Zuschauer-Quote

Schwer vergleichbar: Quoten-Messung bei TV & Streaming

Die TV-Quoten haben in der deut­schen Medi­en­branche einen festen Platz. Wie schwierig es ist, inter­na­tio­nale Strea­ming-Platt­formen einzu­binden, zeigt sich jetzt erneut. Wird es jemals eine vergleich­bare Quoten­mes­sung beim Strea­ming geben?
Von dpa /

Quotenmessung wie im TV bei US-Streamingdiensten schwierig Quotenmessung wie im TV bei US-Streamingdiensten schwierig
Bild: dpa, Bearbeitung: teltarif.de
Bei TV-Sendern in Deutsch­land sind die Zahlen enorm wichtig. Sie können darüber entscheiden, ob die Stim­mung im Keller ist oder ob sich die Laune sprung­haft hebt. Wie viele Zuschauer sahen am vorigen Tag das Programm?

Die TV-Quoten sind seit Jahr­zehnten eine feste Instanz in der hiesigen Fern­seh­branche. Öffent­lich-recht­liche wie private Sender einigten sich damals auf eine vergleich­bare Messung. Die Markt­an­teile sind ein Seis­mo­graf für Werbe­er­löse. Dieser Markt ist trotz rück­läu­figer Zahlen riesig - Fern­sehen ist ein Massen­me­dium. Doch die Welt des Bewegt­bilds ist inzwi­schen eine andere geworden. Wie passt da die Quoten­mes­sung in Deutsch­land rein?

Quote: Keine Vergleich­bar­keit zwischen TV und Strea­ming

Quotenmessung wie im TV bei US-Streamingdiensten schwierig Quotenmessung wie im TV bei US-Streamingdiensten schwierig
Bild: dpa, Bearbeitung: teltarif.de
Das TV-Gerät in den Wohn­zim­mern hat Konkur­renz bekommen. Niemand ist mehr ans lineare - also fort­lau­fende - Programm gebunden. Die Deut­schen streamen Bewegt­bild auf dem Laptop und Smart­phone. Im Bett, im Bus, im Park - wann es ihnen passt. Media­theken machen flexibel. Und auf dem Strea­ming-Markt gibt es bereits viele Platt­formen. Inter­na­tio­nale Player wie Netflix, Amazon, Apple, Disney und Google (YouTube) haben sich längst etabliert. Und genau hier liegt der Hund begraben.

Eine für den deut­schen Markt etablierte Quoten­mes­sung trifft beim Ausbau des eigenen Stan­dards mit TV und Strea­ming auf inter­na­tio­nale Tech-Giganten, die in größeren Markt­ka­te­go­rien denken. Hier­zu­lande strebt man nach einer Vergleich­bar­keit, die auch Strea­ming inte­griert. "Der Markt hat selbst­ver­ständ­lich die Anfor­de­rung, genau den glei­chen Stan­dard auch in der Strea­ming-Welt wieder­zu­finden", sagt die Vorsit­zende der Geschäfts­füh­rung der Arbeits­ge­mein­schaft AGF Video­for­schung, Kerstin Niederauer-Kopf, der Deut­schen Presse-Agentur. AGF misst seit mehr als 30 Jahren die TV-Quoten. Mitt­ler­weile umfasst die Messung auch die Strea­ming-Ange­bote der Gesell­schafter, wie beispiels­weise die Media­theken von ARD und ZDF sowie die Strea­ming-Ange­bote TV Now der Medi­en­gruppe RTL und ProSiebenSat.1 mit Joyn.

US-Dienste lassen sich nur schwer in Messung einbinden

So ist also möglich zu erfassen, wie viele Leute an einem Abend über alle Endge­räte eine Serie oder einen Krimi geschaut haben. Doch die Welt von Netflix und der anderen Strea­ming-Größen, die zum Teil auch Ange­bote der hiesigen TV-Sender im Port­folio haben, ist eben auch da.

"Es ist eine span­nende, aber auch riesige Heraus­for­de­rung, einen solchen globalen Player in einen lokalen Stan­dard zu inte­grieren", sagt Niederauer-Kopf über die inter­na­tio­nalen Strea­min­g­an­bieter. "Wir würden all diese Platt­formen sehr gerne eben­falls unter Messung nehmen."

Ein stück­weit ging es in den vergan­genen Jahren sogar voran. Der US-Tech-Gigant Google und die AGF Video­for­schung waren seit 2015 im Gespräch und hatten ein Projekt zu YouTube. Es wurde die Nutzung der YouTube-Ange­bote gemessen. Doch am Donnerstag teilten beide Seiten unab­hängig vonein­ander mit: Die Zusam­men­ar­beit endet. Die genauen Gründe blieben unklar.

