Entwicklung

Navteq will Handydaten zur Stauvermeidung nutzen

Handover-Daten sollen dieses Jahr für TMCpro verwendet werden
Von Jan Rähm

Zur Cebit 2009 wird das Unternehmen Navteq [Link entfernt] - bisher vor allem als Lieferant digitaler Karten für Navigationsgeräte bekannt - ein neues System zur intelligenten Verkehrserfassung starten. Dafür nutzen die Navigationsspezialisten eine Technik namens "Floating Phone Data" (FPD). Der Navteq-Produktmanager Andreas Erwig erklärt gegenüber teltarif auf der CeBIT-Preview: "Floating Phone Data soll bisherige Verkehrsinformationsdienste um Bewegungsdaten ergänzen". Damit erweitert FPD den bereits existenten Dienst TMCpro, der via UKW Autofahrer über Staus und Behinderungen informiert. Dafür nutzt TMCpro zur Zeit vier verschiedene Quellen.

Andreas Erwig erläutert, das als erste Datenquelle die Informationen dienen, die von Behörden wie Polizei und Feuerwehr gemeldet werden. Als zweiter Lieferant fungieren technische Einrichtungen wie Kontaktschleifen auf Fahrbahnen. Dieses zählen die Menge der vorbeifahrenden Fahrzeuge in einer bestimmten Zeit. Über Infrarotsensoren, wie sie am Mittelpfeiler von Autobahnbrücken oft angebracht sind, erhält Navteq durch spezielle mathematische Berechnungen Stauprognosen, die über die Fahrzeugdichte auf der linken Spur einer mehrspurigen Straße errechnet werden. Als vierte Quelle nutzt Navteq jene Daten, die über Programme wie BMWs "Connected Drive" - ein spezielles Fahrinformations- und Kommunikationssystem - anonymisiert erzeugt werden.

Staudaten kommen vom Handy

So funktioniert TMCpro heute Neu ist nun die fünfte Quelle, besagtes Floating Phone Data. Diese Technik werten Daten und Informationen aus Mobilfunkzellen aus. Andreas Erwig erklärt: "Jeder Handybenutzer bucht sich mehrfach täglich ganz unbemerkt in verschiedene Mobilfunkzellen ein. Daraus lassen statistische Daten ermitteln." Einerseits dient die Anzahl der momentan eingebuchten Handys zur Ermittlung, wieviele Menschen vermutlich gerade innerhalb einer Zelle sind. Umfasst diese Zelle ein Autobahn, lässt sich hochrechnen, wie voll die schnelle Straße ist. Genauer werden die Daten durch die Auswertung der sogenannten "Handover-Events". Navteq setzt dabei auf die Daten von T-Mobile.

Als Handover-Event wird die statistische Betrachtung bezeichnet, die die durchschnittlichen Aufenthalts- und Wechselzeiten innerhalb und zwischen Zellen umfasst. Kurz: Der Computer schaut wie lange ein Handy in einer Mobilfunkzelle eingebucht ist und vergleicht den Wert mit einer Statistik. So lassen Rückschlüsse auf den momentanen Verkehr ziehen. Beispielsweise sind 500 Handys in einer Zelle, die sich über einer großen Autobahn befindet, eingebucht und wechseln erst nach verhältnismäßig langer Zeit in die darauf folgende Zelle. Normalerweise findet der Wechsel laut Statistik jedoch schon nach wenigen Sekunden oder Minuten statt. Daraus lässt sich folgern, dass die Straße von einem Stau betroffen ist.

Um die Technik noch zu verfeinern wird versucht mögliche Unschärfen zu beseitigen. Solche Unschärfen sind zum Beispiel Züge der Bahn oder große Reisebusse. Jedoch erkennt das System einen nahezu simultanen Zell-Wechsel einer großen Zahl von Handys als Anomalie und verwirft diese Daten. So ließen sich sogar einzelne Züge inklusive deren Verspätung identifizieren, scherzt Andreas Erwig.

Neue Übertragungsform zum Navi muss her

Mehr Stau-Infos dank Handy Bei so vielen Informationen droht die neue Technik an der Übertragung zu scheitern. Das warum erklärt Andreas Erwig: "Bisher nutzen Verkehrsinformationsdienste den analogen Rundfunk über UKW zur Übertragung ihrer Daten. Doch der analoge Kanal ist nicht mehr leistungsfähig genug." Darum müssen neue Wege her. Einer, der bereits genutzt wird, ist die mobile Datenübertragung über das Mobilfunknetz. Schon GPRS verfüge über eine ausreichende Bandbreite. Besser seien jedoch EDGE oder UMTS, erläutert der Navteq-Mitarbeiter. Ein zweiter Weg zur Übertragung ist der digitale Rundfunk. Hier wäre genug Bandbreite verfügbar, auch Zusatzkosten durch Handy-Nutzung. Doch leider sei das bisherige DAB-Netz zu lückenhaft und zu wenig standardisiert, bedauert Erwig. Er hofft auf künftige Techniken wie DAB+ und DMB.

Neben dem Nutzen der neuen Technik stehen jedoch auch Bedenken des Datenschutzes. Autofahrer und andere Handybesitzer könnten Angst haben, dass ihre Wege nachvollziehbar werden. Navteq beruhigt und verspricht: Handynutzer brauchen keine Angst haben. Die gewonnenen Daten würden bereits bevor sie zu Navteq kommen anonymisiert. Die Navteq-Technik wird ab Mitte des Jahres Einzug in Navigationsgeräte verschiedener Hersteller halten. Eine ähnliche Lösung des Navi-Spezialisten TomTom ist bereits seit dem zweiten Quartal 2008 nutzbar, jedoch nur in Geräten von TomTom.