Wachstumsmärkte

Raus aus dem Zentralasiatischen Funkloch

Die Russen entdecken den Mobilfunk
Von Marie-Anne Winter

Für die westeuropäischen Mobilfunkkonzerne sind mehrstellige Wachstumsraten längst Vergangenheit. Angesichts der gesättigten Märkte dümpelt die Branche im kraftraubenden Drängelgeschäft des Verdrängungswettbewerbs. So dürfte sie der Blick nach Russland mit Neid und Nostalgie erfüllen. Wie die Financial Times Deutschland (FTD [Link entfernt] ) heute meldet, legen die Kundenzahlen bei den drei russischen Marktführer in diesem Jahr um bis zu 120 Prozent zu. "Im Schnitt schließen weit über eine Million Russen pro Monat einen Vertrag mit einem der drei Marktführer ab", zitiert das Blatt den russischen Mobilfunkanalyst Anton Pogrebinsky. Im August sollen es 1,6 Millionen gewesen sein. Nach diesen Zahlen ist Russland derzeit der am schnellsten wachsende Mobilfunkmarkt.

Und so wie es aussieht, dürften sich die dortigen Anbieter noch eine ganze Weile an rasanten Zuwächsen erfreuen, weil der Markt bisher nur zu knapp 20 Prozent ausgelastet sei. In Deutschland und andere westeuropäischen Ländern liegt die Sättigung bei rund 80 Prozent - wer hier ein Handy will, der hat schon mindestens eins. Und wer in Russland eins will, der ist sogar bereit, den entsprechenden Preis dafür zu zahlen - die Anbieter subventionieren ihre Mobiltelefone nicht, um sie unter die Leute zu bringen. Auch davon können die hiesigen Anbieter nur träumen.

Doch den Russen scheint es zu genügen, ein Handy zu besitzen, angesichts der dortigen Wirtschaftslage werden die meisten Russen ihr Geld für lebenswichtigere Dinge als für Mobilgespräche ausgeben. So erreicht der durchschnittliche Umsatz der momentan 28 Millionen Handykunden mit 16 Euro im Monat nicht einmal die Hälfte des westeuropäischen Niveaus.

Trotzdem, das weite Land zwischen Ostsee und Pazifik ist für Handyhersteller und Netzausrüster inzwischen ein wichtiger Wachstumsschwerpunkt. Laut FTD macht Siemens dort etwa eine Milliarde Euro Umsatz im Jahr, zehn Prozent der Umsätze mit Mobilfunktechnik. Sowohl bei den Handys, als auch bei der Netzwerktechnik gilt Siemens mit etwa 33 Prozent Marktanteil in Russland als Marktführer.

80 Prozent des russischen Marktes werden von den drei großen Netzbetreibern MTS, Vimpelcom und Megafon beherrscht. Die Deutsche Telekom hält Anteile am Marktführer MTS. Die skandinavischen Unternehmen Telenor und Telia sind Minderheitsaktionäre bei den Konkurrenten. Trotzdem vermeiden die russischen Anbieter, unter Kontrolle der Teilhaber aus dem Ausland zu geraten.