5G vs. Höhenmesser: Luftfahrtbranche erpresst Mobilfunker
Schon mehrfach haben wir über die Diskussionen um die Sicherheit des Flugverkehrs und mögliche Störungen durch 5G in den USA berichtet. Der dänische Mobilfunkmarkt-Spezialist John Strand, der sich regelmäßig mit tiefergehenden Analysen zu Wort meldet und die Branche wie kein zweiter kennt, fragt, warum die Luftfahrtindustrie die Farce der FAA mitmache.
Grounding von 5G im C-Band eine Farce?
Etwa fünf Jahre lang hatten sich die politischen Entscheidungsträger in den USA bemüht, die Führungsrolle der USA im globalen 5G-Wettlauf zu sichern, einschließlich flexibler Nutzungslizenzen für 5G in mehreren Frequenzbändern wie dem sogenannten "C-Band" und auf anderen Frequenzen. 5G wurde 2019 gestartet und in den USA ziemlich zügig eingeführt.
Starttermin von 5G lange vorher bekannt
Als Starttermin für 5G im C-Band wurde der 5. Dezember 2021 festgelegt, nachdem die US-Regulierungsbehörde "Federal Communications Commission" (FCC) umfangreiche Tests, Vorbereitungen und Erfahrungen mit der Einführung von Mobilfunkdiensten durchgeführt hatte.
Schon im März 2020 wurden die Frequenzpläne für das C-Band veröffentlicht. In letzter Minute hatte die US-Luftaufsichtsbehörde "Federal Aviation Administration (FAA)" eine "kryptische" Sicherheitswarnung herausgegeben, worin zu lesen war, dass es zwar keine Beweise dafür gebe, dass 5G den Betrieb von Höhenmessern bei Flugzeugen beeinträchtigt, die Piloten aber dennoch auf ihre Instrumente achten sollten. Angeblich sei die FAA über Interferenzen mit veralteten Höhenmessern in alten Flugzeugen und Hubschraubern besorgt. Da es keine technischen Vorschriften für Höhenmesser gibt, scheine die FAA nur eine begrenzte Vorstellung davon zu haben, wo diese veralteten Höhenmesser sind und wie viele es gibt.
Informationsmangel in den USA - in anderen Ländern kein Problem
Kann 5G am Boden die Höhenmesser in der Luft stören?
Foto: Picture Alliance/dpa/AP
Trotz des eingeräumten Informationsmangels habe sich die FAA gerühmt, dass der US-Luftraum der komplexeste der Welt und seine Sicherheit die beste sei. Während mehr als 40 Nationen schon 5G in etwa 200 Netzen und ohne jegliche Probleme für die Luftfahrt eingeführt hätten, sei die Lage mit der FAA zu einer "nationalen Peinlichkeit" geworden. Starke Worte.
Wie konnte das passieren?
Die US-Regulierungsbehörde für Telekommunikation (FCC) kümmert sich seit über 80 Jahren um Interferenzen im Hinblick auf Sicherheit und Koexistenz und hat sich schon früher mit diesen Fragen befasst. Die FAA und die FCC arbeiten normalerweise bei der Einführung von Drahtlos-Technologien (3G, 4G usw.) zusammen, weiß Strand. Nur: Jetzt sei das anders.
Rein theoretischer Streit
Die FAA habe diesen ganzen Streit auf eine theoretische Modellierung mehrerer Worst-Case-Szenarien mit veralteten Höhenmessern gestützt, nicht auf Tests mit der tatsächlichen vorhandenen Ausrüstung, die in modernen Flugzeugen oder 5G-Netzwerken verwendet wird. Tatsächlich bestätigte die FAA, dass sie keine Beweise für tatsächliche Interferenzen habe. Die Wahrheit könnte unabhängig überprüft werden, aber die FAA hätte sich entschieden, dies nicht zu tun.
Stattdessen habe sich die FAA mit verschiedenen Luftfahrtverbänden (Piloten, Fluggesellschaften und Flugzeuge) abgesprochen, in der Hoffnung, dass sie die Mobilfunkindustrie dazu bringen können, etwa 100 Millionen Dollar für die Aufrüstung von Höhenmessern zu zahlen. Darüber hinaus biete 5G der FAA eine gute Gelegenheit, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von der schlechten Leistung der Fluggesellschaften und den zahlreichen regulatorischen Mängeln abzulenken.
Ja, so schimpft Strand weiter: Die FAA habe keine Skrupel, die Öffentlichkeit mit gefälschten Sicherheitswarnungen zu erschrecken, wenn sie damit ihr größeres Ziel erreicht: Die Bedeutung der Luftfahrtindustrie zu erhalten.
Haben andere Länder dieses Problem auch?
