Regional gedacht

5G: Große Netzbetreiber kriegen Stadtversorgung nicht hin

Wenn Telekom, Voda­fone & Co. auf der Bühne sitzen, ist der Saal brechend voll. Die Hidden Cham­pions ziehen nicht so viele Zuhörer: Ist 5G-Flächen­deckung ohne Stadt­netz­betreiber gar nicht möglich?
Von der Messe Anga Com berichtet

Um die Zukunft mit 5G ging es in einer span­nenden Panel-Diskus­sion während der Anga-com-Messe in Köln, die über den Tag hinaus zum Nach­denken Anre­gung liefert. Ein Mode­rator, zwei Vertreter zweier sehr aktiver Stadt­netz­betreiber und ein Vertreter des Breit­band­büros des Bundes und schon ging es mitten ins Thema

Theo Weirich, charis­mati­scher Chef des Stadt­netz­betrei­bers wilhelm.tel sagt es klar und deut­lich: Deutsch­land hängt in Sachen Mobil­funk 10 Jahre hinterher. Die aktuell verstei­gerten 3,5 GHz wären eigent­lich die idealen Frequenzen für Stadt­netz­betreiber gewesen.

Und sein Kollege Dr. Hermann Rodler (CTO) beim Münchner Stadt­netz­betreiber M-Net, der längst weit über die Grenzen der weiß-blauen Haupt­stadt aktiv ist, fällt das vernich­tende Urteil: "Die großen Mobil­funk­netz­betreiber werden mit ihrer 5G-Stra­tegie auf 1800 MHz schei­tern." Weirich formu­liert das noch deut­licher: "Urbane Ausleuch­tung können nur lokale, regio­nale Unter­nehmen. Die großen Netz­betreiber werden ihre Makro­zellen aufbauen, das reicht aber nicht." Er rechnet vor, dass in Hamburg 1 Gigabit über 1 km Reich­weite für 1000 Euro zu bauen sei, weil die Stadt­netz­betreiber auf vorhan­dene Infra­struktur zurück­greifen können, beispiels­weise bereits selbst verlegte Glas­faser. Die großen Anbieter könnten das zu diesem Preis nicht bieten.

5G kann alles?

Unter der Leitung von Wolfang Herr (Buglas, li) diskutierten die Stadtnetzbetreiber Dr. Hermann Rodler (M-Net) und Theo Weirich (wilhelm.tel) (großes Bild) mit Tim Brauckmüller (2.v.l) vom Breitband-Büro des Bundes Unter der Leitung von Wolfang Herr (Buglas, li) diskutierten die Stadtnetzbetreiber Dr. Hermann Rodler (M-Net) und Theo Weirich (wilhelm.tel) (großes Bild) mit Tim Brauckmüller (2.v.l) vom Breitband-Büro des Bundes
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Der Reiz von 5G ist die gezielt steu­erbare Band­breite. Denkbar sei nachts eine dunkle Straße. Wenn ein Mitbürger mit seinem Handy in der Tasche durch diese Straße laufe, könnte die Stra­ßenbe­leuch­tung auto­matisch für ihn einge­schaltet werden.

Mit Networks­clicing wäre eine Video­konfe­renz im Notarzt­wagen möglich. Der Arzt im Kran­kenhaus könnte sich vom Rettungs­assis­tenten schon detail­liert über den gleich eintref­fenden Pati­enten infor­mieren lassen.

5G-Netze werden intel­ligent, das ist auch für lokale Ener­giever­sorger inter­essant, die vor Ort ja schon Technik aufge­baut haben und mit 5G genauer wissen, was im Netz passiert, wo etwas verbraucht wird und wieviel.

Alles lasse sich verketten. Im Lager sei bekannt, wann der Laster wirk­lich ankommt, weil er sich vorher meldet.

Auch die Land­wirt­schaft könnte von 5G profi­tieren, wenn das Netz dort hinreiche. Wenn Deutsch­land im 5G-Welt­markt eine Rolle spielen wolle, müsse es FTTM (= Fiber to the Milch­kanne) geben.

Druck in den Städten

Weil die großen Netzbetreiber nicht so agierten, wie erhofft, wurde in Bayern die M-Net gegründet, deren CTO Dr. Hermann Rodler (großes Bild) ist. Weil die großen Netzbetreiber nicht so agierten, wie erhofft, wurde in Bayern die M-Net gegründet, deren CTO Dr. Hermann Rodler (großes Bild) ist.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Im Moment biete die Mobil­funk-Vorstel­lung der Anbieter eine denkbar schlechte Perfor­mance, hervor­gerufen durch die "Arro­ganz der herr­schenden Mobil­funk­anbieter". Weirich sagte voraus, dass in den Groß­städten massiver Druck auf die Anbieter entstehen werde, von Kunden, die sich diese derzeit grau­enhaften Netze nicht mehr bieten lassen wollten. Der Trans­port solle schnell und latenz­frei sein, dazu müssten verkrus­tete Struk­turen aufge­brochen werden.

