Fraunhofer erforscht sichere Verbindungen bei 100 GHz
Das Projekt Ariadne erforscht Ausbreitungsbedingungen über 100 GHz, denen mit neuen Oberflächen und viel KI zu Leibe gerückt werden soll.
Grafik. Fraunhofer IAF / Shutterstock
Während viele europäische Staaten gerade dabei sind, den Mobilfunk der 5. Generation aufzubauen, arbeitet die Forschung bereits an der Optimierung von 5G und denkt über mögliche Verbesserungen oder Nachfolgeentwicklungen wie 6G nach.
5G ist verbesserungsfähig
Denn obwohl 5G seinen Vorgängern weit überlegen ist, hat auch der neueste Mobilfunkstandard noch Verbesserungspotenzial: Besonders in urbanen Gebieten, in denen ein direkter Sichtkontakt zwischen Sender und Empfänger erschwert ist, funktioniert die Funkverbindung oftmals noch nicht zuverlässig. In dem kürzlich gestarteten EU-Projekt "ARIADNE" erforschen nun elf europäische Partner, wie sich durch die Nutzung von hohen Frequenzbändern und künstlicher Intelligenz eine fortschrittliche Systemarchitektur für "Beyond 5G" (auf Deutsch: über 5G hinaus und danach) entwickeln lässt.
Mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) soll ein System zur Netzsteuerung entwickelt werden, welches Probleme nicht nur erkennt und darauf passend reagiert, sondern diese sogar vorhersehen und gleich abwenden kann.
Ein großer Vorteil von 5G sind die hohen Frequenzen und die damit verbundenen hohen Übertragungsraten, die für eine nahezu latenzfreie Verbindung (= geringe Pingzeiten) und einen schnellen Datenaustausch sorgen sollen.
Das Projekt Ariadne erforscht Ausbreitungsbedingungen über 100 GHz, denen mit neuen Oberflächen und viel KI zu Leibe gerückt werden soll.
Grafik. Fraunhofer IAF / Shutterstock
Höchste Frequenzen brauchen Sicht
Für die hohen Frequenzen braucht man ein gerichtetes Funksystem, das in der Regel eine Sichtverbindung (Line-of-Sight, kurz LOS) erfordert, auf deutsch: Sender und Empfänger müssen sich sehen. Doch das Prinzip der LOS-Verbindung kann gerade in städtischen und sehr dicht bebauten Gebieten zu Verbindungsstörungen führen.
Eines der Probleme, das zu Verbindungsstörungen in lokalen 5G-Netzwerken führt, ist der Auslöschungseffekt. Dieser Effekt tritt auf, wenn ein Signal über eine Sichtverbindung übertragen und gleichzeitig über Reflexionen kopiert wird. Die Kopie überlagert das Signal aus der Sichtverbindung und löscht es aus. Die Folge: Das Signal kommt nicht mehr beim Empfänger an. Diese Mehrwegeausbreitung über eine Nicht-Sichtverbindung (Non-Line-of-Sight, kurz NLOS) bleibt bei 5G, wie auch schon bei seinem Vorgänger 4G, ein Problem.
Aus diesem Grund ist die Entwicklung neuer Konzepte, die diese LOS- und NLOS-Szenarien besser beherrschen und die Zuverlässigkeit von Mobilfunkverbindungen massiv erhöhen, eines der Hauptziele von ARIADNE.
Höhere Effizienz und Zuverlässigkeit von 5G
Das EU-Projekt mit dem offiziellen Titel "Artificial Intelligence Aided D-band Network for 5G Long Term Evolution" bringt Partner aus Forschung und Industrie aus fünf Ländern zusammen. Das Ziel ist die Entwicklung einer energieeffizienten und zuverlässigen Mobilfunkkommunikation auf Basis von Frequenzen im sogenannten "D-Band" (zwischen 130-174,8 GHz). Da es im D-Band eine zusammengeklebte (= "aggregierte") Bandbreite von mehr als 30 GHz gibt, würde es sich hervorragend für den schnellen Datenverkehr eignen. Allerdings ist dieses neu genutzte Band in mehrere Teilbänder unterteilt und somit nicht am Stück zusammenhängend. Das macht die Sache etwas knifflig, man braucht eine Anpassung der bislang eingesetzten Funk-Systemarchitektur und der entsprechenden Netzsteuerung.
In ARIADNE soll durch die Kombination von einer neuartigen Hochfrequenz-Funkarchitektur sowie einem neuen Netzverarbeitungskonzept, das auf künstlicher Intelligenz basiert, ein intelligentes Kommunikationssystem "Beyond 5G", also als Weiterentwicklung von 5G, geschaffen werden. Bis zum Jahr 2022 möchte das Projektkonsortium eine Funkverbindung mit extrem hohen Datenraten im Bereich von 100-GBit/s bei nahezu Null Latenz realisieren und demonstrieren. Die Europäische Union fördert das Projekt im Rahmen des Programms Horizon 2020.
