1&1: Netzaufbau ab 3. Quartal, Netzstart erst später
Gründete vor 33 Jahren sein Imperium: 1&1-United-Internet Chef Ralph Dommermuth.
Foto: Picture-Alliance / dpa
Konkrete Nachrichten über den 4. Netzbetreiber 1&1 sind rar gesät, das Unternehmen hüllt sich seit der Auktion vor zwei Jahren in Mainz zu Details in Schweigen. Ab und zu spricht Firmenchef Ralph Dommermuth mit ausgesuchten, reichweitenstarken Medien, zuletzt mit der in Berlin erscheinenden Welt am Sonntag.
Dommermuth gilt längst als Internetmilliardär. Er gründete vor 33 Jahren die 1&1 EDV Marketing GmbH in Montabaur. Heute gehören ihm neben 1&1 die United Internet AG, darunter auch die Mail-Dienstleister Web.de und GMX, die auch Mobilfunkverträge anbieten. Der Welt am Sonntag verriet er kürzlich, dass beim Aufbau des vierten deutschen Mobilfunknetzes in 4G/5G-Technologie das Netz "ohne chinesische Anbieter“ aufgebaut werden soll.
Abschied von ZTE und Huawei
Gründete vor 33 Jahren sein Imperium: 1&1-United-Internet Chef Ralph Dommermuth.
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Lange hatte die Branche vermutet, dass 1&1 sich ein schlüsselfertiges Netz mit günstiger Technik vom chinesischen Anbieter ZTE mieten würde, um möglichst geringe Investitionskosten zu haben. Finanzinvestoren hätten ihre Gelder dann in das Netz von ZTE gesteckt und langfristig Rendite erwirtschaftet. Später kam noch der Name Huawei ins Spiel.
Da aber Technik aus China in der Politik als "heikel" gilt, wurde ein IT-Sicherheitsgesetz verabschiedet, das die Hürden für den Einsatz von Technik in sensiblen Netzbereichen hoch legt. Politisch vorbeeinflusste Kritiker fordern schon länger ein Verbot für Anbieter aus China, da sie mögliche Spionage oder Sabotage durch die chinesische Regierung befürchten. „Die Bedenken in der Politik wiegen über alle Fraktionen hinweg erkennbar schwer“, bestätigte Dommermuth. „Eine politische Genehmigung durchzukämpfen dürfte also ebenso schwer werden, und sie könnte jederzeit widerrufen werden.“
Eigenes Netz zunächst nicht auf dem Plan
Ein eigenes Netz war nicht immer sein Plan, bekannte Dommermuth. In der Vergangenheit war er als Service-Provider recht erfolgreich. Dort konnte er Vorleistungen (also Minuten, SMS/MMS und Megabyte) bei den Netzbetreibern (Telekom, Vodafone, E-Plus, o2) en gros einkaufen und daraus eigene Tarife schmieden. Eines Tages merkte er, dass die Netzbetreiber an reinen Service-Providern kein Interesse mehr hatten. Als dann E-Plus von o2 geschluckt wurde, reifte bei ihm der Entschluss: "Ich brauche ein eigenes Netz."
Behutsames Vorgehen
Dabei ging er behutsam vor. Die 1&1 wurde erst mit Drillisch verbunden, weil o2 auf Druck der EU-Kommission einen Vertrag mit Drillisch über Netzkapazitäten schließen musste. Ohne diesen Vertrag wäre die Fusion E-Plus o2 nicht genehmigt worden.
Nach der Teilnahme an der 5G-Auktion hat er knackige Bedingungen zu erfüllen: 1000 Stück 5G-Antennen bis Ende 2022 und eine Haushaltsabdeckung von 25 Prozent bis Ende 2025 bzw. 50 Prozent bis Ende 2030.
Baustart 3. Quartal - Netzstart dieses Jahr nicht mehr
Unternehmensstandort von 1&1, United Internet, web.de und GMX. hier sollen bereits Test-Sender des künftigen 4G/5G-Netzes laufen.
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Erstmalig nannte Dommermuth einen Termin: Der Bau des neuen Mobilfunknetzes soll im dritten Quartal (rechnerisch also ab Juli 2021) starten. Er will aber selbst keine eigenen Türme oder Standorte aufbauen, sondern sich bei den bereits existierenden Turmgesellschaften (wie American-Towers, Deutsche Funkturm, Vantage Towers etc.) einmieten. Die Standorte sollen mit Glasfaser von 1&1 mit seinen Rechenzentren verbunden werden.
