Entwicklung

Internet-Fernsehen: Von der Nische in den Massenmarkt

300 000 Haushalte empfangen zurzeit Fernsehen per Internet
Von dpa / Thorsten Neuhetzki

Das Zusammenwachsen von TV und Internet wurde schon oft verkündet - auch auf dem Messegelände der IFA in Berlin. Doch bislang haben sich nur wenige Fernsehzuschauer in Deutschland entschieden, einen herkömmlichen TV-Anschluss über Antenne, Kabel oder Satellit gegen das TV-Menü aus dem Internet einzutauschen. Auf der IFA zeigten sich aber etliche Aussteller zuversichtlich, das Internet-Fernsehen aus der Nische auf den Massenmarkt bewegen zu können.

Derzeit nutzen rund 300 000 Haushalte Internet-TV (IPTV), berichtete die Deutsche TV-Plattform, in der die gesamte Industrie vertreten ist, am Freitag auf der Funkausstellung IFA. Den Löwenanteil machen die 250 000 Kunden der Telekom mit dem Angebot "T-Home Entertain" aus; weitere 20 000 sind bei HanseNet mit Alice. Die Tochter der Telecom Italia offeriert seinen Neukunden derzeit sogar das Netzfernsehen als kostenloses Zusatzmodul, während T-Home und Arcor dafür rund zehn Euro verlangen.

Bei der Telekom soll ein umfangreiches Schnupperangebot die Akzeptanz des Internet-Fernsehens vorantreiben. T-Home-Kunden können das "Entertain"-Paket zwei Monate lang kostenlos testen. Dabei geht die Telekom davon aus, dass die meisten Tester von dem Angebot so begeistert sind, dass sie dann - je nach Netzgeschwindigkeit - 50 Euro oder mehr für das komplette "Triple Play" (Telefon, Internet und TV aus einer Steckdose) ausgeben. "Internet wird ein Massenmarkt werden", sagte Telekom-Vorstandsmitglied Timotheus Höttges.

Panasonic präsentiert TV-Gerät mit Internet-Funktionen

Die Besucher der IFA bekommen aber neben reinen IPTV-Lösungen wie "T-Home Entertain" auch etliche Internet-Anwendungen auf dem Fernseher zu sehen, bei denen herkömmliche TV-Signale mit kleinen Anwendungen aus dem Internet kombiniert werden. So kündigte der japanische Elektronikkonzern Panasonic ein neues TV-Gerät seiner Viera-Reihe an, mit dem per Knopfdruck Dienste des Internetgiganten Google wie die Video-Plattform YouTube, eine Wettervorhersage oder Finanznachrichten aufgerufen werden können. Außerdem können über den Panasonic-Fernseher Videos des Senders Eurosport in HD-Auflösung aus dem Netz geladen werden.

An den guten, alten Videotext, der vor 28 Jahren in Deutschland eingeführt wurde, erinnert Samsung mit der Funktion "InfoLife": Auch hier kann der Zuschauer über die Fernbedienung Nachrichten, Börsenkurse oder den Wetterbericht aus dem Internet holen. Die Inhalte liefert hier der Web-Konzern Yahoo!. Zudem baut der koreanische Hersteller eine Bibliothek mit Informationen zu Themen wie Kochen, Spielen oder Fitness ein.

Auch der Unterhaltungselektronik-Riese Sony hat die Netzwerk-Ära ausgerufen. Sony-Chef Sir Howard Stringer bekräftigte auf der IFA das Ziel, den größten Teil der Sony-Produkte aus dem "Consumer Electronic"-Segment HD-netzwerktauglich machen. Damit könnten auch Daten in hoher Auflösung in den eigenen vier Wänden drahtlos "durch die Luft" geschickt oder aus dem Internet abgerufen werden.

Etablierte TV-Anbieter bekommen Konkurrenz

Die Unternehmensberatung Roland Berger geht davon aus, dass die unterschiedlichen Varianten von "WebTV" mit Inhalten aus dem Netz den etablierten TV-Anbietern unmittelbar Konkurrenz machen werden. Voraussetzung sei, dass WebTV nicht mehr vorrangig auf dem PC konsumiert werde, sondern sich auch auf dem herkömmlichen Fernsehbildschirm etabliere. "WebTV lockt mit Interaktivität, Verfügbarkeit nach Bedarf und umfassenden Kommunikations- und Personalisierungsmöglichkeiten", heißt es in einer Studie, die unmittelbar vor der IFA veröffentlicht wurde. Dieser Trend werde sich noch verstärken, weil der größte Teil des WebTV-Angebots werbefinanziert sei und "damit auch künftig für die Endverbraucher kostenlos bleiben dürfte".

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