Fernsehen

LoCaT-Projekt: Streaming als Stromfresser entlarvt

Zwar weiß man, wie viel Strom moderne Fern­seher verbrau­chen, aber zum Ener­gie­bedarf der eigent­lichen Bild­über­tra­gung gab es bislang keine Unter­suchungen. Das LoCaT-Projekt hat nun eine Studie vorge­legt, die erst­malig den Strom­ver­brauch der tradi­tio­nellen TV-Über­tra­gung via Antenne mit Strea­ming vergleicht.
Von Marc Hankmann

Hinter LoCaT (Low Carbon TV Deli­very) stehen verschie­dene Unter­nehmen aus der euro­päi­schen Rund­funk- und Medi­enin­dus­trie wie etwa die Öster­rei­chi­sche Rund­funk­sender GmbH (ORS) oder der fran­zösi­sche TV-Anbieter Salto, der sein Programm­bou­quet über das Internet verbreitet (Over the top, OTT). Im Rahmen des LoCaT-Projekts wurde der Strom­ver­brauch für den jewei­ligen Über­tra­gungsweg sowie der damit einher­gehende Ausstoß des Treib­haus­gases CO2 ermit­telt. Konkret wurden Daten für die Bild­über­tra­gung via digi­talem Anten­nen­fern­sehen (DVB-T) und OTT sowie in geschlos­senen IP-Netzen (IPTV) erhoben.

Ausge­hend von einer Stunde TV-Konsum über den Fern­seher im Wohn­zimmer, wobei der Ener­gie­bedarf des TV-Geräts nicht mit gemessen wurde, ergab die Studie für alle 27 EU-Mitglieds­staaten und Groß­bri­tan­nien einen durch­schnitt­lichen Strom­ver­brauch von 14 Watt, wenn das Bild mittels DVB-T über­tragen wird. Dagegen steigt der Strom­ver­brauch für eine Stunde Fern­sehen über OTT auf 109 und über IPTV auf 153 Watt. Das entspricht einem CO2-Äqui­valent von drei Gramm für DVB-T, 26,2 Gramm für OTT und 37 Gramm für IPTV.

Deutsch­lands Kupfer­draht­netze ziehen Bilanz nach unten

Arbeiter mit rotem Bauhelm steckt blaue Kabel in einem offenen Verteilergehäuse um Vodafone erhöht im Kabelnetz zwar immer mehr den Glasfaseranteil, aber die aktive Technik sorgt beim TV-Streaming für einen vergleichsweise hohen Stromverbrauch.
Foto: Vodafone
Europas größter CO2-Verur­sacher im Bereich OTT und IPTV ist Italien mit 189 bzw. 244 Watt pro TV-Stunde (44 Gramm und 57 Gramm CO2). Aller­dings liegen die Italiener aufgrund der hohen Anten­nen­nut­zung bei DVB-T mit 12,5 Watt (3 Gramm CO2) unter dem EU-Durch­schnitt. Deutsch­land reiht sich mit 15 Watt für DVB-T, 138 Watt für OTT und 189 Watt für IPTV über den EU-Schnitt ein. Über­tragen auf den CO2-Ausstoß ergibt das fünf Gramm für DVB-T, 47 Gramm für OTT und 64 Gramm für IPTV.

Das klingt zunächst nicht nach viel. Welche Ausmaße der TV-Konsum auf die Umwelt hat, wird jedoch deut­lich, wenn man die Zahlen auf den jähr­lichen TV-Konsum hoch­rechnet. Euro­paweit fallen dann für die Fern­seh­über­tra­gung via digi­taler Antenne umge­rechnet 493.000 Tonnen CO2 an. Bei OTT sind es 2,48 Millionen und bei IPTV 1,95 Millionen Tonnen.

In dieser Statistik belegt Deutsch­land beim Strea­ming den letzten Platz, denn hier­zulande wird Fern­sehen über­wie­gend über DSL und TV-Kabel­netze gestreamt, wohin­gegen in anderen Ländern der Anteil an Glas­faser­netzen höher ist. Kupfer­draht­basierte Netze benö­tigen viel aktive Technik, die nicht ohne Strom auskommt. So fällt mit 670.000 Tonnen CO2 über ein Viertel der jähr­lichen Treib­haus­gas­emis­sionen, die euro­paweit durch die OTT-Über­tra­gung ausge­stoßen werden, allein in Deutsch­land an. Bei IPTV ist es ein Sechstel (325.000 Tonnen CO2).

5G Broad­cast für mehr Ener­gie­effi­zienz

Porträtbild von Michael Wagenhofer, der ein blaues Hemd ohne Krawatte und dazu ein anthrazitfarbenes Jacket trägt ORS-Geschäftsführer Michael Wagenhofer sieht in 5G Broadcast eine Lösung für die energieeffizente mobile TV-Übertragung.
Foto: ORF/Thomas Ramstorfer
Die Studie gibt auch einen Ausblick auf den zukünf­tigen Ener­gie­ver­brauch der TV-Über­tra­gung via DVB-T, OTT und IPTV. Ganz gleich, welches der darge­stellten Szena­rien eintritt, ob die DVB-T-, OTT- und IPTV-Nutzung stabil bleibt, sinkt oder steigt, die Über­tra­gung via digi­talem Anten­nen­fern­sehen bleibt gegen­über Strea­ming die Energie-effi­zien­tere und damit umwelt­ver­träg­lichere Option. Im Audio­sektor ist man statt­dessen noch nicht einmal von der analogen UKW-Verbrei­tung losge­kommen. Laut einer Studie des Baye­rischen Rund­funks (BR) und der Baye­rischen Landes­zen­trale für neue Medien (BLM) könnten die Radio­macher zwischen 75 und 85 Prozent pro Programm an Energie einsparen, würden sie von UKW auf DAB+ umstellen.

Dennoch werden UKW und Strea­ming auch in Zukunft genutzt werden. Die Verfasser der LoCaT-Studie sehen daher in einer Kombi­nation aus digi­talem Anten­nen­fern­sehen und OTT ein erheb­liches Einspar­poten­zial für Treib­hausgas-Emis­sionen – Stich­wort 5G Broad­cast: Rund­funk über Mobil­funk­netze, aber ohne Daten­ver­brauch. „Durch die kombi­nierte Nutzung der 5G-Tech­nologie können viel­mehr Endnutzer/innen über die digi­tale Antenne servi­ciert und die stetig wach­sende Video-Strea­ming-Last in Breit­band­netzen signi­fikant redu­ziert werden“, erklärt ORS-Geschäfts­führer Michael Wagen­hofer. Wann 5G Broad­cast jedoch kommer­ziell einge­setzt werden kann, ist noch unklar.

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