1&1 und o2 einigen sich auf Roaming-Grundlagen
Rechtzeitig zum Pfingstfest haben Telefónica Deutschland und 1&1-Drillisch ihre künftige Zusammenarbeit in einem sogenannten "National Roaming Agreement (NRA)" langfristig geregelt. Gestern wurde ein entsprechender Vertrag unterzeichnet. Im Gegenzug werden die von 1&1-Drillisch noch angeschobenen bereits laufenden "Price Review-Verfahren" (genaue Prüfung der Abrechnungen zwischen o2 und 1&1-Drillisch) "mit dem Vertragsschluss nicht weiter verfolgt."
Umfangreiches Abkommen
1&1-Drillisch hat sein Nationales Roaming mit o2 vertraglich neu geregelt. Die Details sind interessant.
Bild: Telefónica - o2
Das Abkommen ist umfangreich. Zum einen geht es um die verfügbare 2G/3G/4G-Netzabdeckung und im Besonderen geht es um 5G.
Das neue NRA-Abkommen hat eine Laufzeit von zunächst fünf Jahren und gilt rückwirkend ab dem 1. Juli 2020. Es kann zweimal verlängert werden. Beim ersten Termin kann 1&1-Drillisch bis Mitte 2029 verlängern. Für die Zeit danach kann eine weitere Verlängerung um bis zu 5 Jahre verhandelt werden.
Was 1&1-Drillisch konkret dafür bezahlen muss, ist verständlicherweise streng geheim. Bekannt ist aber, dass die "kommerziellen Bedingungen der anfänglichen Vertragsperiode unter dem erwartet signifikanten Wachstum des Mobilfunkverkehrs im Netz von Telefónica Deutschland definiert" sind. Sprich: Offenbar immer mehr Nutzer (von Original o2 oder von 1&1-Drillisch) telefonieren oder surfen im Netz von o2.
Wie in den Fusionsauflagen der o2-E-Plus-Fusion damals festgelegt, leiten sich die Preisstrukturen des Roamingabkommens aus dem MBA MVNO-Vertrag ab. "MBA MVNO" steht (übersetzt) für "Mobiler Breitband Zugang mobiler virtueller Netzbetreiber". Das ist die Vertragsgrundlage, dass 1&1-Drillisch das o2-Netz mitnutzen kann. Und dann heißt es weiter: "Über weitere Details des NRA haben Telefónica Deutschland und 1&1-Drillisch Stillschweigen vereinbart."
Wie wird das NRA abgerechnet?
Immerhin verrät uns o2, dass "im Wesentlichen eine Kombination aus Stückpreisen (vermutlich pro aktive SIM-Karte/Kunde, pro Minute, pro SMS pro MB-Daten) und vorab festgelegten Abnahmemengen" vereinbart worden sei. 1&1-Drillisch kann diese Abnahmemengen künftig mehrmals im Jahr in vertraglich definierten Grenzen reduzieren oder erhöhen, also eine sehr flexible Geschichte.
Einmal im Jahr kann 1&1-Drillisch den bereits erwähnten Preisüberprüfungsmechanismus auslösen, dann wird genau nachgerechnet, ob alles passt.
Neues Roaming nur für 2G, (3G) und 4G
Das neue "National Roaming" enthält nur die von o2-verfügbare 2G-/(3G-)/4G-Netzabdeckung für künftige 1&1-Mobilfunk-Kunden im neuen Netz. Das bisherige MBA MVNO-Abkommen, stellt weiter unverändert die verfügbare 2G-/(3G-)/4G-/5G-Netzabdeckung von Telefónica Deutschland bereit, das bedeutet die bisherigen 1&1-Drillisch-Kunden mit seinen unendlich vielen Untermarken können aktuell auch 5G von o2 nutzen. Wobei 3G ja auch bei o2 ein Auslaufmodell ist, das bis Jahresende verschwunden sein sollte.
Reduktion des 4G-Roamings ab 2026
Aber: Ab dem 01.01.2026 werden Zugangsbeschränkungen zum 4G-LTE-Mobilfunknetz der Telefónica Deutschland in vertraglich festgelegten Gebieten gelten. Das sind die Gebiete wo 1&1-Mobilfunk dann selbst seine eigene 4G/LTE-Versorgung anbieten muss.
