Vivo X Fold: Erfahrungsbericht des möglichen Geheimtipps
Mittlerweile gibt es eine beachtliche Anzahl faltbarer Smartphones, aber nicht jedes Exemplar schafft es offiziell nach Deutschland. Das ist vor allem schade, wenn es sich um ein solch vielversprechendes Foldable wie das Vivo X Fold handelt.
Auf dem Papier klingt die Hardware inklusive faltbarem 8-Zoll-Display, Snapdragon 8 Gen 1 und Quad-Kamera samt optischem Fünffach-Zoom verlockend. Wir haben den Konkurrenten des Galaxy Z Fold 4 ausführlich im Alltag erprobt. In diesem Bericht können Sie unsere Erfahrungen mit dem Falter des chinesischen Herstellers lesen.
Das Vivo X Fold im Überblick
Das X Fold ausprobiert
Bild: Andre Reinhardt
Im vergangenen April stellte das Tochterunternehmen von BBK Electronics sein erstes Smartphone mit biegsamer Anzeige vor. Leider blieb das Mobilgerät bislang dem chinesischen Markt vorbehalten. Dabei bekam das Vivo X Fold auch außerhalb Chinas Aufmerksamkeit. Der Hersteller versuchte möglichst wenig Kompromisse im Vergleich zu regulären High-End-Smartphones einzugehen. Angefangen bei den Displays mit 8,03 Zoll (2160 x 1916 Pixel) innen und 6,53 Zoll (2520 x 1080 Pixel) außen. Beide AMOLED-Panels unterstützen 120 Hz. Zudem kann die Bildwiederholrate dank LTPO auf bis zu 1 Hz gesenkt werden.
Kooperationen mit deutschen Firmen ging Vivo gleich doppelt ein. Das Schutzglas des Frontdisplays und das ultradünne Glas des Hauptdisplays stammen beide von Schott. Außerdem spendierte Zeiss seine T*-Linsen, um die Bildqualität der Kameras zu verbessern. Von jenen gibt es hinten vier: Weitwinkel (50 MP, Blende f/1.75, optisch stabilisiert), Ultraweitwinkel (48 MP, Blende f/2.2), ein Telefoto-Objektiv mit zweifach optischem Zoom (12 MP, Blende f/2.0) und ein Periskop-Objektiv mit fünffach optischem Zoom (8 MP, Blende f/3.4, optisch stabilisiert). Der 4600-mAh-Akku soll sich mit 66W in 37 Minuten vollständig laden lassen.
Lieferumfang und Haptik des Vivo X Fold
So kommt das X Fold zum Käufer
Bild: Andre Reinhardt
Zwar ist das Smartphone nicht hierzulande erhältlich, es lässt sich aber über seriöse Shops wie Trading Shenzhen problemlos importieren. Unsere 512-GB-Ausgabe kostete 1537 Euro. Als das Vivo X Fold bei uns ankam, waren wir vom üppigen Lieferumfang positiv überrascht. Neben dem Handy an sich stecken ein 80W-Netzteil mit zwei USB-A-Buchsen, ein Ladekabel, kabelgebundene Kopfhörer, eine Schutzhülle, ein SIM-Pin und Schnellanleitungen in der Kartonage. Optisch und haptisch ist die Box in Lederimitation äußerst hochwertig. Das Smartphone befindet sich oben in einer Ablage, das Zubehör wird über eine Schublade herausgezogen. Ein EU-Adapter von Trading Shenzhen lag separat bei.
In puncto Verarbeitungsqualität gibt es eigentlich nichts zu bemängeln. Eigentlich deshalb, weil wir ein Modell mit geringfügigem Spiel des Scharniers erwischt haben. Der Händler stimmte jedoch anstandslos einem Umtausch zu. Fertigungsprobleme können bei jedweden Produkten auftauchen. Abgesehen von diesem kleinen Manko machen der seitliche Rahmen und das Scharnier aus Aluminium einen hochwertigen Eindruck. Die Rückseite sieht zwar aus wie Leder, fühlt sich unseres Erachtens nach aber nicht so an. Sie ist jedoch angenehm rutschfest. Das Gewicht des Vivo X Fold von 311 g macht sich im Smartphone-Modus bemerkbar. Im Tablet-Modus wirkt die Gewichtsverteilung ausgeglichener.
Ersteinrichtung des Vivo X Fold
Wir bekamen das Foldable bereits vorkonfiguriert geliefert. Es war auf Deutsch eingestellt und verfügte direkt über Google-Play-Dienste. Das Verknüpfen des Google-Kontos geschah entsprechend reibungslos. Aus Google Play bezogen wir umgehend weitere wichtige Dienste des Android-Anbieters wie Gmail, YouTube, Maps, Kalender, Drive, Fotos, Chrome und die Suche. Alle Anwendungen funktionierten wie gewohnt. Drittanbieter-Software, beispielsweise WhatsApp, Signal, Netflix, Prime Video, Sky Ticket, Microsoft Word, die Banking-App N26 und die Verkehrsmittel-App VRN Ticket stellte ebenfalls keine Herausforderung dar.