Frankreich, als eines von mehr als 40 Ländern, habe dieses Problem überhaupt nicht. Im Gegensatz zu den USA habe Frankreich Vernunft, Wissenschaft und Beweise eingesetzt, um die Behauptung zu prüfen, dass 5G-Übertragungen die Höhenmesser stören. Als die theoretische Studie im Oktober 2020 veröffentlicht wurde, habe Frankreichs Nationale Frequenzagentur (ANFR) sie ernst genommen. Sie berief die relevanten Parteien ein: Die französische Zivilluftfahrtbehörde (DGAC), die französische Telekommunikationsregulierungsbehörde (Arcep) und die Industrie, darunter der Flugzeughersteller Airbus. Sie erstellten einen Testplan, führten Tests durch und entwickelten anschließend Abhilfemaßnahmen an Flughäfen. Dabei gelang es ihnen, die 5G-Einführung im Zeitplan zu behalten.
Frankreich handelte vorbildlich
In Frankreich hätten die Regierungsbehörden erkannt, dass sie zum Wohle der Bevölkerung zusammenarbeiten müssen. Sie hätten erkannt, dass Flugsicherheit und 5G zusammen existieren können und müssen. Die französische ANFR habe "in Wochen gelöst, wofür die FAA Monate gebraucht hat" - und die FAA scheine "5G auf unbestimmte Zeit aussetzen" zu wollen.
Japan: 5G auf Höhenmesser-Frequenzen
In Japan ist die Situation sogar noch interessanter. Dort sind sogar 5G-Frequenzen zwischen 3,6 und 4,2 GHz freigegeben, d.h. der Frequenzbereich der Höhenmesser (4,0-4,2 GHz) wird parallel von 5G genutzt und damit "überlagert". Dennoch berichten die Japaner von keinerlei Problemen für die Luftfahrt. In Japan sind bereits "Zehntausende von Basisstationen" im Einsatz, und die Netze sollen wohl wesentlich dichter als in den USA ausgebaut sein.
In Japan gebt es sogar noch weniger Einschränkungen für die Netzbetreiber an Flughäfen als in den USA. Wie die USA sei auch Japan auf seine technologische Führungsrolle stolz. Zumal die innovativen Branchen in den Bereichen Elektronik, Kommunikation, Software, Unterhaltung und Automobilbau auf Netze der nächsten Generation wie 5G angewiesen seien. Strand stellt fest: "Die Japaner haben also ihr Problem gelöst, oder besser gesagt, sie lassen nicht zu, dass sich ein falsches Problem etabliert."
Wie kann man erklären, was in den USA geschieht?
Strand wirft der US-Regierung vor, versagt zu haben. Die Regulierungsbehörden hätten ihren Auftrag, den Menschen zu dienen, aus den Augen verloren und würden von der Industrie vereinnahmt, insbesondere von der FAA, die sich den Berufsverbänden der Piloten, Fluggesellschaften und Flugzeuge verpflichtet fühlt. Airbus sei ein Beispiel für ein Unternehmen, das zwei unterschiedliche Aussagen gemacht habe. In Frankreich ist Airbus ein Befürworter von 5G. Aber in den USA haben sie öffentlich erklärt, dass 5G im C-Band ein Problem darstellt. Strand findet das unlogisch, denn die Physik von 5G funktioniere überall auf dem Planeten Erde gleich.
US-Präsident könnte das Problem lösen
Dieses Problem hätte der US-Präsidenten sofort lösen können. Behörden und politischen Parteien seien durch Unternehmensinteressen beeinflusst. Von der FAA gebe es falsche Sicherheitsinformationen. Den Menschen werde 5G im "C-Band" vorenthalten, also "ultraschnelles drahtloses" Breitband. Das gelte auch für Ausländer, die in die USA reisen und ihre 5G-Telefonfunktionen im C-Band nicht nutzen können, sobald sie in die USA kämmen.
Wie haben die US-amerikanischen 5G-Anbieter darauf reagiert?
Zusätzlich zu den bereits bestehenden Regeln bei Störungen und einem riesigen Frequenzschutzabstand zwischen 5G-Mobilfunk und Höhenmessern hätten die US-Netzbetreiber freiwillig die strengsten Sendebedingungen in der Nähe von Flughäfen von allen Ländern der Welt eingeführt. Dazu gehören die Senkung der Sendeleistung und die Veränderung der Abstrahlrichtung. Diese Bedingungen seien bereits vor einigen Wochen von den US-Behörden akzeptiert worden.
US-Luftfahrt will Geld für Umrüstung
Dann habe die Luftfahrtindustrie, die immer noch auf extra Geld für die Aufrüstung ihrer Höhenmesser warte, den Druck erhöht, woraufhin die FAA eingeknickt sei.
5G, das C-Band und Höhenmesser - die Technik
5G- oder 5.-Generation-Signale für schnelles Internet werden über die Luft und nicht über Kabel übertragen. Die 5G-Standards werden von einer professionellen globalen Organisation namens Third Generation Partnership (3GPP) entwickelt. 5G sorge für Wettbewerb auf dem Breitbandmarkt, da es wirtschaftlicher drahtgebundene Technologien installiert werden könne.
