sparen und wachsen

Lkw-Maut ist Tabuthema für Telekom-Chef Ricke

Kai-Uwe Ricke seit einem Jahr im Amt
Von dpa / Marie-Anne Winter

Über ein Thema hüllt sich Kai-Uwe Ricke seit Monaten eisern in Schweigen: Die Pannenserie bei der geplanten Einführung der Lkw-Maut in Deutschland ist für den Vorstandschef der Deutschen Telekom mehr als eine peinliche Affäre. Sie hat das Image von zwei Weltkonzernen angekratzt und in der Öffentlichkeit für Spott gesorgt. Als Hauptgesellschafter des Betreiberkonsortiums Toll Collect haben es Telekom und DaimlerChrysler bislang nicht geschafft, ein funktionierendes System auf die Beine zu stellen.

Hans-Richard Schmitz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) spricht von einem mittelschweren Desaster: "Die Telekom hat sich in dieser Frage alles andere als mit Ruhm bekleckert". Der Konzernvorstand habe sich selbst zu wenig um das Projekt gekümmert, kritisiert der Aktionärsschützer.

Ricke steht am 14. November ein Jahr an der Spitze des größten europäischen Telekommunikationsunternehmen. Die Ära seines Vorgängers Ron Sommer ließ der 42-Jährige Top-Manager zwar schnell vergessen. Doch die unendliche Geschichte der Maut hat sich wie ein dunkler Schatten über die Telekom gelegt. Nur keine unbedachten Äußerungen, scheint sich Ricke zu sagen und verordnet sich selbst ein Sprechverbot.

Da ist es für ihn besser, auf die Früchte seiner einjährigen Vorstandsarbeit zu verweisen. Tatsächlich hat das Team um Ricke und den Kassenwart Karl-Gerhard Eick eine Menge bewegt. Schuldenabbau, Sparen und Wachsen lautet deren Handlungsmaxime. So trennte sich die Telekom von Beteiligungen, verschlankte Kerngeschäfte und baute Hierarchien ab.

Angesetzt wurde der Rotstift auch bei den Telekom-Mitarbeitern (insgesamt: 250 000), einschließlich Vorstandsebene. Rund 40 000 Arbeitsplätze sollen bis Ende 2005 gestrichen werden, möglichst ohne betriebsbedingte Kündigungen. Personalchef Heinz Klinkhammer brachte unlängst das Thema Arbeitszeitverkürzung mit Lohnverzicht ins Spiel und stellte dafür die Schaffung von 10 000 neuen Stellen in Aussicht - ein Vorschlag, der bei der Gewerkschaft auf wenig Gegenliebe stieß.

Beim Schuldenabbau erfolgreich

Angetreten war Ricke mit dem Ziel, die Telekom nach den milliardenschweren Zukäufen und Rekordverlusten wieder ertragsstark zu machen. Wenn er Mitte November, nur einen Tag vor seinem "Einjährigen", die Zahlen für die ersten drei Quartale des laufenden Geschäftsjahres präsentiert, wird die wichtigste Nachricht heißen: Schuldenziel für 2003 erreicht!

Die Telekom hat ihre Schulden in der Amtszeit des Vorstandschefs Kai-Uwe Ricke um mehr als 10 Milliarden Euro reduziert. "Der Schuldenabbau hat vorzüglich funktioniert", lobt DSW-Sprecher Schmitz den Konzernchef.

Ende September 2002 hatte der Bonner Riese bei seinen Geldgebern noch mit 64 Milliarden Euro in der Kreide gestanden. Damit gehörte die Telekom neben France Télécom zu den am höchsten verschuldeten Unternehmen in Europa. Ursache für den Anstieg waren vor allem milliardenschwere Firmenzukäufe und der Erwerb von teuren Mobilfunklizenzen.

Ricke versprach vor einem Jahr einen drastischen Schuldenabbau, und zwar auf rund 50 Milliarden Euro bis Ende 2003. Dieses Ziel ist mit Ablauf des 3. Quartals praktisch erreicht. Die Mittel hierfür erlöste die Telekom unter anderem aus dem Verkauf von Immobilien (1,4 Milliarden Euro), des Kabelnetzes (1,7 Milliarden Euro), weiteren T-Online-Aktien (0,7 Milliarden Euro) sowie der Verringerung der Anteile beim russischen Mobilfunkbetreiber MTS (0,5 Milliarden Euro). Die übrigen Mittel zur Senkung der Verbindlichkeiten kommen aus dem operativen Geschäft. Auf eine Summe zwischen 49 Milliarden und 53 Milliarden Euro oder das Dreifache des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) sollten die Verbindlichkeiten bis Ende 2003 sinken. Ende Juli hatte das Unternehmen bereits die obere Marke geschrammt. Damit ist ein Grundstein gelegt, das Vertrauen der Kapitalmärkte und Kleinanleger zurückzugewinnen.

Zugleich wäre auch der Weg für einen Kursanstieg geebnet. Doch an der Börse werden Aktien von Telekommunikationsunternehmen weiterhin gemieden. So dümpelt die T-Aktie seit Monaten zwischen zehn und 13 Euro und damit unter ihrem Ausgabekurs von 1996 (14,32 Euro). "Es gibt noch erheblichen Nachholbedarf", meint Schmitz.

In diesem Jahr werden die T-Aktionäre bei der Dividende nochmals leer ausgehen. Doch für 2004 hat Ricke eine "angemessene" Ausschüttung in Aussicht gestellt. Die Chancen stehen nicht schlecht: Denn nach den hohen Verlusten im Vorjahr, wird die Telekom schon in diesem Jahr in die Gewinnzone zurückkehren. Im ersten Halbjahr hatte unter dem Strich bereits ein Konzernüberschuss von 1,1 Milliarden Euro gestanden.

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