Politik sieht keine Notwendigkeit für UKW-Abschalttermin
Alte analoge UKW-Radios werden noch lange nicht zum Elektroschrott
Bild: Ricatech
Die Geräteindustrie bräuchte ihn, die Automobilindustrie bräuchte ihn ebenfalls, einige ARD-Anstalten, das Deutschlandradio und wenige digital verbreitete Privatradioveranstalter fordern ihn, aber er wird wohl nicht kommen: Die Politik sieht keine Notwendigkeit, den alten analogen UKW-Hörfunk in Deutschland abzuschalten, ein verpflichtendes UKW-Abschaltdatum soll es in Deutschland – im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wie Norwegen oder die Schweiz – aller Voraussicht nach nicht geben. Das wurde auf einer Veranstaltung im Münchner Literaturhaus zum Thema "Radio auf allen Kanälen" über die Zukunft der analogen und digitalen Radioverbreitung deutlich. Teilnehmer der Privatradios, des Bayerischen Rundfunks sowie aus Medienaufsicht und Politik diskutierten im Rahmen der "VPRT radio lounge" zu diesem Thema.
Sender mit exzellenter UKW-Abdeckung sind Nutznießer
Ob sich DAB+ oder eine andere Technologie im Digitalbereich durchsetzen kann, oder ob der alte analoge UKW-Hörfunk auch in den kommenden zehn bis 20 Jahren den Ton angibt, sollen alleine der Markt und die Hörer entscheiden. Nutznießer sind vor allem die großen Privatsender mit exzellenter UKW-Abdeckung: Sie können sich weiter auf ihren Lorbeeren ausruhen und brauchen in den kommenden Jahren keine ernsthafte neue Konkurrenz befürchten, denn auf UKW ist kein Platz mehr für neue Veranstalter. Umgekehrt werden neue Hörfunkanbieter weiter mit einem Einstieg ins digitale Radio zögern, da die Marktdurchdringung mit Endgeräten viel zu gering ist und kaum Refinanzierungs- und Vermarktungsmöglichkeiten erlaubt.
Und auch die Automobilindustrie, die noch vor kurzem einen solch verpflichtenden UKW-Abschalttermin als Planungssicherheit forderte, wird Digitalradio in den Folgejahren weiter nur als Option gegen Aufpreis anbieten. Last but not least werden die Händler weiter auch in großen Mengen rein analoge Radios ordern, die Durchdringung mit Digitalradio-Geräten im Markt wird also – wie bisher – im Schneckentempo erfolgen. Aktuell kommen auf zehn verkaufte Radios nur eines, das die DAB/DAB+ Technologe beherrscht.
UKW Grundlage der Radioverbreitung, DAB+ macht Fortschritte
Alte analoge UKW-Radios werden noch lange nicht zum Elektroschrott
Bild: Ricatech
Der Abteilungsleiter Medien und Internet im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Medien, Energie und Technologie, Dr. Klaus-Peter Potthast, sprach sich gegen ein konkretes UKW-Abschaltdatum aus. Die Politik solle keine Technik festlegen, dies sei Aufgabe der Veranstalter. Er sagte allerdings, dass die Fortschritte von DAB+ insbesondere in der technischen Versorgung und bei den vorhandenen Endgeräten sowie deren Mehrwert durch zusätzliche Angebote inzwischen sichtbar wären. Für ein Gelingen seien insbesondere stärkere werbliche Aktivitäten für die neuen Digitalangebote erforderlich.
Florian Fritsche, Leiter digitale Unternehmensentwicklung Antenne Bayern, stellte die Bedeutung der unterschiedlichen Übertragungswege für einen privaten Radiosender vor. Dabei habe die UKW-Übertragung in den Bereichen Umsatz, Nutzung und Verbreitung mit jeweils über 90 Prozent die mit Abstand größte Bedeutung. Im digitalen Bereich steige insbesondere die Nutzung von IP-Streamingangeboten (Internetradio) und beginne, wirtschaftliche Relevanz zu entwickeln. Letztlich müsse Radio aber immer dort sein, wo die Hörer sind, deshalb mache es keinen Sinn, bestimmte Übertragungsstandards durch die Regulierung vorzuschreiben, wie das einige Parteien für DAB+ fordern.
Der Vorsitzende des Fachbereichs Radio und Audiodienste des VPRT, Klaus Schunk, bekräftigte die Bedeutung von UKW für das aktuelle Geschäftsmodell der privaten Radiosender: "Die Privatradios sind bereits heute digital auf allen Wegen vertreten. Trotzdem darf die UKW-Verbreitung nicht in Frage gestellt werden, schon gar nicht durch ein konkretes Umschaltdatum. Sie ist auch in absehbarer Zukunft mit Abstand die Grundlage unseres Geschäftsmodells."
Schunk reagierte jedoch auch auf Anschuldigungen, wonach der Privatfunkverband generell gegen das digital-terrestrische Radio sei. Die Privaten hätten "keine Vorbehalte gegenüber DAB+" und seien "digital dort, wo die Hörer sind." Schunk betonte, dass DAB+ nur einer von vielen digitalen Übertragungswegen sei. Er forderte eine gute Auffindbarkeit der Privaten auf den digitalen Plattformen und Übertragungswegen. Diese könnte mit einer digitalen Must-Carry-Regelung für die Privaten sichergestellt werden. Hinsichtlich der Zukunft von UKW, DAB+ und Internetradio sprach Schunk sich für einen technologieneutralen "Multi-Chip", also eine Abbildung von Radio auf allen Empfangsgeräten, aus.
Radio braucht auch digitalen Übertragungsstandard
Thomas Fuchs, Direktor der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH), stimmte den Forderungen von Klaus Schunk in wesentlichen Punkten zu, besonders zur Frage der Auffindbarkeit. Auch er sieht die Grundreichweite der Privatradios perspektivisch alleine durch UKW abgesichert und sprach sich gegen ein konkretes Abschaltdatum des analogen terrestrischen Hörfunks aus. Allerdings brauche das Radio zukünftig einen eigenen digitalen Übertragungsstandard. Derzeit sei dieser DAB+, ob noch etwas Neues oder Besseres käme, müsse sich zeigen.