch den Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden ergreift die ICANN nun aber die Initiative. United-Domains, eine der größten Registrierungsstellen für Internetadressen, zitiert in einer Pressemitteilung Fadi Chehadé. Er ist der Präsident und Vorsitzende der ICANN und war auch bei der erwähnten Vertragsunterzeichnung in München anwesend. "Der gegenwärtige ICANN-Vertrag, welcher der US-Regierung eine einzigartige Rolle im Root-Management verleiht, ist nicht zukunftsfähig. Ich denke, wir müssen gemeinsam darüber nachdenken, wie wir uns weiterentwickeln und wie wir den Vertrag globalisieren.", so Chehadé.

Zu der aggressiven Tonlage passt auch das Anfang Oktober veröffentlichte Montevideo-Statement. In ihm fordern die wichtigsten Internetorganisationen eine Abspaltung der ICANN von den USA. Zu den Organisationen gehört unter anderem auch das World Wide Web Consortium, dem auch der Erfinder des modernen Internet, Tim Berners-Lee, angehört. Außerdem warnten sie vor einer Aufspaltung des Internets in nationale Netze. Interessant an der Forderung ist auch, dass sie in Englisch, Spanisch, Arabisch, Russisch und Chinesisch veröffentlicht wurde.

Schon einen Tag nach der Veröffentlichung sprach Fadi Chehadé mit der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff. Kurz darauf gab sie in einer Pressemitteilung bekannt, dass Brasilien im April 2014 eine internationale Konferenz veranstalten wird, auf der es um die Sicherheit des Internets gehen werde. Die diplomatischen Beziehungen mit den USA befinden sich derzeit ohnehin auf einem Tiefpunkt, nachdem bekannt geworden war, dass Rousseffs Kommunikation von der NSA abgehört wurden war. Das Internet Governance Project, ein Zusammenschluss aus Wissenschaftlern, fasst die momentane Entwicklung so zusammen: "Du weißt, dass du einen großen Fehler, einen lebensverändernden Fehler, gemacht hast, wenn deine Kinder dich massenhaft verlassen."

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