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Hands-on Nokia 9 PureView: Smart­phone für Foto-Fans

Kamera-Innovationen waren einst das Markenzeichen von Nokia. Mit dem Nokia 9 PureView soll die Tradition wieder aufleben. Kann das gelingen? Unser Hands-on liefert einen ersten Hinweis.
Von Wolfgang Korne

Es ist eigentlich schade, dass die alte Nokia die Idee einer Handy-Kamera, die eine Kleinbildkamera ersetzen kann, nicht weiter verfolgt hat. Dabei waren die Finnen bereits auf dem besten Wege. Etwa mit dem Nokia 808 PureView, das mit einem 40-Megapixel-Sensor daherkam und so nicht nur ultrahoch aufgelöste Bilder schießen konnte, sondern durch Ausschnittvergrößerung auch Zoom-Aufnahmen in guter Qualität erstellen konnte. Und der Zusammenarbeit mit Microsoft entstammte das Kamera-Smartphone Nokia Lumia 1020.

Nokia 9 PureView

Mit dem Nokia 9 PureView nimmt HMD Global, das Unternehmen, das die Traditionsmarke übernommen hat, den Faden wieder auf. Die Kamera, die im neuen Smartphone verbaut ist, hat gleich fünf Kameras für Schwarz-Weiß und Farbaufnahmen eingebaut, eine sechste, sogenannte „Time of Flight-Kamera“, ist für Tiefenmessungen zuständig. Sie steuert den Autofokus und erlaubt, bei der späteren Bearbeitung ein Bokeh hinzuzufügen, von dem Besitzer herkömmlicher Kameras nur träumen können.

Design und Display

Die Mehrfeld-Kamera ist auch das beherrschende Designmerkmal. Die sechs Optiken plus ein kleiner LED-Blitz sind auf der Rückseite im Kreis angeordnet. In der Mitte thront eine Farbkamera, die auch für Videoaufnahmen genutzt wird. Die Kameras sind ganz in den Deckel aus Gorilla-Glas 5 eingelassen, lediglich die Aussparung für den LED-Blitz ist leicht spürbar.

Das Blau unseres Testgerätes zeigt einen irisierenden Effekt, der das Gerät ziemlich edel wirken lässt. Nicht ganz so toll: Die glatte Oberfläche ist schnell mit Fingerabdrücken verunstaltet. Zudem kommt das Gerät auf schiefen Ebenen, etwa einem Papierstapel auf dem Schreibtisch, schnell ins Rutschen.

Auf der Frontseite befindet sich das nicht ganz 6 Zoll große Display, das auf pOLED-Technik basiert. Es löst mit QHD+ (2880 x 1440 Pixel) auf und ist ebenfalls durch Gorilla Glas 5 geschützt. Das Display kann im ersten Eindruck sowohl was die Farben, als auch was die Helligkeit angeht, überzeugen. Im Test konnte die Anzeige auch gegen helle Sonneneinstrahlung gut mithalten.

Oben und unten gibt es einen etwa ein Zentimeter breiten Rand, eine Notch sucht man beim Nokia 9 PureView vergebens. Das gibt dem neuen Modell einen gewissen Old-School-Touch, der vielleicht den einen oder anderen Interessenten schon stören mag. Im oberen Teil des Rands sitzen die Sensoren, die Lautsprecheröffnung und die 20 Megapixel-Selfie-Cam. Die hat damit übrigens 8 Megapixel mehr Auflösung als die Pentacam auf der Rückseite, die mit 12 Megapixeln auflöst.

Der Fingerabdrucksensor ist in das Display integriert Der Fingerabdrucksensor ist in das Display integriert
Bild: teltarif.de/Korne
In das Display integriert ist der Fingerabdrucksensor. Nokia blendet ein entsprechendes Icon ein, damit man die Lage des Scan-Punktes wiederfindet. Im Gegensatz zu anderen Testern können wir uns über die Funktionalität nicht beklagen. Der Sensor erkennt die Fingerabdrücke sehr sicher. Allerdings muss man auf den Sensorpunkt leicht drücken, sonst funktioniert die Erkennung nicht. Das ist ein wenig ungewohnt.

Das Nokia 9 PureView geht ansonsten sparsam mit Bedienelementen um. Ein/Aus-Schalter, Lautstärke-Wippe auf der rechten Seite und eine USB-C-Buchse unten sind alles, was sichtbar ist. Dafür ist das Gerät auch nach IP68 gegen Staub und Wasser geschützt.

