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Neue Telekom-Tarife im Tarifcheck: Gewinner und Verlierer

An die neuen Tarife der Telekom wurden hohe Erwar­tungen geknüpft, die in vielen Fällen enttäuscht wurden. Abschre­ckend wirken 35 Euro für 5 GB. Reiz­voll sind die Grup­pen­tarife.
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Nach langer Pause wieder eine reale Pres­sekon­ferenz im Haupt­quar­tier der Deut­schen Telekom in Bonn. teltarif.de war das einzige Medium vor Ort, alle anderen Zeitungen, Zeit­schriften oder Online­dienste zogen es vor, über eine (teils wack­lige) Inter­net­ver­bin­dung daran teil­zunehmen.

Die neuen Tarife haben wir ja schon vorge­stellt. Im Rahmen der Pres­sekon­ferenz gab es einige inter­essante Zusatz­infor­mationen.

"Familie" braucht keinen Trau­schein

Wir schon erwähnt, ist eine „Familie“ einfach eine Gruppe, wo eine Person den Vertrag mit der Telekom abschließt und die monat­liche Rech­nung bezahlt. Diese Person muss dann mit den „Fami­lien­mit­glie­dern“ intern „abrechnen“. Das könnte eine Wohn­gemein­schaft, eine Gruppe von Schul­freunden oder eine Nach­bar­schafts­clicque sein.

Nach langer Pause wieder eine "echte" Pressekonferenz im Telekom Hauptquartier in Bonn. Nach langer Pause wieder eine "echte" Pressekonferenz im Telekom Hauptquartier in Bonn.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Zu einer "Familie" können maximal 5 Sprache-Plus-Karten gebucht werden, die auch Daten beherr­schen. Es können maximal 5 Daten­karten (ohne Tele­fonie) und oder maximal 5 „Kids & Teens Karten“ (6-17 Jahre) dazu gebucht werden, maximal 10 Karten insge­samt. Alle diese Karten haben eigenes Daten­volumen und eine eigene Rufnummer. Die Höhe des Daten­volu­mens richtet sich nach dem Volumen des Haupt­ver­trages. Wäre der Haupt­ver­trag auf 10 GB Volumen fest­gelegt, dann hätte jedes Fami­lien­mit­glied auch 10 GB und zwar pro Karte. Das gesamte Daten­volumen wird also nicht unter den aktiven Karten aufge­teilt.

MultiSIM bleibt verfügbar

Wer eine MultiSIM-Karte benö­tigt, kann die auch mit den neuen Tarifen bekommen, an den Preisen und Bedin­gungen ändert sich nichts. Eine eSIM für die Smart­watch kostet dann beispiels­weise 4,95 Euro im Monat zusätz­lich.

Galgen­frist für StreamOn

Was wir schon geahnt haben, wurde bestä­tigt: Diese neuen Tarife stellen den „Ersatz“ für StreamOn dar. Für Neukunden wird es StreamOn ab dem 1. Juli nicht mehr geben.

Wer den Vertrag mit der Option schon gebucht hat, kann ihn bis zum 31. März 2023 noch wie gewohnt weiter­nutzen. Darüber hinaus bekommt jeder Bestands­kunde schon ab dem 1. Juli das erhöhte Daten­volumen auto­matisch dazu­geschaltet, dazu muss nichts unter­nommen werden, StreamOn wird vor dem 31. März 2023 nicht geän­dert. Alle betrof­fenen Kunden werden per E-Mail, SMS oder Papier-Post­brief über die bevor­ste­hende Tarif­ände­rung infor­miert.

„Damit erfüllen wir die nicht gewünschte, aber gege­bene Auflage der Bundes­netz­agentur“, erklärte Mobil­funk-Chef Dr. Torsten Brodt dazu.

Wird das Volumen reichen?

Brodt ist Opti­mist und glaubt, dass die neuen Daten­volu­mina ausrei­chen, um weiterhin Radio­sta­tionen oder daten­inten­sive Video­inhalte schauen (streamen) zu können.

Video-Strea­ming gab und gibt es ja erst beim bishe­rigen "MagentaMobil L" Tarif. Das Daten­volumen wächst von 24 auf 40 GB. Wer aber auch das Fest­netz von der Telekom zu Hause hat, bekommt über den MagentaEins-Rabatt auf seinen Mobil­funk­ver­trag auto­matisch die Flat­rate frei­geschaltet und kann dann unge­stört weiter surfen. Bitter wird es nur, wenn zum Vertrag kein passendes Telekom-Fest­netz vorhanden ist.

Vorbild USA

Vorschau auf eine kommende Werbekampagne der Telekom. Das Hauptquartier im neuen Look. Vorschau auf eine kommende Werbekampagne der Telekom. Das Hauptquartier im neuen Look.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Bei der Wahl der neuen Tarife hat sich Dr. Brodt und sein Team von T-Mobile USA leiten lassen. „Das war eine Inspi­ration. Wir sollten davon lernen“. Die Zusatz­karten hier­zulande werden in den USA gerne „Lines“ genannt.