Quoten­mes­sung bei deut­schen Online-TV-Diensten?

Die AGF will neben den großen Platt­formen lang­fristig auch mit lokalen Strea­ming- und IPTV-Anbie­tern koope­rieren, wie zum Beispiel Telekom MagentaTV, Voda­fone GigaTV, waipu.tv oder auch Zattoo. "Wir haben bereits Gespräche ange­bahnt", sagt Niederauer-Kopf. Mehr könne zum jetzigen Zeit­punkt noch nicht gesagt werden. Die Telekom äußert sich nicht zum Thema Quoten­mes­sung.

Hiesige TV-Sender wollen den Vergleich mit den Strea­ming-Platt­formen. Der Leiter der ZDF-Haupt­re­dak­tion Programm­pla­nung, Florian Kumb, betont: "Das ZDF ist dafür, dass sich neue Anbieter an einem einheit­li­chen, offenen Mess-Stan­dard betei­ligen. Dabei müssen neue, Strea­ming-spezi­fi­sche Anfor­de­rungen aufge­nommen und das Mess-System weiter­ent­wi­ckelt werden." Zur Einord­nung von Bewegt­bild­an­ge­boten sei es wichtig zu wissen, wie viele und welche Nutzer sie errei­chen. "Deswegen hat sich das ZDF immer daran betei­ligt, TV- und Strea­ming-Nutzung nach aner­kannten Methoden ermit­teln zu lassen. Das Mess-System muss dabei offen und trans­pa­rent sein, alle Anbieter gleich behan­deln."

Kumb zufolge wird für Außen­ste­hende eine seriöse Einschät­zung der Publi­kums­re­so­nanz enorm erschwert, wenn eine vergleich­bare Nutzungs­mes­sung fehle und jeder Anbieter seine eigenen Erfolgs­zahlen ermit­tele.

Offener Stan­dard und neutrale Messung aller Markt­teil­nehmer

Von dem Bezahl­sender Sky heißt es: "Die Abbil­dung weiterer Strea­ming-Anbieter sehen wir als eines von vielen Themen, um das AGF-System weiter­zu­ent­wi­ckeln und so trans­pa­rent wie möglich für den Zuschau­er­markt, auch im Sinne einer Vergleich­bar­keit, zu gestalten. Gene­rell ist es sicher­lich sinn­voll, wenn sich Anbieter von Werbung im Bereich Bewegt­bild am AGF-System betei­ligen." Bei der Medi­en­for­schung des Ersten - dem Gemein­schafts­pro­gramm der ARD-Anstalten - sieht man es so: "Je mehr Anbieter am System teil­nehmen, desto besser ist das Verständnis für die Präfe­renzen und Vorlieben des Publi­kums, was wiederum Eingang in die Programm­pla­nung findet."

Karin Immen­roth, Chief Data & Analy­tics Officer der Medi­en­gruppe RTL Deutsch­land, spricht von einem "weißen Fleck". Die Medi­en­gruppe befür­worte einen offenen Stan­dard und neutrale Messung aller Markt­teil­nehmer. "Eine Betei­li­gung der großen Strea­ming-Anbieter würde unser Wissen um die Bewegt­bild­nut­zung deut­lich erwei­tern und wäre deshalb sehr begrü­ßens­wert. Speziell in jüngeren Ziel­gruppen, wo SVoD Ange­bote regel­mä­ßiger genutzt werden, haben wir momentan einen weißen Fleck auf der Land­karte der Medi­en­nut­zung."

Zugleich betont sie auf die Frage, wie wichtig es wäre, Quoten­ver­gleichs­daten von großen Platt­for­m­an­bie­tern zu erhalten: "Das ist sehr inter­es­sant, aber nicht zentral - wir haben über eigene Forschung und Fremd­an­bieter schon ein sehr gutes Bild. Könnten wir das aller­dings über die AGF beziehen, hätten wir weniger Aufwand und viel bessere Daten." Die Bewegt­bild-Dienste mit Abo-Systemen konkur­rierten mit RTL zwar um Abo-Erlöse und Content, "aber nicht um Video-Werbung und damit Zuschauer-Zahlen." Immen­roth geht davon aus, dass das Inter­esse an einer gemein­schaft­li­chen Reich­weiten-Messung verhalten bleiben wird, solange das Geschäfts­mo­dell haupt­säch­lich auf Abo-Erlösen basiere.

In einem sepa­raten Über­blick verglei­chen wir die Live-TV-Dienste waipu.tv, Zattoo, TV.de und Joyn mitein­ander.

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