o2 setzt im 5G-Kern-Netz auf Ericsson
In der fast schon "nervend endlosen" Diskussion um die Lieferanten für das kommende 5G-Netz hatte sich schon abgezeichnet, dass die Kernfunktionen (wo die Kundendaten verwaltet und die Verbindungen im Endeffekt hergestellt werden), nur von "zuverlässigen" Anbietern geliefert werden sollen. Wobei das Wort "zuverlässig" eher eine politische, als eine technische Frage ist, je nachdem, wen man als "Gut" oder als "Böse" einschätzen will.
Kernlieferant Ericsson
Das soll das neue 5G-Kernnetz von Telefónica/o2 können. Lieferant wird Ericsson sein
Grafik: Picture Alliance / dpa
Der Anbieter Telefónica Deutschland (bekannt unter dem Markennamen o2) hat sich nun entschieden, "beim besonders sicherheitsrelevanten 5G-Kernnetz mit dem schwedischen Telekommunikationsausrüster Ericsson auf einen europäischen Anbieter" zu setzen. Damit möchte das Unternehmen "die Weichen für eine sichere, digitale Vernetzung des Landes im kommenden 5G-Zeitalter" stellen.
Telefónica-Deutschland-Chef Markus Haas erklärt das so: „Als Netzbetreiber, der deutschlandweit die meisten Menschen mit Mobilfunk verbindet, kommt uns eine ganz besondere gesellschaftliche Verantwortung für die sichere digitale Vernetzung zu. Mit 5G gestalten wir die digitale Zukunft Deutschlands." Und weiter: "Mit Ericsson als Technologiepartner für unser 5G-Kernnetz können wir unseren Privat- und Geschäftskunden auch in Zukunft die leistungsfähigsten Netztechnologien zu wirtschaftlich attraktiven Preisen bieten. Das o2-Mobilfunknetz wird zum Synonym für digitales Vertrauen.“
Der Kern ist sicherheitsrelevant
Das Kernnetz (englisch "Core") ist der zentralste und sicherheitsrelevanteste Teil eines Mobilfunknetzes. Es besteht aus mehreren Hochleistungsservern und Glasfasertechnologien. Dort sollen sämtliche Anwendungen und Daten von den bundesweit über 26 000 Mobilfunkstandorten von o2 zusammenlaufen, die von den aktuell 42 Millionen Mobilfunkkunden des o2-Netzes genutzt werden.
Sämtliche Komponenten des Kernnetzes müssen grundsätzlich vor ihrem Einsatz umfangreich von Telefónica Deutschland getestet werden. Zudem müssen sich nach den Plänen der Bundesregierung künftig alle Hersteller mit ausgewählten Hardwareelementen umfassenden, objektiven und transparenten behördlichen Sicherheitszertifizierungen unterziehen und eine Garantieerklärung über ihre Vertrauenswürdigkeit abgeben.
5G-Kernnetz für neue Technologien und Geschäftsmodelle
Telefónica Deutschland will bis zum kommenden Jahr ein "komplett eigenständiges 5G-Kernnetz mit vollständiger Cloud-Kompatibilität in seine Infrastruktur" einbauen. Die Kapazitäten des neuen Kernnetzes sollen so umfassend dimensioniert sein, "dass sie die wachsenden Transport- und Vermittlungsaufgaben im Hinblick auf die massiv steigenden Datenströme der o2-Kunden langfristig und optimal sicherstellen können."
Durch eine eigenständige Architektur des 5G-Kernnetzes möchte Telefónica Deutschland die umfassenden technischen Möglichkeiten von 5G – wie Network Slicing oder Edge Computing – für seine Kunden realisieren können. Mittels Network Slicing will Telefónica Deutschland dann anderen Unternehmen virtuell getrennte und separat abgesicherte Netzinfrastrukturen zur Verfügung stellen, etwa zur Errichtung privater 5G-Netzwerke für Logistik- und Produktionsstandorte.
Näher an den Kunden
Um die Latenzzeiten zu verringern (herunter bis zu 1 ms) und damit mobile "Echtzeitkommunikation" zu ermöglichen, will Telefónica Deutschland die Rechenserver näher an die Kunden heranbringen (Edge Computing) und dadurch eine "dezentrale Datenverarbeitung vor Ort.
„Wir starten mit unserem Cloud-kompatiblen 5G-Kernnetz in eine neue Technologie-Ära“, schwärmt Mallik Rao, Chief Technology & Information Officer von Telefónica Deutschland. „Gigabit-Datenraten, Echtzeitkommunikation und Massive IoT – aus diesen Visionen wird nun Realität. Wir haben einen klaren Plan für die Weiterentwicklung unserer Netzinfrastruktur hin zu einem eigenständigen 5G-Netz, das die massiven Datenströme der Zukunft stemmt und neue digitale Geschäftsmodelle für alle unsere Kunden eröffnet. Dabei setzen wir auf modernste Netztechnologien, die der Markt zu bieten hat.“
„Die Partnerschaft zwischen Telefónica Deutschland und Ericsson im 5G-Kernnetz unterstreicht, dass alle drei deutschen Mobilfunknetzbetreiber in verschiedenen Teilen ihrer Netze auf uns setzen. Wir freuen uns, dadurch unsere Ambition der Technologieführerschaft in Sachen 5G-Netzausrüstung unter Beweis zu stellen“, freut sich Stefan Koetz, Vorsitzender der Geschäftsführung von Ericsson in Deutschland und Head of Customer Unit Western Europe.
Mit 20 GBit/s im 5G-Netz?
o2-Kunden sollen durch 5G von einem "deutlich besseren Netzerlebnis und modernsten Anwendungen" profitieren können. o2 verspricht, mit bis zu 20 GBit/s surfen zu können, das wäre etwa 100 Mal schneller als über den heutigen LTE (4G)-Standard, der ihnen aktuell Geschwindigkeiten von (theoretisch) bis zu 225 MBit/s liefert. Kunden in bestimmten Regionen können von solchen Werten bislang nur träumen, sie berichten über LTE-Verbindungen mit Werten von teilweise unter 1 MBit/s.
Wenn das 5G-Netz eines Tages komplett aufgebaut ist, sollen Privatkunden, welche bis dahin die passenden Geräte und Verträge ihr eigen nennen, "in völlig neue Dimensionen mobiler Datenanwendungen vorstoßen" können. Dadurch könnten o2-Privatkunden beispielsweise mobile Anwendungen wie Virtual Reality ohne Verzögerungen erst so richtig genießen. Doch bis dahin ist noch einiges zu tun.
Hoffnung auf Industriekunden
o2 setzt auf Industriekunden, für welche die ultraniedrigen Latenzzeiten eine zentrale Voraussetzung für den zuverlässigen Einsatz des Netzes im Produktions- und Logistikprozess sind. Den Geschäftskunden will Telefónica Deutschland neue digitale Lösungen anbieten, etwa für Produktion, Logistik, Energiemanagement oder sogar vernetztes Fahren.
5G erlaubt vom Standard her, auf einem Quadratkilometer bis zu 1 Millionen Geräte zu vernetzen, mit LTE sind es (nur) "bis zu 10 000 Geräte". Ganz klar, 5G wird (auch bei o2) kommen, vielleicht schneller als viele glauben, aber es ist noch gewaltig viel zu tun.
Gute Nachrichten für Telefónica in Großbritannien: Der Verkauf von o2-uk an Three-uk/Hutchison HongKong ist nun wieder möglich.