Das sogenannte "C-Band" umfasst Funkfrequenzen zwischen 3,7 und 4,2 GHz. Das C-Band wurde für 5G weltweit harmonisiert, da es über physikalische Eigenschaften verfügt, die sich gut für Breitband eignen, einschließlich der Fähigkeit, große Datenmengen über (relativ) große Entfernungen zu übertragen. Die nordamerikanischen, asiatischen und europäischen Frequenzbänder stimmen zwar nicht genau überein, aber es gibt Überschneidungen, sodass die physikalischen Eigenschaften die gleichen sind. Um dies zu kompensieren, haben die USA auf zweimaligen Wunsch der Luftfahrtindustrie ein 220-MHz-Schutzband für den Betrieb von Höhenmessern eingeführt, das sicherstellt, dass sich die Übertragung von 5G und Höhenmessern nicht gegenseitig stören.
Ökonomen und Frequenzexperten haben festgestellt, dass das Schutzband, das alleine so groß ist wie der für 5G lizenzierte C-Band-Bereich, übertrieben sei. Darüber hinaus stelle es einen Verlust für die Gesellschaft dar, da man die Frequenzen auch hätte lizenzieren könne, dem US-Schatzamt entgingen dadurch Einnahmen in Höhe von mehreren Milliarden Dollar. Die weitere Ungerechtigkeit besteht darin, dass eine Handvoll "atavistischer (schlicht denkender) Höhenmesser-Akteure" gegenüber etwa 300 Millionen Amerikanern, die mehr Breitband wollen, bevorzugt würden.
Ein Höhenmesser ist ein Messgerät an Flugzeugen, mit dem die Entfernung zum Boden gemessen wird. Anders als die Anbieter von 5G-Telefonen und -Infrastrukturen beteiligen sich die Hersteller von Höhenmessern nicht an einem globalen Standardisierungsprozess. Während moderne Flugzeuge über mehrere moderne Höhenmesser verfügen, haben alte Flugzeuge logischerweise noch alte Höhenmesser. Die US-Aufsichtsbehörden haben die Höhenmesser nicht reguliert, weil dies zusätzliche Kosten für die Luftfahrt verursache, die jedoch im Großen und Ganzen minimal seien. Diese ganze Situation hätte vermieden werden können, wenn die Hersteller von Höhenmessern ihre Produktentwicklung den modernen technischen Standards früher angepasst hätten.
Haben FAA und die Luftfahrtindustrie jahrelang im Cockpit geschlafen?
Für Strand ist "verdächtig", dass die FAA "fünf vor 12" eine Ankündigung zu einem angeblich ernsthaften Sicherheitsproblem gemacht habe, für das es keine tatsächlichen Beweise gebe. Auch die anschließenden Vorwürfe der Luftfahrtakteure, die sich gerade auf eine Entschärfung des Problems geeinigt haben, seien nicht gerade glaubwürdig. Besonders ärgerlich findet er, dass ein und derselbe Flugzeughersteller (Airbus) das C-Band 5G in 40 Ländern absegnet und plötzlich behauptet, es gäbe ein Problem in den USA.
Boeing-Katastrophe hatte ähnliche Ursachen?
Die Katastrophe mit der Boeing 737 Max im Jahr 2020, die auf die Auslagerung der Sicherheitsaufsicht durch die FAA (und die damit verbundene Vertuschung von Whistleblowern) zurückzuführen sei, wäre den Menschen noch gut im Gedächtnis. Es kostete dem Chef von Boeing den Job und die Boeing-Aktionäre verloren 60 Milliarden Dollar. Es brauche nicht viel, um die Angst vor einem abstürzenden Flugzeug zu schüren.
In einem Senatsbericht waren die Versäumnisse der FAA, die zu der Katastrophe geführt hatten, detailliert aufgezeigt worden, aber es sei nicht klar, ob diese Probleme inzwischen gelöst wurden. Dazu gehöre, dass leitende FAA-Manager nicht zur Rechenschaft gezogen wurden, weil sie es jahrzehntelang versäumt hätten, sich weiterzubilden. Außerdem habe die FAA Vergeltungsmaßnahmen gegen Informanten ergriffen und der Rechtsberater des Verkehrsministeriums habe es versäumt, Vorwürfe im Internet zu prüfen oder vom Kongress angeforderte relevante Dokumente vorzulegen.
Branche wusste seit Jahren Bescheid
Die FAA und die Luftfahrtindustrie wüssten seit Jahren über 5G im C-Band Bescheid, hätten aber wenig bis gar nichts getan, um auf ein Problem hinzuweisen. Wenn 5G ein legitimes Sicherheitsproblem wäre, hätten die Luftfahrtakteure früher gehandelt, um die Einführung in den USA und weltweit zu verhindern. Stattdessen witterten die FAA und die Luftfahrtindustrie ihre Chance. Die FAA wolle die Regulierung auslagern und "symbolische Sicherheitsforderungen erheben" anstatt sich um die legitime Sicherheit zu kümmern.
Strand bringt das auf die Formel "Erpressung". Das sei kriminell, aber "unabhängige" Regulierungsbehörden wie die FAA würden zu wenig vom Kongress oder dem Weißen Haus beaufsichtigt.
Die US-Mobilfunkanbieter sind der Luftfahrtindustrie erneut entgegengekommen.