Kontakte wurden aus unserem Google-Adressbuch automatisch in der Vivo-Kontakte-App übernommen. Allerdings beschwerte sich das Vivo X Fold beim ersten Einlegen der SIM-Karte, dass es sich um keine chinesische SIM-Karte handelt. Hat man dieses Dialogfenster geschlossen, gibt es aber keine weiteren Auswirkungen. Die APN-Daten unserer Vodafone-SIM-Karte wurden trotzdem selbstständig eingepflegt. Der Versand und Empfang von SMS gelang auf Anhieb. Bei Telefonaten und dem mobilen Internet stießen wir auf keine Verbindungsprobleme.
Software des Vivo X Fold
Startbildschirme des X Fold
Bild: Andre Reinhardt
Auf dem Handy ist das auf Android 12 basierende Betriebssystem Origin OS Ocean vorinstalliert. Kürzlich ist die Betaphase von Origin OS 3 (Android 13) für das Foldable gestartet. Beim Sicherheitspatch hinkt Vivo etwas hinterher, Stand 4. November mussten wir noch mit dem August-Update vorliebnehmen. In der von uns ausprobierten 512-GB-Version des Telefons waren ab Werk noch 482,09 GB frei. Bei Deaktivierung der Funktion „RAM Plus“, welche mit einem Teil des Flash-Speichers den Arbeitsspeicher aufstockt, steigt der verfügbare Datenplatz um 4 GB. An „richtigem“ RAM stehen 12 GB parat.
Anfangs kommt man sich als Neuling der Vivo-Welt etwas verloren in der Benutzeroberfläche vor. Das X Fold bietet jede Menge Optionen für die optische und funktionale Personalisierung. Es dauert eine Weile, sich zurechtzufinden, dann erschließt sich jedoch der Mehrwert der zahlreichen Einstellungen. Des Weiteren sollte beachtet werden, dass in China die Smartphone-Ausdauer wichtiger als die Benachrichtigung ist. Für jede App, von der Sie Echtzeit-Benachrichtigungen möchten, müssen Sie die Optionen für intelligentes Energiesparen deaktivieren und den automatischen Systemstart aktivieren.
Dieser Ansatz ist aber gar nicht so schlecht, denn so kommen wirklich nur Benachrichtigungen von Apps an, von denen man explizit welche will. Ein Vorteil ist die Möglichkeit, mehrere Benutzerkonten anzulegen. Bei manchen Herstellern, beispielsweise Samsung, fehlt diese Option. Insgesamt läuft Origin OS Ocean meist flüssig. Es gibt nur äußerst selten ein leichtes Ruckeln. Beim Multitasking hat uns die seitliche App-Leiste und das Öffnen des Splitscreen-Modus mit einer Drei-Finger-Wischgeste gefallen. Leider wird aber nur ein vertikaler und kein horizontaler geteilter Bildschirm geboten.
Displays, Kamera, Performance und Fazit
Displays des Vivo X Fold
Direkt beim ersten Anschalten des Foldables wird einem bewusst, dass es sich um ein Premium-Produkt handelt. Sowohl Außen- als auch Innendisplay erstrahlen in brillanten Farben mit exzellentem Kontrast. Die Blickwinkel sind AMOLED-typisch äußerst stabil. Bei direkter Sonneneinstrahlung hatten wir lediglich beim Cover-Screen leichte Probleme. Dennoch waren die Inhalte stets ablesbar.
Ansonsten zeigten sich die Panels reaktionsfreudig. Das Schott Xensation Schutzglas des 6,5-Zoll-Panels wirkt äußerst robust, dasselbe gilt auch für das biegsame Xensation Flex des 8-Zoll-Panels.
Kameras des Vivo X Fold
X Fold: Displayqualität auf hohem Niveau
Bild: Andre Reinhardt
Zeiss-Kooperation (auch bei der Software) hier, Periskop-Objektiv da, wichtig ist am Ende die Qualität der Aufnahmen. In dieser Hinsicht wurden wir nicht enttäuscht. Die Hauptkamera mit Samsungs Isocell-GN5-Bildsensor ermöglicht bei gutem Licht farbtreue, bis zu den Rändern hin scharfe Bilder. Vom Nachtmodus waren wir ebenfalls recht angetan. Schärfe und Ausleuchtung sind homogen. Die Farben muten jedoch etwas zu intensiv an und die Details nehmen merklich ab. Die Ultraweitwinkel-Kamera verzerrt zu den Rändern hin erfreulich wenig. Der Weißabgleich orientiert sich an dem der Weitwinkel-Knipse. Am Rand wird es ein wenig unscharf.
