Rücktritt

London Calling: Davon hatte Jens Schulte-Bockum genug

Jens Schulte-Bockum hat mit seinem angekündigten Rücktritt für eine große Überraschung gesorgt. Für Tränen aber wohl eher nicht. Vor allem die Londoner Zentrale von Vodafone war unzufrieden mit der Performance der deutschen Niederlassung.
Von Hans-Georg Kluge

Jens Schulte-Bockum: Gegenwind aus London Jens Schulte-Bockum: Gegenwind aus London
Bild: teltarif.de
Der überraschende Rücktritt von Jens Schulte-Bockum vom Chefsessel von Vodafone Deutschland traf das Unternehmen plötzlich und unvorbereitet. In der Londoner Vodafone-Zentrale hält sich die Trauer aber in Grenzen - zu lange schon blickt man skeptisch auf die kriselnde deutsche Tochter.

Wir zeichnen das Spannungsfeld zwischen London und Düsseldorf nach.

Schulte-Bockum: Schwieriges Erbe von Joussen

Jens Schulte-Bockum: Gegenwind aus London Jens Schulte-Bockum: Gegenwind aus London
Bild: teltarif.de
Schulte-Bockums Vorgänger habe laut Handelsblatt ein kerngesundes Unternehmen überlassen: "Als am 1. Oktober 2012 Friedrich Joussen [...] den Chefposten an Schulte-Bockum übergibt, steht Vodafone blendend da. Zum Abschied hat Joussen den Konkurrenten Deutsche Telekom mit glänzenden Zahlen düpiert. Bei wichtigen Kennziffern wie Kundenzahl und Kundenzufriedenheit hat sich Vodafone die Marktführerschaft geholt."

Aber die Darstellung des Handelsblatts ist nicht vollständig. Schon unser Netztest zeigte im Juni 2012, dass mit dem Mobilfunk-Netz des Konzerns etwas im Argen lag: "Unsere Beispiele zeigen, dass die Performance im Vodafone-Netz während unseres Tests nicht ganz so gut war wie eine Woche zuvor im Telekom-Netz. [...] Große Probleme hat Vodafone offenbar mit der EDGE-Technik. [... D]er Upstream versetzte uns zurück in die Zeiten, in denen der mobile Internet-Zugang noch leitungs­vermittelt war und maximal 9,6 kBit/s bot." So lautete seinerzeit das Fazit unseres Testers.

Kurzum: Joussen hinterließ zwar ein Unternehmen, dass "kerngesunde" wirtschaftliche Zahlen aufwies - die Probleme Vodafones, die Schulte-Bockum in seiner Amtszeit mit dem Handynetz hatte, waren jedoch schon zu Zeiten seines Vorgängers angelegt - treffenderweise spricht das Handelsblatt denn auch nur von "wichtigen Kennziffern".

Das schwierige Erbe benennt auch Schulte-Bockum: "Investitionen in die Mobilfunknetze sind über mehrere Jahre sträflich vernachlässigt worden", mit diesen Worten zitiert ihn das Handelsblatt. Im Januar zeigte sich der Vodafone-Chef zufrieden: Das Netz sei wieder auf Augenhöhe mit der Telekom und die Stimmung erheblich verbessert.

Streit um wirtschaftliche Performance

Die wirtschaftlichen und - vor allem: messbaren - Zahlen sind hingegen in der Vodafone-Zentrale in London besonders wichtig. Vittorio Colao, CEO der Vodafone Group habe sich laut Handelsblatt auf der Präsentation der Quartalszahlen erst auf Nachfrage zu der Personalie in Deutschland geäußert. "Der Rückzug von Jens war seine private Entscheidung" und es habe keine Differenzen zwischen Düsseldorf und London gegeben. Vodafone Deutschland habe jedenfalls "nichts falsch" gemacht, so Colao weiter - ein deutlicher Tadel, der die Marktposition in Deutschland betrifft. Gegenüber der WirtschaftsWoche hat Schulte-Bockum jedoch von "unüberbrückbaren Differenzen" gesprochen.

Ziele in London

Der Grund für diese Einschätzung dürfte in London sitzen: Vodafone Deutschland ist eine wichtige Säule im globalen Vodafone-Konzern. Rund ein Fünftel des Gesamtumsatzes macht die deutsche Niederlassung aus, so die SZ.

In London waren die Manager nicht zufrieden mit der deutschen Niederlassung. Das Handelsblatt zitiert Vodafone-Finanzchef Nick Read mit den Worten: "Wir haben die richtige Strategie in Deutschland, aber wir würden ihre Umsetzung gerne beschleunigen". Doch wie viel Schulte-Bockum steckt in der Strategie Vodafones?

"In den vergangenen Monaten wurde mir jedoch zunehmend klar, dass ich meinen Kurs der nachhaltigen Verbesserung des Unternehmens nicht umfassend umsetzen kann", schreibt der künftige Ex-Chef von Vodafone Deutschland in einer E-Mail an die Mitarbeiter - die WirtschaftsWoche veröffentlichte den Brief im Wortlaut. Aus den Worten klingt deutlich heraus, dass Jens Schulte-Bockum des Öfteren mit den Ideen aus London nicht einverstanden war.

Die Erwartungen an Schulte-Bockums Nachfolger sind hoch: Er solle den Direktverkauf stärken und insbesondere auch die Außendarstellung Vodafones verbessern, so das Handelsblatt. Und die Zahlen verbessern - aber das versteht sich von selbst.

Kühle Rücktrittsmitteilung von Vodafone

"Veränderung in der Geschäftsführung von Vodafone Deutschland", so lautet die unterkühlte Überschrift der Vodafone-Mitteilung, die über Schulte-Bockums Rücktritt informiert. Er habe den Aufsichtsrat "über seine Absicht informiert, innerhalb des laufenden Geschäftsjahrs von seinem Amt als Vorsitzender der Geschäftsführung von Vodafone Deutschland zurückzutreten". Die Würdigungen des scheidenden Deutschland-Chefs fallen wenig überraschend positiv aus. Colao wünscht Schulte-Bockum alles Gute für die Zukunft - eher floskelhaft als über den Abschied traurig. Philipp Humm, Vorsitzender des Aufsichtsrats von Vodafone Deutschland, findet hingegen immerhin ein paar persönliche Worte: "Ich bedaure seine Entscheidung sehr." Fast scheint es eine Einzelmeinung in der Führungsriege Vodafones zu sein.

Jens Schulte-Bockum jedenfalls blickt in die Zukunft - und die dürfte eher fern von London liegen: "Für mich ist es an der Zeit, mich Neuem zuzuwenden."

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