Gaffen und Filmen

Polizei ärgert sich über Handy-Schaulustige

Wenn Neugier in Gaffen umschlägt, Schaulustige die Rettungs­arbeiten behindern und es zu Rangeleien mit Einsatz­kräften kommt, dann versteht die Polizei keinen Spaß mehr. Es kann hohe Geldbußen hageln. Einige Bundesländer reagieren mit Sicht­schutz­wänden.
Von dpa / Paulina Heinze

Auto fährt in Eisdiele Tragischer Unfall in Bremervörde
Bild: dpa
Dutzende Rettungs­kräfte arbeiten fieberhaft am Unfallort. Doch als wäre das Unglück nicht genug, kommt es zu Hand­greiflich­keiten zwischen Polizisten und Schau­lustigen. Die Arbeit von Polizisten und Feuerwehr­leute wird oft durch Gaffer behindert, auch beim tragischen Unfall in Bremervörde war das der Fall. Dort krachte ein Auto in eine Eisdiele, ein zweijähriger Junge und ein 65 Jahre alter Mann sterben.

"Es ist ehrverletzend und menschen­unwürdig, dort zu filmen, wo Menschen im Blut liegen und um ihr Leben ringen und die Einsatz­kräfte alles tun, um zu retten", kritisiert der niedersächsische Vorsitzender der Polizei­gewerkschaft GdP, Dietmar Schilff. Für die Polizei sei das ein Riesen­problem. Die Grenze laufe ganz klar dort, wo die Arbeit der Einsatzkräfte behindert werde. "Das muss geahndet werden, und es können Bußgelder bis zu 5 000 Euro ausgesprochen werden", sagt Schilff, der auch GdP-Vize-Bundes­vorsitzender ist.

Den Vorfall in Bremervörde vom Sonntag nennt Polizei­sprecher Heiner van der Werp von der Polizei­inspektion Rotenburg eine "schlimme Geschichte des Gaffens". Ein 25-Jähriger wollte mit seinem Handy den Unfallort filmen, störte damit aber den Einsatz. Dem Mann wurde das Filmen untersagt. Er verließ den Unfallort, kam aber mit Verstärkung zurück. Dann kam es zum hand­festen Gerangel mit Polizisten. Van der Werp: "Zwei Beamte wurden leicht verletzt, eine Brille ging zu Bruch." Es erging Anzeige wegen Widerstandes gegen Polizei­beamte.

Sichtschutzwände sollen Opfer vor Blicken bewahren

Auto fährt in Eisdiele Tragischer Unfall in Bremervörde
Bild: dpa
Um solche Situationen zu verhindern, haben einige Bundesländer Sichtschutz­wände angeschafft, die vor dem Unglücksort aufgestellt werden, um die Opfer in ihrer Hilflosigkeit vor den Blicken und Handy-Kameras anderer zu schützen. Schilff verwies unter anderem auf Nordrhein-Westfalen, wo die Behörden zwölf Anhänger anschafften, auf denen jeweils 100 Meter Sichtschutz untergebracht sind. Die 2,10 Meter hohen Wände sind mit dunkelgrüner Plane bespannt und haben quadratische und runde Klappen, durch die der Wind rauschen kann, damit er sie nicht umreißt. Auch Bremen verfügt über Sichtschutz­wände.

Für das niedersächsische Innen­ministerium ist das ein bekanntes Phänomen. Je größer oder spektakulärer das Unglück sei, desto größer sei auch das Interesse von Unbeteiligten. Die Verbreitung von Smartphones habe die Entwicklung verstärkt. Natürlich komme es dadurch immer wieder zu unerwünschten Störungen oder teilweise sogar zu einer Gefährdung von Rettungs­arbeiten, sagt der Ministeriums­sprecher.

Gewerkschafts­vorsitzender Schilff, selbst Polizei­hauptkommissar, schränkte ein, dass es sich bei den wirklich harten Gaffern, die die Arbeit der Einsatzkräfte behindere, um eine Minderheit handelt. Zum Alltag gehört heute für Polizei und Feuerwehr aber, dass Fotos und Videos oft schon Minuten nach Unfällen in den sozialen Netzwerken im Internet kursieren. "Das ist ein Art von Neugier und ein öffentliches Kundtun nach dem Motto: Ich war dabei", versucht Schilff selbst ratlos die Motivation der Handy-Filmer zu erklären.

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