Werbekunden

Krisen-Zeit: Radios kämpfen "mit angezogener Handbremse"

So langsam kommen Werbe­kunden in der Corona-Pandemie wieder zurück, heißt es bei Radio­sen­dern in Deutsch­land. Doch damit ist die schwie­rige Lage noch nicht gelöst. Beispiele aus Bran­den­burg, Bayern und Nord­rhein-West­falen.
Von dpa /

Radiosender kämpfen in der Corona-Krise ums Überleben (Symbolbild) Radiosender kämpfen in der Corona-Krise ums Überleben (Symbolbild)
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Friseur? Zu. Restau­rant? Zu. Shop­ping-Center? Zu. Die strengen Kontakt­be­schrän­kungen in der Corona-Krise hatten für private Radio­an­bieter in Deutsch­land harte Auswir­kungen. Mit geschlos­senen Läden und Betrieben brachen jede Menge Werbe­er­löse weg - die sind ein enorm wich­tiges Stand­bein für den Markt. Kaum jemand bucht Werbung für etwas, das man gerade nicht verkaufen kann. Die Branche sieht nach den Locke­rungen der Maßnahmen inzwi­schen wieder den Silber­streifen am Hori­zont - doch die Lage bleibt ange­spannt.

Beim Sender 89.2 Radio Potsdam in Bran­den­burg zum Beispiel gingen die Umsätze deut­lich zurück. Geschäfts­füh­rerin Juliane Adam erläu­tert: "Allein im Bereich der Veran­stal­tungs­be­wer­bung, also wenn Radio Potsdam Spots ausstrahlt für Veran­stal­tungen, die in Potsdam und Umge­bung statt­finden, spre­chen wir von einer Einbuße von rund 100 000 Euro. Und auch sonst werben die Unter­nehmen aktuell eher mit "ange­zo­gener Hand­bremse"."

Größere Einkaufs­center wollen gar nicht viele Kunden

Radiosender kämpfen in der Corona-Krise ums Überleben (Symbolbild) Radiosender kämpfen in der Corona-Krise ums Überleben (Symbolbild)
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Die Lage habe sich zwar wieder etwas entspannt. "Vor allem die Kunden, die komplett schließen mussten während des Lock­downs, kommen allmäh­lich zurück und buchen wieder." Adam schränkt aber ein: Vorsich­tiger als zuvor, "da zum Beispiel größere Einkaufs­center bisher nicht wollen, dass viele Kunden kommen, da sie fürchten, die Hygiene-Regeln nicht einhalten zu können."

Schnell zeich­nete sich in der Corona-Krise für die rund 270 privaten Radio­sender (darunter etwa 160 Lokal­ra­dios) ab, dass wie bei TV und Verlagen ebenso Werbe­um­sätze einbre­chen würden. Der Staat legte Hilfs­pro­gramme auf. In den Bundes­län­dern gibt es unter­schied­liche Projekte für die Radio­branche. Der Bund sattelte seiner­seits 20 Millionen Euro für private Hörfunk­ver­an­stalter drauf. Viele in der Branche finden das gut.

In den Bundes­län­dern beauf­sich­tigen die Landes­me­di­en­an­stalten den privaten Rund­funk und Medi­en­in­halte im Internet. Der Vorsit­zende der Direk­to­ren­kon­fe­renz, Wolf­gang Kreißig, betont: "Die Rund­funk­ver­an­stalter müssen weiterhin trotz nied­ri­gerer Werbe­ein­nahmen hohe Fixkosten stemmen." Die Hilfen des Staates geben nach seinen Worten zugleich Hoff­nung, dass die Betriebe durch die Krise kommen werden. "Uns ist nicht bekannt, dass einzelne Veran­stalter bereits ganz konkret von der Einstel­lung ihrer Geschäfte bedroht sind."

Inter­esse an Nach­richten nahm in der Krise zu

In der Krise zeichnen sich auch posi­tive Effekte ab: Das Inter­esse an Nach­richten nahm zu. Bei Radio Potsdam etwa ist der Hörer­zu­spruch deut­lich spür­barer als vor der Krise. "Das hat sicher auch damit etwas zu tun, dass sich die Menschen wieder sehr lokal infor­mieren wollen", sagt Adam.

