Datenschutz

Handydatenerfassung in Dresden hat juristisches Nachspiel

Abgeordnete und Journalisten legen Beschwerde ein
Von dapd / dpa / Susanne Kirchhoff

Auch die Berliner tageszeitung geht juristisch gegen die Datenerfassung vor. Sechs Journalisten des Blattes legten am Donnerstag Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft Dresden ein. Ziel sei es, die Rechtswidrigkeit der Aktion feststellen zu lassen. Chefredakteurin Ines Pohl sagte, in dem Fall sei die "Grundlage der Pressefreiheit staatlich außer Kraft gesetzt" worden.

Nach Ansicht des früheren Bundesinnenministers Gerhart Baum (FDP) war die Funkzellenabfrage "in hohem Maße unverhältnismäßig". Das Bundesverfassungsgericht habe für das Einbeziehen von Unverdächtigen in Fahndungsmaßnahmen enge Grenzen gesetzt. Die Maßnahme sei zudem nicht wirkungsvoll, da die gewonnenen Informationen kriminologisch kaum verwertbar seien. Das sei "das Schlimmste, was passieren kann: einschneidende Eingriffe in die Grundrechte auf der einen Seite und kein wirklicher Gewinn für die Ermittlungsbehörden auf der anderen Seite".

Grüne wollen mehr Rechte für Datenschutzbeauftragten

Die Grünen im sächsischen Landtag forderten unterdessen eine Informationspflicht an den Landesdatenschutzbeauftragten sowie die Betroffenen bei Datenpannen. Zudem soll der Datenschutzbeauftragte nach Verstößen Löschung, Sperrung oder Unterlassung der Verarbeitung anordnen dürfen. Die Fraktion werde in der kommenden Woche im Landtag bei Beratungen über eine Novelle des Datenschutzgesetzes Änderungsanträge stellen.

Aufgrund von Ermittlungen wegen schweren Landfriedensbruchs durch gewalttätige Demonstranten hat die Dresdner Polizei mindestens 138 000 Daten von Handynutzern gespeichert. Dabei handelt es sich nach Angaben der Dresdener Staatsanwaltschaft aber weder um Inhalte von Kurzmitteilungen noch um Gesprächsaufzeichnungen.

Funkzellenauswertung wird bundesweit regelmäßig eingesetzt

Die Funkzellenauswertung ist ein Fahndungsinstrument, auf das die Ermittler bereits seit vielen Jahren bundesweit zurückgreifen. Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, werden jedes Jahr in Zigtausenden Fällen entsprechende Abfragen vorgenommen. In Sachsen war dies 2009 insgesamt 644 Mal der Fall, bundesweit erfassten die Statistiker im selben Jahr 15 707 Fälle.

Die Ermittler berufen sich auf Paragraf 100 g der Strafprozessordnung (§ 100g StPO) in Verbindung mit dem Telekommunikationsgesetz. Demnach dürfen auch ohne Wissen der Betroffenen Handyverbindungsdaten gesammelt und ausgewertet werden. Allerdings muss es um eine Straftat von erheblicher Bedeutung gehen. Zudem müssen andere Ermittlungsansätze ausgeschöpft sein.

In der Praxis regt die Polizei eine Funkzellenauswertung bei der Staatsanwaltschaft an. Grundlage für die Abfrage ist in jedem Fall ein richterlicher Beschluss. Im Ergebnis erhält die Polizei von den Providern die Handydaten. Zur Verfügung gestellt werden beispielsweise Beginn und Ende der jeweiligen Verbindung. Gesprächsinhalte werden nicht erfasst.

In Sachsen wurde die Maßnahme in der Vergangenheit unter anderem nach dem Anschlag auf den Fuhrpark der Heeres-Offiziersschule in Dresden angewendet. Während sich dort trotz der Sammlung Tausender Handydaten kein Fahndungserfolg einstellte, gelang es den Ermittlern nach eigenen Angaben Mitte 2008, eine ausländerfeindliche Attacke von Hooligans in Dresden aufzuklären. Auf die Spur kamen die Fahnder so auch den mutmaßlichen Tätern eines Brandanschlags auf ein linkes Wohnprojekt im August 2010 in Dresden. Damals wurden jeweils mehrere Zehntausend Handydaten ausgewertet.

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