Ecommerce

Auf Wachstumskurs: Online-Lebensmittelhandel boomt

Lange zögerten die Verbrau­cher in Deutsch­land beim Einkauf von Lebens­mit­teln im Internet. Doch seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie boomt das Geschäft. Das zwingt Hersteller und Händler zum Handeln.
Von dpa /

Dr. Oetker übernimmt den Online-Lieferdienst "Flaschenpost" Dr. Oetker übernimmt den Online-Lieferdienst "Flaschenpost"
Bild: picture alliance/Bernd Thissen/dpa
Die Oetker-Gruppe über­nimmt den Getränke-Liefer­dienst Flaschen­post und zahlt dafür angeb­lich eine Milli­arde Euro. Edeka baut sein Enga­gement beim Online-Liefer­dienst Picnic Schritt für Schritt aus und setzt dabei auch auf Geschäfte über Deutsch­land hinaus. Und Danone verkauft Baby­nah­rung von Milupa und Aptamil neuer­dings auch im eigenen Online-Shop. Die Corona-Krise hat des Einkaufs­ver­halten vieler Verbrau­cher geän­dert - Handels­ketten und Marken­her­steller versu­chen, darauf zu reagieren.

"Es herrscht eine Gold­grä­ber­stim­mung bei den Lebens­mit­tel­händ­lern im Internet. Das Corona-Jahr ist wahr­schein­lich das Jahr des Damm­bruchs beim Thema E-Food", sagt der Handels­experte Gerrit Heine­mann von der Hoch­schule Nieder­rhein. Ein anderer Bran­chen­kenner meint: "Jeder versucht, sich in Stel­lung zu bringen."

Wachs­tums­schub für Online-Lebens­mit­tel­handel

Dr. Oetker übernimmt den Online-Lieferdienst "Flaschenpost" Dr. Oetker übernimmt den Online-Lieferdienst "Flaschenpost"
Bild: picture alliance/Bernd Thissen/dpa
Fakt ist: Keine andere Branche hat im E-Commerce derzeit so hohe Wachs­tums­raten wie der Lebens­mit­tel­handel. Im dritten Quartal lagen die Umsätze nach aktu­ellen Zahlen des Bran­chen­ver­bandes bevh um mehr als 50 Prozent über dem Vorjah­res­niveau. Die Angst vor einer Anste­ckung und der Siegeszug des Home-Office haben dem Einkauf von Fleisch, Obst und Gemüse via Internet einen uner­war­teten Boom beschert. Und viele Händler wollen davon profi­tieren.

Das jüngste Beispiel ist der Oetker-Konzern. Bekannt ist Dr. Oetker vor allem für sein Back­pulver und seine Tief­kühl-Pizzen. Doch hat das Fami­lien­unter­nehmen auch eine große Geträn­kesparte, zu der unter anderem Deutsch­lands größte Braue­rei­gruppe Rade­berger mit Marken wie Jever, Schöf­fer­hofer oder Clau­sthaler, aber auch die Sekt­marken Henkell und Frei­xenet gehören. Nun über­nimmt Oetker auch noch den schnell wach­senden Online-Liefer­dienst Flaschen­post.

Die Kauf­ver­träge seien vor wenigen Tagen unter­zeichnet worden, teilte das Biele­felder Fami­lien­unter­nehmen mit. Nach Infor­mationen des Infor­mati­ons­dienstes "Deut­sche Startups.de" beträgt der Kauf­preis eine Milli­arde Euro. Oetker selbst machte dazu keine Angaben. Das 2016 gegrün­dete Start-up Flaschen­post liefert nach eigenen Angaben mitt­ler­weile in 23 Städten Getränke inner­halb von 120 Minuten an die Kunden aus. Ein Firmen­spre­cher betonte, Oetker sehe für Online-Liefer­dienste eine sehr gute Zukunft und habe sich deshalb zum Kauf entschlossen. Die Über­nahme muss noch vom Bundes­kar­tellamt geneh­migt werden.

Unter­nehmen stärken E-Commerce-Stand­beine

Für den Handels­experten Gerrit Heine­mann macht der Schritt viel Sinn: "Oetker will die Chancen nutzen, die sich gerade jetzt bieten." Mit Oetker und der Rade­berger Gruppe im Rücken werde Flaschen­post viel schneller expan­dieren können - und das nicht nur durch Auswei­tung des Liefer­netzes. "Flaschen­post könnte künftig auch die Gastro­nomie mit Getränken belie­fern, oder neben Sprudel und Bier auch Lebens­mittel in sein Angebot aufnehmen", speku­liert Heine­mann.

Auch Deutsch­lands größter Lebens­mit­tel­händler Edeka ist zurzeit dabei, sein E-Commerce-Stand­bein zu stärken. Schon vor einiger Zeit hat sich der Handels­riese an dem rasant wach­senden nieder­län­dischen Online-Lebens­mit­tel­händler Picnic betei­ligt und belie­fert ihn mitt­ler­weile auch über eine Toch­ter­gesell­schaft. Nun will der Konzern nach Infor­mationen des Brachen-Fach­blatts "Lebens­mittel Zeitung" seine Betei­ligung an Picnic Inter­national noch einmal kräftig aufsto­cken.

Edeka schlägt dabei zwei Fliegen mit einer Klappe. Der Händler stärkt sein Online-Stand­bein und erschließt sich gleich­zeitig neue Wachs­tums­mög­lich­keiten im Ausland. Schließ­lich will Picnic bereits in Kürze auch in Frank­reich, Groß­bri­tan­nien und Spanien an den Start gehen.

Skep­tiker: "Die Verbrau­cher in Deutsch­land sind am Ende doch sehr sparsam."

Doch nicht nur Händler, sondern auch immer mehr Marken­her­steller suchen den direkten Draht zum Kunden. So hat beispiels­weise der Danone-Konzern im Oktober einen eigenen Online-Shop für seine Baby-Nahrungs­marke Milupa gestartet. Bereits seit August gibt es ein ähnli­ches Angebot für die Danone-Marke Aptamil. "Wir sehen, dass für unsere Eltern ... digi­tale Ange­bote konti­nuier­lich wich­tiger werden", begründet ein Unter­neh­mens­spre­cher den Schritt.

Immer mehr Händler sind offenbar ange­sichts der Pandemie bereit, auf einen Durch­bruch beim Online­handel mit Lebens­mit­teln zu wetten. Doch gibt es auch Skep­tiker. Kai Hudetz vom Institut für Handels­for­schung (IFH) in Köln hat trotz des aktu­ellen Nach­fra­gebooms Zweifel an dem viel beschwo­renen Damm­bruch: "Wir sollten uns davor hüten, die jetzige coro­nage­prägte Sonder­situa­tion einfach fort­zuschreiben. Die Frage ist, ob der Konsu­ment auch nach der Krise bereit ist, für einen Liefer­ser­vice zu bezahlen. Da bin ich nach wie vor skep­tisch. Die Verbrau­cher in Deutsch­land sind am Ende doch sehr sparsam."

38 Milli­arden Dollar - so viel haben die vier Tech-Riesen Apple, Google, Face­book und Amazon im vergan­genen Quartal zusammen verdient. Die Corona-Krise hat ihrem Geschäft nicht geschadet - ganz im Gegen­teil. Mehr zu dem Thema lesen Sie in einer weiteren News.

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