Wie genau sich die Hörer­zahlen bei klas­si­schen Radio­sen­dern durch die Corona-Pandemie deutsch­land­weit verän­dert haben, ist noch nicht erfasst. Am Mitt­woch veröf­fent­lichte die Arbeits­ge­mein­schaft Media-Analyse (agma) eine Umfrage, die sich aller­dings nur auf den Zeit­raum bis Ende März bezieht und sich damit nur marginal mit der Zeit der großen Kontakt­be­schrän­kungen hier­zu­lande über­schnitt. Der Vorstand Radio/Audio der agma, Jan Isen­bart, geht davon aus, dass sich eine stei­gende Nutzung im Strea­ming-Bereich und ein leichter Rück­gang beim Hören im Auto­radio durch Lock­down und Home Office "aktuell die Waage gehalten haben könnten".

In Deutsch­land schalten demnach rund 52,8 Millionen Menschen ab 14 Jahren zwischen Montag und Freitag klas­si­sche Radio­sender über alle Verbrei­tungs­wege wie Geräte, Internet, Auto­radio ein. Die Tendenz ist in den wieder­keh­renden Umfragen leicht rück­läufig. In den Zahlen sind öffent­lich-recht­liche wie private Sender enthalten.

Viel mehr Hörer digital erreicht als zuvor

Die Unter­neh­mens­gruppe Antenne Bayern beob­achtet in der Krise diese Entwick­lung: "Die Menschen hören Radio nicht nur über UKW oder DAB+, sondern vermehrt online", erläu­tert Geschäfts­führer Felix Kovac. Die Programme Antenne Bayern und Rock Antenne haben demnach viel mehr Hörer digital erreicht als zuvor. Doch zugleich waren die Erlöse im ersten Halb­jahr nied­riger als geplant. "Derzeit spüren wir eine erste Erho­lung des Werbe­marktes. Wir können aber nicht absehen, wie sich das zweite Halb­jahr entwi­ckelt. Wir gehen davon aus, dass sich der Markt nicht vor 2021 norma­li­siert", sagt Kovac.

Ein ähnli­ches Bild bietet sich bei den Lokal­ra­dios von radio nrw in Nord­rhein-West­falen. Für Geschäfts­führer Sven Thölen ist klar: "Sowohl mit Blick auf Umsatz als auch auf Ergebnis werden wir massive, teils bedroh­liche Einbußen zu verzeichnen haben."

Nach den einschnei­denden Umsatz­rück­gängen im März und April habe sich die Situa­tion seit Mai diffe­ren­zierter entwi­ckelt. "Während bei unseren natio­nalen Vermark­tungs­er­lösen die Plan­un­ter­schrei­tungen nicht ganz so hoch ausge­fallen sind wie anfangs befürchtet, sind die lokalen und regio­nalen Einbußen teils noch immer drama­tisch. Mit dem vierten Quartal stehen uns die werbe­stärksten Monate und somit auch die größten Ausfall­ri­siken noch bevor." Thölen vergleicht diese außer­ge­wöhn­liche Corona-Zeit mit dem Fahren auf Sicht. Auch bei Radio nrw stieg der Zuspruch der Hörer. Jedoch: "Umso bitterer ist, dass wir diesen Erfolg und die erhöhte Reich­weite aufgrund der gerin­geren Werbe­nach­frage nicht mone­ta­ri­sieren konnten."

Klei­nere Veran­stalter beson­ders betroffen

Der Verband Privater Medien (Vaunet) rechnet bei lokalen, regio­nalen, landes- wie bundes­weiten Privat­sen­dern mit "deut­li­chen Umsatz­rück­gängen". Je kleiner die Veran­stalter seien, desto stärker treffe es sie. "Die Entwick­lung im zweiten Halb­jahr wird stark vom weiteren Verlauf der Pandemie und der gesamt­wirt­schaft­li­chen Lage des Landes abhängen", sagt die stell­ver­tre­tende Fach­be­reichs­vor­sit­zende Radio und Audio­dienste im Verband sowie Leiterin Medi­en­po­litik & Kommu­ni­ka­tion bei RTL Radio Deutsch­land, Nina Gerhardt. Eine Prognose für das Gesamt­jahr gibt der Verband wegen der Unwäg­bar­keiten erst­mals nicht ab.

Der Verband dringt darauf, dass die Hilfen des Staates schnell ankommen. Gerhardt fordert darüber hinaus: "Für eine wirt­schaft­liche Stabi­li­sie­rung der Sender werden jedoch noch weitere Schritte erfor­der­lich sein, wie zum Beispiel steu­er­liche Anreize für Werbe­in­ves­ti­tionen von Werbe­kunden und für die Verbrei­tungs­kosten der Sender."

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