vierte Generation

LTE wird den Mobilfunk nicht über Nacht revolutionieren

TK-Experte Gerpott: Mobilfunk-Anbieter müssen Kosten drastisch senken
Von Marie-Anne Winter

Im Rahmen einer Vortragsveranstaltung des Personaldienstleisters Harvey Nash und dessen Nürnberger Tochtergesellschaft Nash Technologies in Düsseldorf sprach Professor Torsten J. Gerpott über die Perspektiven der vierten Mobilfunkgeneration LTE. Professor Gerpott hat den Lehrstuhls für Unternehmens- und Technologieplanung mit dem Schwerpunkt Telekommunikationswirtschaft an der Mercator School of Management Duisburg inne. Gerpott rechnet nicht mit einer zeitnahen LTE-Migration: "Hohe praktische Marktrelevanz wird LTE in Deutschland nicht vor 2015 erlangen, mit einer vollständigen UMTS-Ablösung ist nicht vor 2020 zu rechnen." Außerdem ist er skeptisch, was die von vielen erwarteten neuen Applikationen angeht, die eine einträgliche Vermarktung der hohen Netzgeschwindigkeiten versprechen sollen: "Bei LTE stehen weniger Spitzenbandbreiten von bis zu 100 Mbit pro Sekunde im Downlink für wenige Kunden im Fokus, sondern flächendeckende mobile Internet-Zugänge mit Downstream-Raten von 3 bis 6 MBit/s und kurze Latenzzeiten für viele Kunden im Vordergrund."

Daten-Umsätze bleiben hinter Wachstum bei Daten-Volumen zurück

Professor Torsten J. Gerpott Professor Torsten J. Gerpott
Bild: vatm.de
Zwar würden die Datenvolumen im mobilen Internet kontinuierlich ansteigen, die Umsätze der Provider mit mobilen Diensten allerdings diesem Anstieg nur gebremst folgen. Das Datenvolumen stieg beispielsweise von 11,49 Millionen Gigabyte im Jahr 2008 auf 33,5 Millionen Gigabyte im Jahr 2009, was einem Wachstum von 192 Prozent entspricht. Die Umsätze im Non-Voice-Bereich kletterte nur um gut 9 Prozent von 5,1 auf 5,5 Milliarden Euro. Der mit mobilen Applikationen erzielte Umsatz gehe bislang weitgehend an den etablierten Netzbetreibern vorbei. Daher sind in diesem neuen Geschäftsfeld noch erhebliche Verteilungskämpfe zu erwarten. Wahrscheinlich sei daher, dass auch "LTE nicht über Nacht zu neuen Diensten und Anwendungen führen wird, sondern zur Evolution und breiteren mobilen Nutzung bereits heute bekannter Internetapplikationen", so Gerpotts Prognose.

Die Herausforderung sei in seinen Augen, dass die Anbieter die derzeitige Entkopplung von Datenvolumen und Umsätzen überwinden müssen. "Die Mobilfunknetzbetreiber werden Investitionen in HSPA+ und LTE aus bestenfalls stagnierenden Umsätzen finanzieren müssen. Damit besteht die Notwendigkeit, die Kosten pro Verkehrseinheit drastisch zu senken." Ein weiteres Wachstum mobiler Daten- und Internetdienste sieht er vor allem im Bereich von individualisierten Videoangeboten, die allerdings vorwiegend von jüngeren und somit weniger zahlungskräftigen Kunden nachgefragt würden. Auch deshalb erwartet Gerpott mit dem LTE-Roll-Out allenfalls eine Stabilisierung der Umsätze im deutschen Mobilfunkgeschäft.

Vor dem Hintergrund der von Gerpott aufgespannten Zeitschiene und dem wachsenden Datenverkehr, der der Infrastruktur einiges abverlange (Stichwort Datenkollaps), setzt Markus Ermer, Director R&D bei Nash Technologies, auf ein ausgefeiltes Network-Monitoring: "Jeder Netzwerkbetreiber weiß, dass die Netzwerke ständige Überwachung in Sachen Performance benötigen." Für ihn ist es unabdingbar, in die bestehenden Netze auf UMTS-Basis zu investieren, um die Kapazitäten und Funktionalitäten zu verbessern. "Damit schaffen wir erst die Grundlagen für die Entwicklung von innovativen Applikationen, die LTE dann zum Erfolg machen können", führt Ermer weiter aus. Für ihn stehe außer Frage, dass mehrere Technologien, konkret UMTS, GSM und LTE, über einen gewissen Zeitraum nebeneinander existieren werden. Umso wichtiger sei es, die Durchlässigkeit sämtlicher Standards zu garantieren. Als Lösung für die Entlastung von vorhandenen Mobilfunknetzen präsentierte Ermer unter anderem die Femtozelle. Deren Idee ist es, "dass eine räumlich eng begrenzte Funkzelle ein Handy per UMTS über Standard-IP mit dem Festnetz verbindet." Auf diese Weise könnten herkömmliche Mobilfunkendgeräte eine vorhandene Internetverbindung, zum Beispiel über eine DSL-Leitung, nutzen. Die zugehörige Software unterstütze bis zu 32 gleichzeitige Verbindungen und aktuelle Breitbandtechnologien, was ihren Einsatz im Businesssegment besonders attraktiv mache.

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