An die Ecke

5G: Das Rechen-Netz

Die kommenden 5G-Netze übernehmen viel mehr Serverfunktionen als herkömmliche Mobilfunknetze. So werden zeitkritische Datenverarbeitungen beschleunigt.
Vom Fuseco Forum des Fraunhofer Institus aus Berlin berichtet

An einer Stelle stellte Prof. Dr. Thomas Magedanz auf der von ihm geleiteten Konferenz "Fuseco Forum" des Fraunhofer-Instituts für offene Kommunikationssysteme provokant die Frage, ob man das "new radio" für 5G überhaupt brauchen würde, oder ob es bei 5G nicht vielmehr darum ginge, das Kernnetz vollkommen neu aufzubauen. Und in der Tat war bei den vielen Vorträgen zu 5G nur selten von Frequenzen und Antennen die Rede, und dafür um so öfter von "Cloud Computing", "Edge Computing" oder gar "Fog Computing", von Netzwerk-Virtualisierung bis hin zu "software defined networks", kurz SDN. Da verkommt der Umstand, dass 5G-Netze dank neuer Frequenzen und neuer Antennnen 1000 mal schneller sein sollen als LTE-Netze zum Start (und 20 bis 100 mal schneller als LTE-Netze derzeit), fast zur Nebensache.

In der Tat hängen etliche der für die künftigen 5G-Netze geplanten Dienste nicht nur davon ab, dass ein schnelles und dichtes Funknetz mit möglichst wenig Funklöchern aufgebaut wird, sondern auch davon, dass dieses Netz über erhebliche Rechenkapazitäten verfügt. Eine Unfallwarnung, die ein autonom fahrendes Auto aussendet, ist beispielsweise um so wertvoller, je schneller sie an andere Fahrzeuge weitergegeben wird. Aber bei der bisher üblichen Struktur von Mobilfunknetzen würde eine solche Warnung über verschiedene Netzebenen bis ans zentrale HLR weitergegeben werden, in dem alle Nutzer registriert sind. Dieses prüft dann, welche Fahrzeuge in der Nähe sind, und sendet dann wiederum Nachrichten an die betroffenen Fahrzeuge. Das dauert 1 bis 2 Sekunden, so lange, wie ein normaler Rufaufbau mobil zu mobil. Die 5G-Netze der gar nicht mehr so fernen Zukunft sollen für die lokale Verteilung einer solchen Unfallnachricht jedoch nur noch 1 bis 2 Millisekunden benötigen - tausend mal schneller als bisher. Das geht nicht, ohne dass Rechenkapazität direkt an den Netzknoten aufgebaut wird. "Edge Computing" ist der zugehörige Fachbegriff. Logische Netzwerke (Vortragsfolie Deutsche Telekom) Network Slicing / Edge Computing, wie es sich die Deutsche Telekom in 5G-Netzen vorstellt. Durch "Intelligenz" im Netz und flexible Konfigurationen kann jedem Großkunden das optimale Angebot gemacht werden.
Foto: teltarif.de

Neue Spiele und neue Produktion

Online-Gamer kennen das Problem zur Genüge: Wenn die Ping-Zeit des eigenen Anschlusses zu hoch ist, dann hat man im virtuellen Zweikampf gegen einen Gegner mit niedrigerer Ping-Zeit einen echten Nachteil. Game-Server, die auf der "Edge" laufen, statt wie derzeit in der Cloud, könnten das Problem lösen, zumindest dann, wenn jeweils nur lokale Nutzer zusammengeschaltet werden. Die besonders kurze Latenz der 5G-Netze, und das Wissen der Netze um die Position der Nutzer, erlaubt zudem völlig neue Spielkonzepte, und entsprechend auch das Erschließen neuer Zielgruppen.

Weitere Anwendungen mit kritischer Latenz werden in der Industriesteuerung erwartet. Wenn ein Roboter ein Werkstück montiert, muss das Kamerabild in (fast) Echtzeit ausgewertet werden, um Fehler zu vermeiden. Bisher ist solche "Intelligenz" meist in Serverschränke verbaut, die direkt neben dem jeweiligen Roboter stehen. Dabei wird die Rechenleistung oft nur für kurze Peaks benötigt, beispielsweise für einen von zehn Produktionsschritten, wo ein besonders wertvolles Teil montiert wird, das besonders überwacht wird. Während der meisten Zeit "langweilen" sich die teuer angeschafften Server daher. Künftig kann die Rechenleistung auch als Dienst vom Tele­kommunikations­netz bezogen werden. So senkt der Produktions­betrieb seine Investitions­kosten und bezahlt künftig nur für die tatsächlich benutzte Rechenzeit.

Dank "Network Slicing" wird es zudem möglich sein, die Konnektivität für solche Sonderdienste über den Diensteanbieter und nicht mehr über die SIM-Karte abzurechnen. So ist es denkbar, dass der oben erwähnte Online-Gamer transparent und unbemerkt in einem fremden Netz roamt, so lange er an seinem online-Spiel teilnimmt. Bezahlt wird dieses vom Spieleanbieter, der sich freilich dafür wiederum über das Spiele-Abo vergüten lässt. Das 5G-Netz wird also nicht nur vielfach schneller als 4G - es wird auch im Kernnetz komplett neu aufgebaut.

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