ARIADNE basiert auf drei großen Forschungsbereichen: Der Entwicklung von Hardware-Komponenten, der Erforschung von Metaoberflächen sowie der Anpassung der Netzsteuerung auf Basis von künstlicher Intelligenz bzw. maschinellem Lernen.
Bauelemente für eine verlässliche D-Band-Verbindung
Bei der Entwicklung von Hardware-Komponenten bringt das Fraunhofer IAF seine Kompetenzen aus dem Bereich der Hochfrequenzelektronik ein: Gemeinsam mit den Partnern entwickeln die Freiburger Forschenden neue Funktechnologien für die Kommunikation im D-Band (130-174,8 GHz). "Unser Schwerpunkt liegt dabei auf der Entwicklung von neuen Funkmodulen mit höchster spektraler Effizienz, die die Frequenz-Diversität ausnutzen und eine Steuerschnittstelle für die Optimierung im Netz bieten. Dabei soll erstmals unsere neue 20-nm-InGaAs-HEMT-Technologie auf Silizium eingesetzt werden", erklärt Dr. Thomas Merkle, Forscher und Projektkoordinator auf Seiten des Fraunhofer IAF.
Reflektierende Oberflächen
Um Netzstörungen bei NLOS-Verbindungen zu vermeiden, werden in ARIADNE Metaoberflächen (sog. metasurfaces) und ihr Beitrag zu einer Optimierung der Funkverbindung erforscht. Metaoberflächen sind verstellbare Reflektoren für Funkwellen und sollen Netzsteuerungsproblemen in urbanen Gebieten entgegenwirken. Wenn zwischen Basisstationen auf den Hausdächern und den Nutzern in den Häuserschluchten keine Sichtverbindung herrscht, sollen Metaoberflächen Funkwellen reflektieren und damit die Ausbreitung außerhalb der Sichtverbindung gewährleisten. Die Steuerung der Metaoberflächen soll über einen zentralen Netzcontroller erfolgen.
"Das Konzept der Metaoberflächen wird für 5G bereits teilweise umgesetzt, allerdings bislang nur für niedrige Frequenzen. Je höher die Frequenz der Funkverbindung, desto feiner müssen die Mikrostrukturen an der Oberfläche sein und für Frequenzen im D-Band sind die Strukturen sehr aufwendig in der Herstellung", erläutert Thomas Merkle.
Aus diesem Grund forscht das Projektteam an einer Entwicklung von neuartigen "Meta"-Oberflächen, die sich sowohl für die hohen Frequenzen als auch für die industrielle Produktion eignen. Am Fraunhofer IAF werden sogenannte "Reflect Arrays" untersucht. Dabei handelt es sich um kleine Metaoberflächen an Antennen, die der Strahlschwenkung und -bündelung dienen.
KI-basierte Netzsteuerung
Um die Funkverbindung (unabhängig von der Wetterlage) zu stabilisieren und zuverlässig zu machen, sollen Methoden des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz (KI) für das Netzmanagement eingesetzt werden. Bislang werden größtenteils klassische mathematische Verfahren für die Mobilfunksteuerung genutzt. In ARIADNE sollen nun KI-basierte Algorithmen zur Lösung von Problemen der Funkkommunikation zum Einsatz kommen.
Am Ende sollen die einzelnen Projektbausteine in einem Testsystem zusammengebracht werden, um zu zeigen, dass es funktioniert. Das erste Demonstrations-Objekt soll eine bei allen Wetterbedingungen zuverlässige Verbindung über 100 Meter mit einer Datenrate von 100 GBit/s erreichen. Das zweite Beispiel soll als Proof-of-Concept im Labor zeigen, wie eine Metaoberfläche die Ausbreitungsbedingungen für eine Funkübertragung in der Umgebung verbessern kann. So soll die Funktionsweise von Metaoberflächen bei hohen Frequenzen im Labor bewiesen werden.
Die Software-Entwicklung soll zu dem Zeitpunkt aufzeigen, dass das auf KI basierte Netzsteuerungssystem die Zuverlässigkeit über das gesamte D-Band-Netz erhöhen und die Steuerung von Metaoberflächen gewährleisten kann.
Diese extrem hohen Frequenzen stellen eine ziemliche Herausforderung dar. Turmhohe Sendestationen alle paar Kilometer helfen hier nicht mehr weiter.
Neben künstlicher Intelligenz kann auch virtuelle Realität bei Bau und Entwicklung neuer Produkte helfen.