LoCaT-Projekt: Streaming als Stromfresser entlarvt
Hinter LoCaT (Low Carbon TV Delivery) stehen verschiedene Unternehmen aus der europäischen Rundfunk- und Medienindustrie wie etwa die Österreichische Rundfunksender GmbH (ORS) oder der französische TV-Anbieter Salto, der sein Programmbouquet über das Internet verbreitet (Over the top, OTT). Im Rahmen des LoCaT-Projekts wurde der Stromverbrauch für den jeweiligen Übertragungsweg sowie der damit einhergehende Ausstoß des Treibhausgases CO2 ermittelt. Konkret wurden Daten für die Bildübertragung via digitalem Antennenfernsehen (DVB-T) und OTT sowie in geschlossenen IP-Netzen (IPTV) erhoben.
Ausgehend von einer Stunde TV-Konsum über den Fernseher im Wohnzimmer, wobei der Energiebedarf des TV-Geräts nicht mit gemessen wurde, ergab die Studie für alle 27 EU-Mitgliedsstaaten und Großbritannien einen durchschnittlichen Stromverbrauch von 14 Watt, wenn das Bild mittels DVB-T übertragen wird. Dagegen steigt der Stromverbrauch für eine Stunde Fernsehen über OTT auf 109 und über IPTV auf 153 Watt. Das entspricht einem CO2-Äquivalent von drei Gramm für DVB-T, 26,2 Gramm für OTT und 37 Gramm für IPTV.
Deutschlands Kupferdrahtnetze ziehen Bilanz nach unten
Vodafone erhöht im Kabelnetz zwar immer mehr den Glasfaseranteil, aber die aktive Technik sorgt beim TV-Streaming für einen vergleichsweise hohen Stromverbrauch.
Foto: Vodafone
Europas größter CO2-Verursacher im Bereich OTT und IPTV ist Italien mit 189 bzw. 244 Watt pro TV-Stunde (44 Gramm und 57 Gramm CO2). Allerdings liegen die Italiener aufgrund der hohen Antennennutzung bei DVB-T mit 12,5 Watt (3 Gramm CO2) unter dem EU-Durchschnitt. Deutschland reiht sich mit 15 Watt für DVB-T, 138 Watt für OTT und 189 Watt für IPTV über den EU-Schnitt ein. Übertragen auf den CO2-Ausstoß ergibt das fünf Gramm für DVB-T, 47 Gramm für OTT und 64 Gramm für IPTV.
Das klingt zunächst nicht nach viel. Welche Ausmaße der TV-Konsum auf die Umwelt hat, wird jedoch deutlich, wenn man die Zahlen auf den jährlichen TV-Konsum hochrechnet. Europaweit fallen dann für die Fernsehübertragung via digitaler Antenne umgerechnet 493.000 Tonnen CO2 an. Bei OTT sind es 2,48 Millionen und bei IPTV 1,95 Millionen Tonnen.
In dieser Statistik belegt Deutschland beim Streaming den letzten Platz, denn hierzulande wird Fernsehen überwiegend über DSL und TV-Kabelnetze gestreamt, wohingegen in anderen Ländern der Anteil an Glasfasernetzen höher ist. Kupferdrahtbasierte Netze benötigen viel aktive Technik, die nicht ohne Strom auskommt. So fällt mit 670.000 Tonnen CO2 über ein Viertel der jährlichen Treibhausgasemissionen, die europaweit durch die OTT-Übertragung ausgestoßen werden, allein in Deutschland an. Bei IPTV ist es ein Sechstel (325.000 Tonnen CO2).
5G Broadcast für mehr Energieeffizienz
ORS-Geschäftsführer Michael Wagenhofer sieht in 5G Broadcast eine Lösung für die energieeffizente mobile TV-Übertragung.
Foto: ORF/Thomas Ramstorfer
Die Studie gibt auch einen Ausblick auf den zukünftigen Energieverbrauch der TV-Übertragung via DVB-T, OTT und IPTV. Ganz gleich, welches der dargestellten Szenarien eintritt, ob die DVB-T-, OTT- und IPTV-Nutzung stabil bleibt, sinkt oder steigt, die Übertragung via digitalem Antennenfernsehen bleibt gegenüber Streaming die Energie-effizientere und damit umweltverträglichere Option. Im Audiosektor ist man stattdessen noch nicht einmal von der analogen UKW-Verbreitung losgekommen. Laut einer Studie des Bayerischen Rundfunks (BR) und der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) könnten die Radiomacher zwischen 75 und 85 Prozent pro Programm an Energie einsparen, würden sie von UKW auf DAB+ umstellen.
Dennoch werden UKW und Streaming auch in Zukunft genutzt werden. Die Verfasser der LoCaT-Studie sehen daher in einer Kombination aus digitalem Antennenfernsehen und OTT ein erhebliches Einsparpotenzial für Treibhausgas-Emissionen – Stichwort 5G Broadcast: Rundfunk über Mobilfunknetze, aber ohne Datenverbrauch. „Durch die kombinierte Nutzung der 5G-Technologie können vielmehr Endnutzer/innen über die digitale Antenne serviciert und die stetig wachsende Video-Streaming-Last in Breitbandnetzen signifikant reduziert werden“, erklärt ORS-Geschäftsführer Michael Wagenhofer. Wann 5G Broadcast jedoch kommerziell eingesetzt werden kann, ist noch unklar.