Nicht für Firmen- oder Geschäfts­kunden

Die neuen Privat­kun­den­tarife gelten nicht für Geschäfts­kunden. Das Tarif­modell würde dort so nicht funk­tio­nieren, dafür gibt es „andere Tarife und Ansätze.“

Einsteiger-Tarif sehr teuer

Die Pressekonferenz im Kraf"T"werk Kommunikation Die Pressekonferenz im Kraf"T"werk Kommunikation
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Nimmt man den Einsteiger-Tarif Magenta XS, so kostet der laut Preis­liste 34,95 Euro mit 5 GB Volumen, was rech­nerisch einen Preis von 7 Euro pro Giga­byte bedeutet. Rechnet man diesen Preis auf 3,25 GB um, würden die 22,75 Euro kosten. Da ist der "MagentaMobil Prepaid M" mit 3,25 GB - auf den vollen Monat umge­rechnet und etwa 10,80 Euro Grund­gebühr - nur halb so teuer. Das räumt auch Dr. Brodt frei­mütig ein. Er habe da kein Problem damit, wenn sich ein Kunde dann für einen Telekom-Prepaid Tarif oder ein Angebot von cong­star oder vom Discoun­tern im Telekom-Netz entscheide.

Natür­lich nicht ohne darauf hinzu­weisen, dass der Magenta XS in Verbin­dung mit dem MagentaEins-Rabatt fürs Fest­netz nur noch 29,95 Euro kostet.

Warum keine Geschwin­dig­keits­tarife?

Dr. Brodt hatte vor seiner Zeit bei der Deut­schen Telekom lange bei der Schweizer Swisscom gear­beitet. Die Diffe­ren­zie­rung der Tarife nach maximal mögli­cher Geschwin­dig­keit hatte die Schweiz schon vor etwa 10 bis 12 Jahren einge­führt. Auf Deutsch­land bezogen fand er, es sei nicht opportun, die Geschwin­dig­keit durch­gehend zu dros­seln. Die Kunden hätten "das Giga­byte gelernt".

Außerdem so betont er, seien alle neuen Telekom-Tarife flexibel und ließen sich monat­lich up- oder down­graden. Fami­lien würden schnell merken, dass ein Upgrade auf einen höheren Tarif pro einzelne Karte nicht soviel teurer würde.

Im Übrigen hätten sich die Tarif­preise der Telekom nicht geän­dert. Es gäbe aber etwas mehr dafür. Das sei in Zeichen stei­gender Kosten und hoher Infla­tion ein wich­tiger Punkt.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Das Fazit bleibt bestehen: Für Einzel­kunden, die keine "Familie" (Gruppe) bilden können oder wollen, die kein Fest­netz der Telekom haben (viel­leicht, weil sie noma­disch leben oder weil zu Hause ein anderer Fest­netz­anbieter „das Sagen“ hat), sind die neuen Tarife „grausam“, beson­ders, wenn man viel Audio und Video streamen will. Zwar hat der zu Video-StreamOn notwen­dige Magenta Mobil L jetzt 40 GB Inklu­siv­volumen, aber ausge­hun­gerte Video-Freaks, die viel­leicht noch gerne ihre Mega-Foto-Samm­lung über das Netz abglei­chen, werden diese 40 GB schneller verbraten sein, als ihnen lieb sein kann.

Sollte doch ein Telekom-Fest­netz­anschluss bereit­stehen, verwan­delt sich der MagentaMobil L sofort in eine Flat­rate und macht den Nutzer sofort glück­lich.

Was ist ein besseres Netz wert?

Kleiner Exkurs: Vor dem Termin waren wir in der Bonner Innen­stadt. Am Konrad-Adenauer-, Bertha-von-Suttner- und am Bonner Bahn­hofs­platz haben wir gemessen: 5G mit 1010 bis 600 MBit/s im Down­stream (mit iPhone 13 mini und Ookla Speed­test). Voda­fone blieb mit 4G unter 100 MBit/s und o2 stoppte trotz 5G beim tarif­lichen bedingten Tempo­limit von 300 MBit/s. Unter­wegs gab es auch Abschnitte, wo man zwar ein o2-Signal, aber keine Daten empfangen konnte.

Bei den Preisen der Telekom muss man den Netz­ausbau und die Netz­qua­lität mit einrechnen. Nicht jeder Kunde wird das tun können oder tun wollen. Manche Kunden werden sich eine Zweit­karte zulegen und das Telekom-Netz eher "im Notfall" einsetzen, weil die Zweit­karte güns­tiger ist oder so erscheint. Was sind Funk­löcher, Netz­über­last und Aussetzer "wert"?

Von der Hoff­nung auf weiter sinkende Preise im Mobil­funk sollten wir uns schweren Herzens verab­schieden.

Der Grund ist simpel: Die pro Einzel-Vertrag sinkenden Preise müssten durch massive Mehr­nut­zung der Kunden wieder ausge­nutzt werden und da ist die magi­sche Grenze offenbar schon erreicht. Den am Ende des Tages wollen Mitar­beiter der Netz­betreiber ihre Gehälter, Liefe­ranten ihr Mate­rial und ihre Leis­tung bezahlt und die Aktio­näre ihre Divi­dende haben.

Das Höchste, was wir bekommen können, ist ein klein wenig mehr Leis­tung fürs gleiche Geld.

Wer neidisch ins Ausland schaut, sollte auch hinter die Kulissen schauen. Teil­weise wurden bei bestimmten Anbie­tern reihen­weise Jobs gestri­chen oder ins noch fernere Ausland verla­gert, um die Betriebs­kosten zu senken. Solange beim Kunden nichts schief geht, ist das kein Problem.

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