Autonomes Fahren: VW, BMW & Co. auf der Überholspur?
Concept Car Audi Aicon
Bild: Audi
Für viele Menschen ist Autofahren immer noch ein Erlebnis. Doch in den meisten Fällen dürfte es einfach nur lästig sein. Stress, Staus sowie Unfälle gehören vor allem für Pendler mehr oder weniger zum Alltag. Doch wie wäre es, wenn man einfach nur noch in sein Auto einsteigt, den Zielort nennt und der Autopilot übernimmt den Rest? Das ist schon längst keine Science-Fiction mehr, sondern bei Google und Tesla bereits gelebte Realität. Die beiden US-Unternehmen liefern sich unter anderem in Kalifornien einen regelrechten Wettbewerb um die Zukunft des Autos.
Während die Alphabet-Tochter Waymo im sonnigen Mountain View schon seit längerer Zeit mit umgebauten Chrysler Pacificas auf den Straßen unterwegs ist, hat Elon Musk kürzlich vor Analysten den Full Service Driving Chip (FSD) vorgestellt. FSD gilt für Tesla gewissermaßen als Revolution und soll alle Prozesse rund um das autonome Fahren massiv beschleunigen, dabei aber gleichzeitig wesentlich günstiger als Konkurrenzhardware sein. Doch während es zu diesem Thema aus dem Silicon Valley fast täglich interessante Neuigkeiten gibt, hört man aus deutschen Konzernzentralen in München und Wolfsburg praktisch nichts. Wie positionieren sich BMW, Volkswagen und Co. beim automobilen Verkehr der Zukunft?
Volkswagen
Concept Car Audi Aicon
Bild: Audi
Mit der Zukunft hat man sich im Volkswagen-Konzern in letzter Zeit häufig beschäftigt. Allerdings ging es dabei wohl weniger um die des autonomen Fahrens, als vielmehr um Rückstellungen für Gerichtsverhandlungen und Schadenersatzforderungen in den USA und Europa, welche aus dem selbst verursachten Dieselskandal resultieren. Nun fehlen diese Milliarden wiederum im dringend benötigten Bereich der Forschung, was Volkswagen gegenüber seinen US-Mitbewerbern sicherlich nicht zum Vorteil gereichen dürfte. Dennoch stand das Thema bereits 2017 im Rahmen der internationalen Automobilausstellung IAA auf der Agenda. Dort stellte nämlich die Konzerntochter Audi ein Concept-Car namens "Aicon" vor. Wie sollte man anders erwarten, natürlich in der Oberklasse, womit man sicherlich nicht auf den Massenmarkt abzielt. Danach wurde es jedoch ziemlich ruhig.
Wirklich wesentliche Eigenentwicklungen im Bereich Software hatte der Konzern ohnehin nicht zu bieten, so setzte man vielmehr auf die Kooperation mit dem kalifornischen Startup "Aurora". Damit ist aber nun offenbar schon wieder Schluss: VW ist aus dem Projekt ausgestiegen und will stattdessen in der Entwicklung mit Ford zusammenarbeiten. Zudem hat sich das Unternehmen laut Handelsblatt von Digitalchef Johann Jungwirth getrennt. Zusammengefasst: VW steht in Sachen autonomes Fahren wieder ganz am Anfang. Wie konkret die Kooperation mit Ford hier Abhilfe schaffen soll, ist unklar. Der US-Autobauer hat ebenfalls mit erheblichen finanziellen Problemen zu kämpfen und zeigte sich im Bereich autonomes Fahren gegenüber Google und Tesla nicht gerade innovativ.
BMW und Daimler
Schlechte Nachrichten gibt es auch aus München. Zwar stand BMW aufgrund einer Partnerschaft mit dem israelischen Startup Mobileye insbesondere in Sachen Kameratechnologie an der Spitze der Entwicklung, doch hat man diese mittlerweile wieder eingebüßt. Eine wesentliche Ursache dafür ist auch, dass BMW insgesamt sehr zurückhaltend bei der Kooperation mit Software-Startups ist. Diese Strategie dürfte ein großer Fehler sein, wenn man sich die Innovationsgeschwindigkeit von Software-Startups unter anderem in Israel und dem Silicon Valley anschaut. Blickt man hier im Vergleich auf die Strategie von Tesla, wird der Unterschied schnell deutlich. Elon Musk kooperiert nicht nur sehr intensiv mit Startups, er hat sogar in seiner Berufslaufbahn oft selbst gegründet. Für einen deutschen Autohersteller wäre es daher ignorant zu glauben, man könnte auf dieses Know-How im Wettrennen um autonomes Fahren verzichten.
BMW setzt beim Thema nun auf eine Kooperation mit Daimler. Wie groß der Rückstand in München ist, zeigt eine Aussage des Online-Magazins "Gründerszene" mit einem Daimler-Manager auf dem Genfer Autosalon zur Frage des Autors, ob Daimler in diesem Bündnis nicht der Seniorpartner sei: "Da müssen wir erstmal viel Wissen transferieren, bevor wir da weiterkommen". Der Rückstand wird auch anhand weiterer Fakten eindrucksvoll aufgezeigt: So hat beispielsweise die Alphabet-Tochter Waymo bereits Level 4-Fahrzeuge auf den Straßen im Test, diese kommen bei BMW erst Ende 2021. Zu dem Zeitpunkt will der US-Wettbewerber General Motors bereits Level 5-Fahrzeuge auf dem Markt haben. Es ist nur schwer vorstellbar, dass BMW diesen Vorsprung seiner Konkurrenz vor entsprechender Marktreife noch einholt.
Investitionen in Software
Die Automobilnation Deutschland gibt bei den wichtigsten Zukunftsthemen der Industrie leider nicht den Ton an. Egal ob Elektrofahrzeuge, Wasserstoffantrieb oder autonomes Fahren - man hechelt wieder den Startups bzw. sogar traditionellen Herstellern wie General Motors oder Toyota - hinterher. Das ist für ein Land wie Deutschland, welches ganz wesentlich von seiner Automobilwirtschaft und dem Export abhängig ist, außerordentlich ungünstig.
Die Problematik liegt insbesondere im Bereich Software. Deutschland und natürlich auch die Hersteller müssen massive Anstrengungen unternehmen, um hier mit den US- und japanischen Wettbewerbern mithalten zu können. Nötig wäre insbesondere eine Art deutsches "Silicon Valley". Dieses muss zudem in der Lage sein, auf Dauer für Forscher aus Tech-Standorten wie Israel und den USA attraktiv zu sein. Wenn sich hier nicht schnellstens viel tut, wird die deutsche Automobilwirtschaft ihren Anschluss an die Weltspitze wohl nachhaltig verlieren. Eine gehörige Mitschuld daran trägt ebenso die Politik, denn sie hat es versäumt, rechtliche Rahmenbedingungen für das autonome Fahren rechtzeitig umzusetzen und Deutschland als Entwicklungsstandort für die Software-Industrie im notwendigen Maße zu fördern.