Wir erinnern uns an das "D1-Roaming", wo VIAG/o2-Kunden im Netz der Telekom ("D1") roamen durften, diese Gebiete aber auf einmal immer kleiner wurden, bis das D1-Roaming komplett abgeschaltet wurde und manche VIAG-o2-Kunden im Funkloch in ihren Verträgen gefesselt übrig blieben.
Und es geht weiter: Nach Abschluss eines vertraglich festgelegten Zeitraums, in dem die 1&1-Drillisch Bestandskunden auf das neue 1&1-Mobilfunk-Netz migriert werden (der Name "Drillisch" wird bis dahin wohl verschwinden), erfolgt die 5G-Versorgung dieser Kunden des neuen Netzes ausschließlich über das 5G-Sendernetz von 1&1-Mobilfunk oder wie das Netz dann auch immer heißen wird.
1&1-Mobilfunkkunden werden migriert
Kunden von 1&1-Drillisch können sich also gedanklich schon einmal ganz langsam auf eine Migration vorbereiten, bei der vermutlich auch deren SIM-Karten ausgetauscht werden, die bestehenden Rufnummern bleiben allerdings erhalten. Ganz neue Kunden können dann erstmalig die Vorwahl 015566 erhalten, die der "Drillisch AG" zugeteilt wurde
Bis zum Abschluss dieser Bestandskundenmigration von 1&1-Drillisch zum neuen Netz von 1&1 laufen die National Roaming- und MBA MVNO-Dienste parallel weiter. Für beide Angebote gelten die im neuen Abkommen "NRA" festgelegten kommerziellen Bedingungen.
Win-Win-Situation
Für Telefónica-o2-Chef Haas ist das zunächst Grund zur Freude: "Mit dem Vertragsschluss setzen die Unternehmen ihre langfristige Partnerschaft wie geplant auf eine neue vertragliche Basis. Mit dem NRA sichert sich Telefónica Deutschland langfristig werthaltige Umsatzströme" liest sich das im offiziellen Pressetext. Haas weiter: „Die langfristig angelegte Fortsetzung unserer Partnerschaft über das nun wie geplant unterzeichnete National Roaming-Abkommen sorgt für Planungssicherheit. Mit den signifikanten Erlösen aus dem Abkommen werden wir unser O2 Netz weiter stärken und unseren Ausbau nochmals beschleunigen. Die Vereinbarung stellt zudem sicher, dass sich unsere Netz-Investitionen in ländlichen Gebieten deutlich schneller als bislang geplant amortisieren."
Für 1&1-Drillisch macht das Abkommen den steinigen Weg zum "eigenen Netz" frei und die Flexibilität erlaubt es, sich vorsichtig in die neue Welt hineinzutasten.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Auf die Dauer wird es spannend werden, wieviele Kunden das "neue Netz" von 1&1 aus der bisherigen Kundenbasis von o2, Vodafone oder der Telekom abziehen wird. Genauso spannend wird es werden, wie weit und wie tief das "neue Netz" von 1&1 eigene Stationen im Lande auf- und ausbauen wird oder ob man sich lieber auf die bereits bestehende Netz-Infrastruktur von Telefónica verlassen will.
Mit der kommenden Änderung der Frequenzvergaben ("Es muss nicht immer eine irrsinnig teure Auktion sein"), kommt weitere Spannung in die Geschichte: Wird sich die Bundesnetzagentur bei der 2025 anstehenden Neuvergabe von z.B. 800 MHz auf das Abenteuer "Schönheits-Wettbewerb" einlassen und müssen die drei etablierten Anbieter (Telekom "D1", Vodafone "D2", und Telefónica o2) dafür im Gegenzug ihre Netze für das "neue Netz" von 1&1 öffnen?
Oder werden wir in ein paar Jahren eine erneute "Fusion" erleben, z.B. von 1&1-Mobilfunk mit einem anderen Anbieter (naheliegend wäre o2) sehen, weil sich die gigantischen Kosten des 5G/6G-Netzauf- und Ausbaus anders nicht rechnen lassen?
Das wird noch richtig spannend.