"Telekom hat null Glas­faser in Hamburg", die Stadt­netz­betreiber aber schon. "Telekom braucht genau das, was nur die kleinen Netz­betreiber haben." 5G sei für die "Niede­rungen der Anfor­derungen", das "Design der Ausleuch­tung" brauche viele kleine Sende­stationen. Weirich glaubt, das nur die kleinen Netz­betreiber das über­haupt können. Und gibt sich kämp­ferisch: Wir wollen in die Wert­schöp­fungs­kette rein, eigene Dienste anbieten.

München will 5G-Stand­orte bereit­stellen

Die Themen Emis­sionen und Klima­schutz sind auch in der TK-Branche präsent, "carbon neutral" (CO2 neutral) - da müsse es viele kleine, schwache Sende­stationen geben. Momentan habe eine 5G-Antenne 2,4 kW Verlust­leis­tung, das sei viel zu viel.

An den Städten soll es nicht liegen. Die Stadt München habe beschlossen, alle mögli­chen Stand­orte für 5G bereit­zustellen. Digital-Minister Andreas Scheuer wolle alle Bundes­liegen­schaften dafür frei­geben.

M-Net wird in München ein "26 GHz Gitter" aufbauen. Um eine effek­tive Erhö­hung der Leis­tung zu vermeiden, seien 10 Mal soviel Stand­orte notwendig, die Netz­archi­tektur müsse geän­dert werden. M-Net biete seine Ressourcen und Exper­tise allen Betrei­bern an.

Für verrückt erklärt

Theo Weirich gilt als Vor- und Querdenker der Branche. Er hat in Norderstedt bei Hamburg ein richtig schnelles WLAN ausgerollt Theo Weirich gilt als Vor- und Querdenker der Branche. Er hat in Norderstedt bei Hamburg ein richtig schnelles WLAN ausgerollt
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Theo Weirich berich­tete über seine Erfah­rungen: Als er vor 6 Jahren begann, ein öffent­liches WLAN-Netz aufzu­bauen, wurde er mit "Ihr spinnt doch", begrüßt. "Heute haben wir ein echtes roaming-fähiges WLAN." Und bestä­tigt seinen (nicht anwe­senden) Technik-Kollegen Gerhard Mack von Voda­fone: "WLAN ist Vorstufe für 5G".

Weirich weiß: "Die WLAN-Netze nehmen viel Last weg, in Hamburg haben wir das beste WLAN". Die Tech­nologie sei günstig, und habe eine extreme Markt­durch­drin­gung. Weirich hat jede WLAN-Basis mit Glas­faser und Strom ausge­rüstet. "Local brea­kout" gibt's bei ihm heute schon. Er konnte eine große Bank davon über­zeugen, ihre Filialen mit einem Hoch­leis­tungs-WLAN auszu­statten.

5G in Hamburg? Ein Witz

Den Versuchs­betrieb von Telekom und Nokia im Hamburger Hafen empfindet Weirich als "Witz": "Eine einzige Zelle im Hafen von Hamburg, das ist doch kein 5G. Da muss viel mehr passieren."

Er sagt voraus: "Die Wahr­heit wird am Mast hängen." Kleine Stationen mit nied­riger Leis­tung wären einfachst zu geneh­migen. 5G wird ohne gemein­sames lokales Roaming gar nicht gehen. Nur dazu sind die drei Netz­betreiber nicht bereit." Weirich ist ein strikter Gegner von Regu­lierung und schon aus Prinzip hat er noch nie was von Telekom gekauft, sagt er.

M-Net als Antwort auf die Unlust der Telekom?

Hermann Rodler berichtet aus München: Telekom habe in München nie Glas­faser bauen wollen, ja sich regel­recht gewei­gert. Das habe zu dem Entschluss geführt, M-Netz zu gründen. "Und M-Net baut jetzt Infra­struktur für Indus­trie 4.0"

Die Geschäfts­modelle seien für lokale Anbieter inter­essant. 5G-M2M brauche keine SIM-Karte und erlaubt span­nende Ideen. "Warum zahl ich noch ein Park­ticket? Warum macht das Auto das nicht auto­matisch?"

Warten auf lokale Frequenzen

Wohl auf Druck der großen Netz­betreiber sei die Vergabe von ursprüng­lich geplanten lokalen und regio­nalen Frequenzen erstmal verschoben worden. Mögli­cher­weise komme das später noch.

"Zukunf­tige Anfor­derungen sind mobil. Wir brau­chen engma­schige Netze, welche die unge­heure Daten­last zuver­lässig abtrans­portieren können. WLAN-Stand­orte mit Strom, durch Nutzung der "Stadt­möbel" (Werbe­tafeln), all das haben die Stadt­netz­betreiber schon. Kommu­nale unter­nehmen haben beste Chancen 5G auszu­rollen."

Um den Glas­faser­ausbau zu beschleu­nigen, haben ein Netz­betreiber und ein Bauun­ternehmer eine Spezi­alfirma gegründet. Details lesen Sie in einer weiteren Meldung.

Mehr zum Thema Anga Com