Rettungsring

Warum das iPad die Verlage nicht retten wird

iBusiness hat Marktchancen und -risiken analysiert
Von Marie-Anne Winter

In der aktuellen Ausgabe der iBusiness-News gibt es eine interessante Analyse, die zu dem Ergebnis kommt, dass das iPad von Apple entgegen der hochfliegenden Erwartungen von Verlegern weltweit nicht als Retter ihrer Zeitungen und Zeitschriften infrage kommt. Nach Einschätzung des iBusiness-Autors Peter Koller ist der Kardinalfehler der Verlage, dass sie sich zu wenig von ihren vertrauten Konzepten aus dem Print-Geschäft lösen und somit weitgehend ignorieren, dass gerade das Publizieren auf Geräten wie dem iPad eine ganz andere Herangehensweise erfordert. Dazu stellt er fünf Thesen zum iPad-Publishing auf:

  • These 1: Das iPad könne die Uhr nicht zurückdrehen. Die Nachrichtenverbreitung habe sich durch das Internet in zwei Punkten massiv verändert, die unumkehrbar sind: Der eine Punkt ist, dass Nachrichten Informationen sind, und Informationen durch das Internet zur Massenware bzw. zum Allgemeingut werden, sobald sie bekannt sind. Daraus folgert Koller, dass die große Hoffnung Paid Content zumindest im News-Bereich nicht funktionieren wird. Etwas anders sei das bei Hintergrundinformationen, die nicht so einfach zugänglich sind, für diese werden Menschen vermutlich eher Geld ausgeben.

    Entwicklung von E-Book-Readern Entwicklung von E-Book-Readern
    Grafik: iBusiness
    Der andere Punkt ist die Fragmentierung: Textbasierte Nachrichten waren für den Endkunden früher nur im Paket erhältlich - einer Zeitung oder Zeitschrift. Durch die Digitalisierung gibt es eine Fragmentierung der Texte, durch RSS-Feed, Internet-Suche und Social Networks verlagere sich die Zusammenstellungskompetenz der Nachrichten vom Verlag zum Leser - oder auch von der Redaktion zum Algorithmus. Daran werde auch das iPad nichts grundsätzlich mehr ändern.

  • These 2: Für interaktive Endgeräte müssen neue Publikationskonzepte entwickelt werden. Es reiche nicht aus, Printprodukte mit etwas Bewegtbild-Inhalt anzureichern und in eine schicke App zu packen. Im Prinzip sei das iPad eine ideale Erweiterung für Zeitungen und Zeitschriften, weil man auch Videos und Animationen einbinden könne. Ein neuartiges multimediales Angebot könne durchaus innovativ und für Leser interessant sein.

  • These 3: Das iPad allein ist nichts, der iTunes-Store alles. Mit dem App Store habe Apple das Modell für einen digitalen Zeitungskiosk geschaffen. Diese Neuerfindung von Zeitungen und Zeitschriften sei aber sehr aufwändig und funktioniere nur, wenn sich damit Geld verdient werden könne. Damit komme der iTunes-Store ins Spiel. Dieses zentrale Element von Apples Ökosystem sei für Verlage und Endkunden sehr ambivalent. Einerseits stelle iTunes-Store eine Art Supermarkt für redaktionelle Inhalte dar, in dem der Kunde buchstäblich mit einem Klick für Inhalte bezahlen könne, was Verlagen entsprechende Umsatzanteile sichert. Andererseits sind Verlage und Leser dadurch von Apple abhängig. Der Herauswurf von rund 5 000 Apps wegen angeblich anstößiger Inhalte habe deutlich gezeigt, wie viel Macht Apple über die Inhalte habe und ausübe. Hier verlieren die Verleger an Einfluss auf konkrete Inhalte.

  • These 4: Das große Fragezeichen beim iPad-Publishing sind derzeit die Erlösmodelle. Zwar sparen die Verlage beim iPad-Publishing den Aufwand für Druck und Vertrieb, dafür werden sie vermutlich rund 30 Prozent Umsatz an Apple abliefern müssen. Gleichzeitig müssen die Inhalte aber für das iPad multimedial aufbereitet werden - und zwar für Content, der anders als Songs, Videos oder Bücher nur einmal konsumiert werde. Das bedeute höhere Kosten bei zweifelhaften Ertragschancen.

  • These 5: Die publizistische Mitte geht verloren, weil Zeitungen und Zeitschriften auf dem iPad nur eine kommerzielle Chance haben, wenn sie entweder sehr groß sind (wie New York Times oder Spiegel) oder wenn sie kleine, aber lukrative Nischen besetzen - eben weil sich die entsprechende Aufbereitung von Inhalten nur dort lohne, wo der Zeitungs- oder Zeitschriften-Content einen zusätzlichen Mehrwert besitze, etwa durch Exklusivität oder fachspezifische Ausrichtung.

Zu groß, zu teuer, nicht gut genug

Publizistische Geschäftsmodelle im Vergleich Publizistische Geschäftsmodelle im Vergleich
Grafik: iBusiness
Soweit die Thesen zum iPad-Publishing. Doch auch das Gerät selbst rückt noch ins Visier des kritischen Beobachters: Das iPad sei als mobiles Gerät zu groß, um durchschlagenden Erfolg zu haben, denn anders als das iPhone lasse es sich weder bequem in der Hosen- noch in der Jackentasche transportieren. Auch das hochwertige Farbdisplay werde es vermutlich nicht rausreißen, denn die meisten Kunden, die an E-Readern interessiert seien, würden keinen Wert auf ein solches legen. Als Videoplayer sei das iPad schon wieder zu gut, um bloß kleine Infovideos anzusehen, die als Teil einer iPad-Zeitschrift daher kommen. Dann könne man eben auch direkt zu Youtube gehen oder Internet-TV streamen.

Alles in allem sei das iPad für einen E-Reader allein zu teuer und für einen Multimedia-Allrounder wiederum nicht gut genug. Weil das iPad mit einem Preis von 500 bis 800 Euro auch noch deutlich teurer als ein herkömmlicher E-Reader sein soll, sei nicht absehbar, dass die Leute massenweise iPads kaufen werden, zumal in dieser Preisklasse auch gut ausgestattete flache Laptops oder hochwertige Netbooks zu haben sind.

Somit sei das iPad bestenfalls ein Rettungsring, der in schwerer See ein Überleben etwas wahrscheinlicher mache, aber nicht garantiere - und keinesfalls ein Luxusliner, auf dem die Verlagsbranche neue Erfolge mit digitalen Inhalten feiern könne.

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