Leistung, Kamera und Fazit

Das Nokia 9 PureView geht noch mit der vorletzten Prozessor-Generation, dem Snapdragon 845, an den Start. Nokia begründet dies mit der langen Entwicklungszeit des Gerätes. Der neue 855 stand einfach noch nicht zur Verfügung. Das spielt im Alltag aber auch keine Rolle. Das Nokia 9 PureView lässt sich flüssig und ohne Ruckeln bedienen. Mag sein, dass das eine oder andere Handy-Game die Rechenleistung an ihre Grenzen bringt, in unserem Kurztest haben wir aber keines gefunden.

Für die Berechnung der Kamerabilder ist ein eigener Co-Prozessor zuständig, der die bis zu 240 Megapixel großen Bilddaten auf das Endformat von 12 Megapixeln herunterrechnet. Das dauert naturgemäß ein wenig, vor allem wenn die Tiefeninformationen eingefügt werden müssen. Diese Aufgabe läuft aber offensichtlich im Hintergrund ab, sie hat keine spürbaren Auswirkungen auf die Nutzung.

Die signifikante Hauptkamera des Nokia 9 Die signifikante Hauptkamera des Nokia 9
Bild: teltarif.de/Korne
Die Kameras haben alle die gleichen Brennweiten. Es sind Weitwinkelobjektive mit einem Kleinbildäquivalent von 27 mm, die Lichtstärke beträgt f/1,8. Die Bildpunkte sind mit 1,25 Mikrometer ziemlich groß geraten, was vor allem ein geringes Bildrauschen verspricht. Die Schwarz-Weiß-Kameras sind dabei für die Details in den Bildern zuständig. Und erste Testfotos zeigen, dass sie ihren Job gut machen. Wolken beispielsweise werden sehr schön durchzeichnet, Gräser und Pflanzen glänzen durch Detailreichtum.

Was uns bei den ersten Fotos auch aufgefallen ist: Die Kamera scheint sich ein wenig mit Gegenlicht schwer zu tun. Wir werden das aber noch in einem weiteren Test verifizieren müssen.

Die Bilder des Nokia 9 sind sehr detailreich. Die Bilder des Nokia 9 sind sehr detailreich.
Bild: teltarif.de/Korne
Mit der Mehrfeld-Kamera des Nokia 9 PureView kann man natürlich auch nur Schnappschüsse machen, aber das wäre eigentlich schade, denn die Kamera-App bietet ein immenses Feld an Optionen. Weil die Bilder auch im RAW-Format (als DNG-Datei) gespeichert werden, kann man die Bilder auch noch problemlos nachbearbeiten und etwa den Farbabgleich ändern oder versuchen, auch noch völlig missratene Aufnahmen zu retten.

Dafür benötigen die Aufnahmen aber viel Speicherplatz: 40 MB und mehr brauchen solche Aufnahmen. Wer viel fotografiert, kommt da auch bei 128 GB internem Speicher schon mal an die Grenze. Dann hilft nur fleißiges umspeichern, einen micro-SD-Karten-Slot gibt es nicht.

Einen guten Eindruck hinterließ der Klang. Nokia scheint dem eingebauten Lautsprecher viel Resonanzvolumen spendiert zu haben. Stimmen klingen sehr natürlich und klar und sind gut verständlich. Auch die Wiedergabe von Musik kann sich hören lassen, zumindest wenn man einen HiFi-Kopfhörer dazu benutzt. Lästig ist aber die fehlende Klinkenbuchse. Der stattdessen eingesetzte USB-Adapter ist unpraktisch und geht zudem leicht verloren.

Vorläufiges Fazit

Das Nokia 9 PureView macht auf den ersten Blick einen guten Gesamt-Eindruck, ohne durch große Schwächen aufzufallen. Es positioniert sich als Smartphone für engagierte Fotografen, die innovative Kamera fordert die Kreativität praktisch heraus.

Abseits davon ist das Nokia 9 PureView ein solides Smartphone, das durch Android One, guten Sound und einen für ein Flaggschiff-Modell durchaus vernünftigen Preis von 649 Euro (UVP) überzeugt. Schade nur, dass das übrige Design nicht mit dem futurischen Look der Kamera mithalten kann.

Sie wollen mehr über das Nokia 9 PureView wissen? In einem weiteren Beitrag haben wir bereits ein Unboxing des Nokia 9 dokumentiert.

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