X Fold: Quad-Kamera mit Zeiss-Feinschliff
Bild: Andre Reinhardt
Da die Ultraweitwinkel-Kamera des Vivo X Fold über einen Autofokus verfügt, hat sie noch eine Besonderheit parat. Sie lässt sich auch für Makroaufnahmen verwenden. Die Ergebnisse werden erheblich besser als jene von den 2 MP oder 5 MP auflösenden Alibi-Modulen ohne Autofokus, die sich häufig eher zu Marketingzwecken in diversen Smartphones finden. Ein wenig mehr Details könnte das Vivo-Makro-Modul einfangen. Das ist aber Meckern auf hohem Niveau. Das zweifache Zoom-Objektiv des Handys hat leider keinen optischen Bildstabilisator. Sofern man das Telefon ruhig hält, sind dennoch scharfe Fotos möglich.
Die Details sind bis in die Ecken gelungen. An die Gesamtschärfe der Weitwinkel-Kamera kommt die Knipse aber nicht heran. Authentische Farben und wenig Bildrauschen sprechen für das Telefoto-Objektiv. Kommen wir nun zum Periskop-Objektiv. Bauartbedingt sind diese in Smartphones noch nicht besonders lichtstark. Bei Tageslicht lassen sich aber hochwertige Aufnahmen anfertigen, die dem zurecht verschmähten Digitalzoom deutlich überlegen sind. Etwas mehr Details bei feinen Strukturen hätten wir uns zwar gewünscht, insgesamt gibt es aber ordentliche Ergebnisse. Selfies werden recht brauchbar, die Konkurrenz bekommt jene aber schärfer hin.
Performance des Vivo X Fold
Das Vivo X Fold ist mittlerweile in einer leicht aufgebohrten Fassung namens Vivo X Fold+ erhältlich. Allerdings dürfte es für manche Anwender fraglich sein, ob sich der Aufpreis rentiert. Mit dem Snapdragon 8+ Gen 1 gibt es circa zehn Prozent mehr Performance, das Handy lädt mit 80W knapp zwei Minuten schneller und es gibt eine um etwa vier Prozent gesteigerte Akkukapazität (4770 mAh). Für das normale X Fold müssen Sie mindestens 1357 Euro zahlen, für das X Fold+ mindestens 1677 Euro. Mit 994 185 Punkten in AnTuTu 9.5 und 4348 Punkten (Single-Core) sowie 14952 Punkten (Multi-Core) in Geekbench zeigt sich unser Modell flott.
X Fold: Viel Leistung unter der Haube
Bild: Andre Reinhardt
Für Spieler ist das Smartphone ebenfalls geeignet, wie 2601 Punkte in 3DMark Wild Life Extreme veranschaulichen. In der Tat hatten wir in keinen Apps oder Games Geschwindigkeitseinbußen. Multitasking funktionierte ebenfalls rasant. Wenn es um die Leistung des Akkus geht, können wir trotz 8-Zoll-Anzeige Entwarnung geben. Bei 4 Stunden 7 Minuten aktiver Displayzeit hielt das Vivo X Fold knapp 18 Stunden durch, bei 3 Stunden aktiver Displayzeit sogar 24,5 Stunden. Die versprochenen 37 Minuten erreichten wir beim Aufladen aber nicht. Mit 41 Minuten benötigte das Handy etwas mehr Zeit.
Die Übertragungsgeschwindigkeit und Empfangsqualität waren sowohl im WLAN als auch via 4G und 5G stets auf dem Niveau europäischer Konkurrenzmodelle. Im Vodafone-Mobilfunknetz erzielten wir bis zu 850 MBit/s im Download. Das hierzulande wichtige Band 20 (800 MHz) wird vom Vivo X Fold unterstützt.
Fazit zum Vivo X Fold
Momentan müssen Foldable-Fans noch abwägen, was ihnen wichtiger ist. Ein möglichst leichtes und kompaktes Smartphone oder eines mit bestmöglicher Hardware. So ist das Vivo X Fold mit seinen 311 g im Vergleich zu den 263 g des Galaxy Z Fold 4 ein wahrer Brocken. Jedoch erhalten Sie merklich größere Displays, ein flexibleres Kamerasystem, erheblich flotteres Aufladen und einen größeren Akku. Zudem schließt das Vivo X Fold plan und hält dadurch Staub und Dreck besser vom Hauptdisplay fern als Samsungs Falt-Handy.
X Fold kommt ohne Spalt aus
Bild: Andre Reinhardt
Wenn Ihnen diese Aspekte wichtig sind und ein Import für Sie kein K.O-Kriterium ist, könnte das Vivo X Fold einen Blick wert sein. Haben jedoch ein Wasserschutz, eine Stylus-Unterstützung und ein vorbildlicher Update-Support einen höheren Stellenwert, ist das Galaxy Z Fold 4 das empfehlenswertere Produkt.
Ein anderes Foldable aus China ist in Deutschland erhältlich. Das Mate Xs 2 wurde von uns getestet.