Gesetzentwurf

Polizei soll bei "Gefahr" Handynetze abschalten

"Netz-Aus"-Knopf nur für Bomben oder auch für Demonstranten?
Von mit Material von dpa

Skandal: Polizei soll bei Gefahr Handynetze abschalten Polizei soll bei "Gefahr" Handynetze abschalten
Foto: Samsung / teltarif.de
Das Polizeigesetz von Sachsen-Anhalt soll nach dem Willen der schwarz-roten Koalition aktuali­siert werden. Auch die Unter­brechung von Handynetzen soll geregelt werden. Nach­folgend der Entwurf und die Be­gründung im Wort­laut.

Aus dem Gesetzestext: Polizei kann Handy-Netze ausknipsen

Skandal: Polizei soll bei Gefahr Handynetze abschalten Polizei soll bei "Gefahr" Handynetze abschalten
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"... Unter­brechung und Ver­hinderung von Kommuni­kations­ver­bindung­en

(1) Die Polizei kann von jedem Diensteanbieter (...) verlangen, Kommunikationsverbindungen zu unterbrechen oder zu verhindern, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die Unterbrechung oder Verhinderung der Kommunikation ist unverzüglich herbeizuführen und für die Dauer der Anordnung aufrechtzuerhalten.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes ein kann die Polizei technische Mittel einsetzen, um Kommunikationsverbindungen zu unterbrechen oder zu verhindern.

(3) Kommunikationsverbindungen Dritter dürfen unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 nur unterbrochen oder verhindert werden, wenn dies nach den Umständen unvermeidbar ist. Örtlichen Bereich, Zeit und Umfang der Maßnahmen ordnet der Behördenleiter oder ein von ihm Beauftragter an. Die Polizei beantragt unverzüglich eine richterliche Bestätigung über die Fortdauer der Kommunikationsverbindungsunterbrechung oder -verhinderung. Die Anordnung tritt außer Kraft, wenn nicht binnen zwei Tagen vom Richter die Fortdauer der Maßnahme bestätigt wird. ..."

Aus der Begründung: Netzabschaltung und Störsender erlaubt

"Die Befugnis enthält einerseits die Möglichkeit, Anbieter für Telekommunikationsdienstleistungen dazu aufzufordern, die Kommunikationsverbindungen eines bestimmten Mobilfunkendgeräts oder in einer bestimmten Mobilfunkzelle zu unterbrechen oder zu verhindern, andererseits aber auch die Befugnis, für die Polizei durch den Einsatz eines Störsenders Telekommunikationsvorgänge innerhalb des Sendebereichs des Störsenders unter den beschriebenen hohen Eingriffsvoraussetzungen zu unterbrechen oder zu verhindern.

Durch solche Maßnahmen kann beispielsweise die technisch mögliche Fernzündung eines Sprengsatzes per Mobilfunkgerät wirkungsvoll verhindert werden. Als weiterer Anwendungsfall kommen vor allem Geiselnahmen oder andere Fälle schwerer Straftaten in Betracht, in denen es zur Unterbindung des Fortgangs der Straftat und zum Schutz der Opfer unerlässlich erscheint, die Kommunikationsmöglichkeiten des Täters einzuschränken."

Klage: Gesetzestext ist viel zu weit gefasst

Dieses geplante Polizeigesetz von Sachsen-Anhalt sorgt weiterhin für Streit und kommt möglicherweise beim Landesverfassungsgericht auf den Prüfstand. Die Linksfraktion kündigte heute juristische Schritte an, wenn der Gesetzesentwurf unter anderem zu Handynetz-Abschaltungen so wie geplant beschlossen werde. "Wir prüfen derzeit die Klagemöglichkeit", sagte die Linken-Abgeordnete Henriette Quade.

Konkret kritisierte sie unter anderem unzureichend präzise Angaben, wann die Polizei Handynetze zur Gefahrenabwehr abschalten dürfe. "Der Gesetzestext ist viel zu weit gefasst", sagte Quade. So seien auch Abschaltungen denkbar bei gewalttätigen Demonstrationen. Unstrittig sei dagegen, dass Netze abgeschaltet werden dürften, wenn jemand darüber eine Bombe zünden wolle. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) hatte schon deutlich gemacht, dass ein Abschalten des Netzes bei Demonstrationen nicht geplant sei.

Nach Kritik am geplanten neuen Polizeigesetz von Sachsen-Anhalt hat Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) Änderungen angeregt. In der Regelung zum Abschalten von Handynetzen solle im Gesetz genannt werden, wann dies möglich sei, erklärte das Innenministerium in Magdeburg heute. Konkret sollten als Fälle Geiselnahmen, Bombenanschläge und Amokläufe aufgenommen werden. Die aus den Reihen der Opposition unterstellten Demonstrationen sollen nicht dazugehören. Die Änderung der Gesetzesvorlage könne in der bereits laufenden parlamentarischen Beratung stattfinden.

In der vergangenen Woche hatte es darüber hinaus Diskussionen über die Frage gegeben, unter welchen Umständen Zwangstests auf HIV erlaubt werden sollen. Die SPD rückte von ihrem eigenen Vorschlag ab, nachdem es bundesweite Kritik gegeben hatte. SPD-Chefin Katrin Budde verwies auf neue Erkenntnisse, dass die Tests nicht sinnvoll seien. Bei schweren Straftaten sind sie nach Angaben aus der SPD ohnehin bundesweit über die Strafprozessordnung möglich.

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