Nach Beobachtungen von teltarif.de-Lesern waren oder sind Testsender auf seinem Standort in Montabaur und Karlsruhe in Betrieb. Um sie nutzen zu können, wären spezielle SIM-Karten (Netzcode 262-23) notwendig, die aktuellen Kunden von 1&1 oder Drillisch (bzw. seiner unzähligen Untermarken) haben derzeit nur SIM-Karten des o2-Netzes (Netzcode 262-03, vormals E-Plus) und vereinzelt noch Vodafone (Netzcode 262-02), Karten/Verträge im Telekom-Netz (Netzcode 262-01) gibt es nicht mehr.
Neuartiges Netz auf Open-RAN Basis
Im Unterschied zu den etablierten Netzen von Telekom, Vodafone oder Telefónica will 1&1 ein "neuartiges Netz" bauen, bei dem Bauelemente verschiedener Hersteller kombiniert werden. Dommermuth möchte dabei ausschließlich mit (kostengünstiger) Standard-Hardware arbeiten, wie man sie in Rechenzentren findet. Bei den Hochfrequenzbaugruppen und Antennen sollen klar definierte Schnittstellen benutzt werden.
Sämtliche Netzfunktionen sollen in einer Cloud liegen und per Software steuerbar sein. Die Branche nennt das Open-RAN. „Und da sind spezialisierte Anbieter aus der westlichen Welt derzeit führend“, erklärte Dommermuth der Welt am Sonntag seine Entscheidung.
Vor 2 Jahren Frequenzen ersteigert
Das frisch umbenannte Unternehmen 1&1 AG, das bis vor kurzem noch 1&1 Drillisch hieß, hatte 2019 sogenannte "5G"-Mobilfunkfrequenzen ersteigert. Aktuell hat 1&1 schon mehr als zehn Millionen Mobilfunkkunden, die unter dem Markennamen "1&1" oder "Drillisch" und seinen unzählige Untermarken bereits das Netz von Telefónica nutzen. Dafür zahlt 1&1 eine Miete an o2. 1&1 und Telefónica haben kürzlich eine Vereinbarung über das künftige nationale Roaming getroffen, wenn Nutzer des neuen 1&1-Netzes sich dort in das Telefónica-Netz einbuchen können, wo sie sonst keinen Empfang hätten. Ein Roaming-Abkommen zwischen 1&1 und Telekom oder Vodafone kam bislang nicht zustande.
Wird mehrere Jahre dauern
Dommermuth ist sich bewusst, dass es "mehrere Jahre dauern" wird, bis sein neues Netz steht. Er will ein kombiniertes 4G-und 5G-Netz bauen, weil er weiß, dass bereits Millionen nur 4G-fähige Geräte im Umlauf sind und seine Kunden sich nicht "zwangsweise ein 5G-Gerät kaufen müssen.“
Einen konkreten Zeitpunkt für die Freischaltung des ersten Nutzers im eigenen Netz kann er aber noch nicht nennen. Dieses Jahr werde das wohl noch nichts. Erst müssten die notwendigen Rechenzentren aufgebaut und eingerichtet werden.
Telefónica muss noch Server auf- und umbauen
Und dann muss auch Telefónica seine Hausaufgaben machen und die notwendige Soft- und Hardware für die "neuen" National-Roaming-Kunden aufbauen und in Betrieb nehmen. Erst dann könnten Kunden von anderen Netzen zum eigenen Mobilfunk-Netz von 1&1 umziehen und im o2 Netz an den Orten roamen, an denen 1&1 noch kein eigenes Funknetz bietet.
Wer liefert die Technik?
Wer 1&1 das neue Netz baut bzw. die Technik liefert, wollte Dommermuth noch nicht verraten, erst "wenn die Verträge unterschrieben sind." 1&1 will sich auf Deutschland fokussieren und schneller und marktnäher sein. Durch die Verwendung der "neuesten Architektur" müsse man nicht auf herkömmliche Netze aufsetzen und könne kostengünstiger produzieren.
Hat 1&1 das Potenzial zum Herausforderer? Wir haben das analysiert.